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und beim nächsten Zusammentreffen so tat, als sei nichts geschehen.

      Jetzt hatte sie ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil sie froh war, dass sie endlich an ihren Computer gehen und recherchieren konnte. Dabei waren alle Fortschritte, die sie in diesem Fall erzielt hatten, letztlich ihrer Tante zu verdanken.

      Wenn die nicht ein Tozzi-Original besäße und ihr Wissen um einen derartigen Schmuck an sie weitergegeben hätte, wäre viel Zeit vergangen, ehe man bei der Kripo in mühevoller Kleinarbeit dahinter gekommen wäre.

      Und jetzt die Geschichte mit dem Richter und dessen ermordeter Familie …

      Sie durfte keine Zeit mehr verlieren!

      *

      Leonie hätte später nicht zu sagen vermocht, was sie eigentlich erwartet hatte.

      Vermutlich nach den Anfangserfolgen eine ganze Menge.

      Aber dass ihre Recherche so gar nichts ergeben hatte, das war mehr als deprimierend.

      Sie hatte bis zum Essen herumgesucht, sich danach die Nacht um die Ohren geschlagen.

      Nichts …

      Das war ungewöhnlich.

      Heutzutage konnte man doch alles über jeden herausfinden.

      Und ein Fall von solcher Brisanz, auch wenn er ein paar Jahre zurücklag, musste doch irgendwo erwähnt werden.

      Wenigstens in Italien.

      Außer auf italienischen Seiten fand sie nichts.

      Ihre Tante musste sich geirrt, da irgendwelche Namen verwechselt haben.

      Und Carlotta Perucci …

      Die Tote im Fluss würde weiterhin eine Unbekannte bleiben, wer weiß – vielleicht für immer?

      Sie war auf jeden Fall nicht gemeldet, zumindest nicht in den Registern, die der Allgemeinheit zugänglich waren.

      Leonie wusste, dass sie sich in Teufelsküche brachte, wenn sie sich nicht endlich wieder auf das besann, was wichtig war, nämlich ihre Arbeit.

      So spannend es alles auch war.

      Seit Kommissar Schuster ihr von der Wasserleiche erzählt hatte, war ihre Welt aus den Fugen geraten, und sie beschäftigte sie kaum noch mit etwas anderem.

      Das war nicht gut.

      Kurz entschlossen legte Leonie all ihre Aufzeichnungen beiseite, versuchte sich auf den Roman zu konzentrieren, an dem sie gerade schrieb.

      Ein Juwelenraub war natürlich zu dem, was da gerade im wahren Leben geschah, mehr als nur langweilig. Und dementsprechend zäh ging es für Leonie voran.

      Sie war unkonzentriert, schaute dauernd auf die Uhr, weil sie den Anruf des Kommissars erwartete.

      Der musste doch inzwischen etwas vom Einwohnermeldeamt erfahren haben.

      Und er hatte ihr versprochen, sie mit in die Wohnung der Toten zu nehmen, sobald er die Adresse hatte.

      Sie hatte ihn nicht bedrängt. Er hatte ihr von sich aus das Versprechen gegeben.

      »Gordon Blake wusste, dass er jetzt handeln musste …«

      Ein dämlicher Satz, Leonie löschte ihn sofort wieder. Klar musste der Dieb handeln, wollte er nicht von der Polizei gefasst werden, die ihm auf der Spur war.

      Es brachte nichts.

      Solange ihre Gedanken durcheinanderwirbelten wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm, konnte sie keinen vernünftigen Satz zu Papier bringen.

      Sie blickte auf ihre Armbanduhr, und es ärgerte sie nicht einmal so sehr, dass sie den Vormittag sinnlos vertan hatte, sondern viel mehr, dass sie von Paul Schuster noch nicht angerufen worden war.

      Wie war das noch?

      Wenn der Berg nicht zu einem kam, musste man zum Berg gehen, so oder so ähnlich hieß es.

      Sie brauchte keinen Berg, sie brauchte Paul Schuster, und genau den rief sie jetzt an.

      Er meldete sich sofort, und mit untrüglichem Instinkt ahnte Leonie, dass er, im Gegensatz zu sonst, über ihren Anruf nicht entzückt war.

      »Oh, hallo, Frau von Tenhagen …«

      »Hallo, Herr Kommissar«, sie machte es offiziell. »Ich warte auf Ihren Anruf …, oder hat das Einwohnermeldeamt noch nicht zurückgerufen? Es interessiert mich schon sehr, ob es sich bei der Toten um Carlotta Perucci handelt.«

      Er antwortete nicht sofort.

      »Oh …, ich …, nein …, doch …«

      Was denn nun?

      Warum druckste er so herum?

      »Herr Schuster …«

      Er riss sich zusammen.

      »Okay, sie haben sich gemeldet. Aber …, nun, es müssen noch einige Nachforschungen betrieben werden, Frau von Tenhagen. Sobald ich Näheres weiß, melde ich mich. Das habe ich Ihnen versprochen. Bitte, haben Sie noch ein wenig Geduld.«

      Er wusste Näheres, das war Leonie sofort klar, und darüber wollte oder durfte er mit ihr nicht sprechen. Was sollte sie jetzt tun? Ihn bedrängen? Ihn daran erinnern, dass sie ihm sehr viel wichtiges Beweismaterial geliefert hatte? Vielleicht war es auch nicht wichtig, und die Spur Carlotta Perucci war eine falsche. Das Schmuckstück und die Tote …, nichts weiter als ein Zufall.

      Weil sie nicht gleich etwas sagte, wiederholte er: »Ich melde mich wirklich bei Ihnen …, und jetzt seien Sie mir bitte nicht böse. Ich weiß vor lauter Arbeit nicht wohin und sehne schon den Tag herbei, an dem mein Assistent und meine Assistentin wieder hier einlaufen werden.«

      Sie war so enttäuscht, das sie, sonst wirklich nicht auf den Mund gefallen, nichts weiter als ein leises »okay« stammeln konnte.

      Man konnte sein Aufatmen, sie losgeworden zu sein, förmlich hören.

      Als Leonie ihr Telefon weglegte, wusste sie, dass da irgendetwas nicht stimmte.

      Sollte sie sich damit zufriedengeben?

      Sollte sie einfach tatenlos herumsitzen?

      Nein!

      Sie überlegte fieberhaft, und dann fiel ihr Sergio Calderoni ein, ein Journalist, der für eine große italienische Presseagentur arbeitete.

      Sie hatten sich vor ein paar Jahren auf einem Presseball kennen gelernt, und er hatte sie auf geradezu unverschämte, aber auch sehr charmante Weise angebaggert.

      Sergio war ein Traumtyp, wenn man so wollte, auf den die Frauen nur so flogen.

      Sie war leider nicht geflogen. Sie fand ihn nur spannend, witzig, und er war ein großartiger Unterhalter.

      Zum Glück hatte er ihr das mangelnde Interesse an seiner Person nicht nachgetragen, und sie waren in Verbindung geblieben, einer losen Verbindung.

      Wenn jemand etwas herausfinden konnte, dann Sergio. Dass sie nicht gleich auf ihn gekommen war.

      Sie versuchte ihn zu erreichen, hatte natürlich kein Glück, was bei jemandem, der weltweit unterwegs war, nicht verwunderte.

      Die Sergios dieser Welt hatten nicht ständig den Knopf im Ohr, um nur ja nicht auch die kleinste Kleinigkeit zu verpassen.

      Leonie wusste, dass er sich bei ihr melden würde.

      Um keine Zeit zu verlieren, erklärte sie ihm auch direkt den Grund ihres Anrufes.

      Danach versuchte sie sich wieder auf ihren Krimi zu konzentrieren.

      Es ging nicht.

      Der Juwelendieb bekam keine Chance.

      Und nun?

      Ihre Tante hatte sich mit ihren Bridge-Damen getroffen. Sonst wäre sie zu ihr gegangen, um ein wenig mit ihr zu plaudern. Leonie fühlte sich angespannt.

      Ein

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