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Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Год выпуска 0
isbn 9788075831101
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Der Alte, der nicht ahnen konnte, wie ganz anders der ›Herr Architekt‹ in Wahrheit über dieses merkwürdige Wiederauftauchen des Katers dachte, sagte mit einer gewissen Überlegenheit, die Schaper herzlich amüsierte:
»Ja, ja, Herr Müller, das findet man so oft, daß gebildete Leute über solche Dinge spötteln und sich hinterher doch noch zu einer anderen Meinung bekennen müssen. Herr Marschall, der gewiß – was man so nennt – ein aufgeklärter Mensch war, hat manchmal zu mir geäußert: ›Truschinski, es gibt vieles zwischen Himmel und Erde und auch hier im Katzen-Palais, wovon wir trotz all unserer Weisheit nichts ahnen.‹ So ähnlich drückte er sich immer aus.«
Schaper hatte bisher geduldig zugehört, glaubte jetzt aber doch die Erinnerungen des alten Mannes genügend genossen zu haben und fragte daher kurz:
»Und wie war es nun mit den Nachforschungen, Herr Hausmeister?«
»Ja, das war eigentlich eine sonderbare Geschichte. Wenn’s Ihnen recht ist, Herr Müller, erzähle ich’s mal ein bißchen ausführlicher. Herr Marschall ist ja jetzt tot. Denn der hatte mir streng verboten, darüber zu sprechen. Er meinte, das Haus würde sich später schwer verkaufen lassen, wenn überall das Gerücht verbreitet wäre, daß es hier spuke. Vor einem Jahr ungefähr, es war eine regnerische, stürmische Nacht, hörte ich zum ersten Mal diese gruseligen Töne. Die Uhr zeigte kurz nach elf, als das Gewimmer begann. Das weiß ich noch ganz genau. Gerade so wie Sie dachte auch ich zunächst, daß eine der Katzen irgendwo eingesperrt sein müsse und nun herausgelassen werden wollte. Ich nahm also meine Laterne und ging in das Vorderhaus zu Herrn Marschall nach oben, klopfte an und fand ihn über seiner Zeitung im Lehnstuhl eingeschlummert sitzen. Den Stuhl hat er bald darauf meiner Frau geschenkt.
›Herr Marschall,‹ fragte ich, ›haben Sie gehört? Eine unserer Katzen schreit irgendwo ganz kläglich.‹
Er wurde sehr schnell munter und, da in demselben Augenblick das Stöhnen und Winseln wieder begann, horchte er ebenso wie ich angestrengt auf die gräßlichen Töne.
Inzwischen hatte ich mir die fünf Weidenkörbchen, in denen Herrn Marschalls Katzen nachts schliefen und die immer dort nebeneinander an jener Wand standen, angesehen und sogleich bemerkt, daß Moritz, den wir erst vier Wochen vorher bekommen hatten, fehlte. Und daher sagte ich nun:
›Sehen Sie, Herr Marschall, ich habe recht – der Kater ist nicht da!‹
Mein Herr war aufgestanden und hatte die Tür nach seinem Schlafzimmer, das ja jetzt auch das Ihrige ist, geöffnet. Immer noch hörten wir das schauerliche Geschrei, das irgendwo aus den unteren Räumen des Hauses zu kommen schien.
Ich wunderte mich sehr, daß Herr Marschall mich nun plötzlich ohne alle Ursache ärgerlich anfuhr, indem er lospolterte:
›Unsinn, Truschinski! Wie kommen Sie nur auf den Gedanken, daß das Moritz’ Stimme ist? Keine Rede davon! Der Kater wird in meinem Bett schlafen. Warten Sie hier, ich gehe ihn holen.‹
Und dann nahm er die Lampe, verschwand in dem Nebenraum und – ja, das war das Sonderbare, Herr Müller! – schloß die Tür hinter sich ab, wie ich deutlich hörte. Wozu tat er das wohl? – Ich hab’s nie begriffen, und fragen mochte ich nicht. Er konnte manchmal höllisch grob werden.
Nach einer ganzen Weile erst kam er wieder in das Arbeitszimmer zurück, die Lampe in der einen Hand, unter dem anderen Arm den Kater.
›Sehen Sie, Truschinski, da ist er,‹ meinte er und lachte so komisch dabei. ›Natürlich hat der Frechdachs in meinem Bett gelegen. Also kann er auch nicht den Lärm verursacht haben. Das werden Ratten sein, oder ein Marder, der Liebessehnsucht hat. Die sollen ja dann auch so winseln.‹
Nun, Herr Müller, wenn Moritz wirklich im Bett es sich gemütlich gemacht hatte, so sah er dafür entsetzlich schmutzig aus. Er war ganz bestaubt und voller Spinngewebe, so, als ob er sich in den schmutzigsten Winkeln herumgedrückt hatte. Ich tat jedoch, als ob ich das nicht bemerkte, sagte Gute Nacht und ging in meine Wohnung zurück. Und es blieb dann auch ruhig im Hause. Und seit dem Tage, Herr Müller, da glaube ich steif und fest daran, daß es hier in diesem alten Gebäude umgeht. Das sagte ich auch Herrn Marschall. Der nickte und befahl mir, wie ich bereits erwähnte, den Mund zu halten. –
Na, Herr Müller, nun sehen Sie wohl ein, daß auch mein früherer Gebieter an das Vorhandensein übernatürlicher Dinge geglaubt hat, nicht wahr?« schloß der Alte beinahe triumphierend seinen Bericht.
»Gewiß, lieber Truschinski, gewiß!« beeilte Schaper sich völlig ernsthaft zu versichern. Und dann fragte er rasch, innerlich erfüllt von einer noch etwas unbestimmten, aber doch wiederum auch zielbewußten Hoffnung, da er ahnte, daß er auf diese Weise doch noch das Rätsel des an dem Rentier verübten Mordes lösen würde:
»Und das zweite Mal, als Sie das schauerliche Gestöhne und Gewimmer hörten – wie verlief die Sache da?«
»Akkurat ebenso wie in jener Sturmnacht, Herr Müller. Nur daß ich mich – es war damals zu einer früheren Stunde, gegen zehn Uhr abends – mit Zittern und Bangen auf den Weg in das Vorderhaus zu Herrn Marschall machte, der mich eine feige Memme schalt und dann genau wie beim ersten Mal in seinem Schlafzimmer verschwand, um nach geraumer Zeit mit dem Kater unter dem Arm zurückzukehren.«
»Und Moritz war wieder so schmutzig?« forschte der Detektiv mit gespannter Miene.
»Nicht ganz so. Aber Staub und Spinngewebe klebten doch an seinem Fell,« erwiderte der Alte nach kurzem Besinnen.
Schaper begann jetzt, um den Hausmeister nicht argwöhnisch zu machen, zunächst von etwas anderem zu sprechen. Er fragte nach dem Befinden von Fräulein Marschall, nach diesem und jenem, und gelangte so erst auf Umwegen zu dem, was ihn in Wahrheit interessierte.
»Der Pavillon hinten im Garten ist wohl ebenso alt wie dieses Palais?« meinte er dann, nachdem er die Sauberkeit im Park und die gefälligen gärtnerischen Anlagen gelobt hatte.
»Beide sind gleichzeitig erbaut.«
»Könnte ich mir vielleicht auch einmal das Innere des Pavillons ansehen, Herr Hausmeister? – Ich versuchte es gestern schon, fand die Tür aber verschlossen,« meinte er mit harmloser Freundlichkeit.
»Gern, Herr Müller. Den Schlüssel habe ich in meiner Kommode verwahrt, denn Herr Marschall wollte nicht, daß jemand das Häuschen betrat. Ich selbst bin nur ein einziges Mal in all den Jahren in dem Pavillon gewesen. Es wird daher dort wohl recht unsauber aussehen. Denn auch reinmachen ließ mein verstorbener Herr dort nie – das war auch so eine von seinen vielen Eigentümlichkeiten.«
»Besaß er denn wirklich davon eine so große Menge?« fragte Schaper im Tone leisen Zweifels. »Ich glaubte bisher, daß seine Leidenschaft für Tiere seine einzige – na, sagen wir schon Schrulle war.«
Truschinski machte eine vielsagende Geste mit der Hand.
»Herr Marschall war ein sehr sonderbarer Mensch, das, was man so mit ›unberechenbar‹ bezeichnet. Er konnte sehr jähzornig werden, obwohl er sich in dieser Beziehung gebessert hatte, seitdem seine Frau …«, der Alte zögerte weiterzusprechen – »… verschwunden war und nicht wieder zu ihm zurückkehrte. Dieses Ereignis hat auf ihn offenbar einen sehr nachhaltigen Eindruck gemacht.«
Schaper hatte aufgehorcht.
»Frau Marschall ist verschwunden? – Davon wußte ich bisher ja gar nichts,« meinte er erstaunt.
Truschinski nickte traurig vor sich hin.
»Eigentlich hätte ich es ja wohl besser für mich behalten sollen, trotzdem es viele Leute gibt, die darum wissen,« sagte er unzufrieden mit seiner vorschnellen unbedachten Äußerung.
Der Detektiv, dem der Hausmeister seinerzeit über diesen Punkt doch eine ganz andere Auskunft gegeben hatte, nämlich daß Frau Marschall gestorben sei, wußte nun durch geschickte Fragen aus dem