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gibt auch eine moralische Schuld, und davon kann sich Herr Ronald nicht freisprechen.«

      Ronald erhebt sich, greift mit beiden Händen an seinen Kopf und zieht sich die Perücke vom Kopf.

      »Sie haben sich abermals geirrt. Ich bin James Malton, der Schauspieler, und habe nur Ronalds Rolle gespielt. Und, wie mir scheint, überzeugend.«

      Schwester Maria taumelt und hat sich sofort wieder gefangen.

      »Aber diese Heuchlerin ist an allem schuld.« Dabei weist sie auf Chris. »Sie hat sich als Freundin Ingeborgs aufgespielt und hat sie betrogen. Jawohl – betrogen mit deren Mann!«

      Sie schreit es Chris entgegen.

      Abermals öffnet sich die Tür, und Chris Velden erscheint auf der Bildfläche. Sie ist vor Erregung weiß bis in die Lippen. Sie lächelt den Anwesenden flüchtig zu, dann setzt sie sich zu ihrem Ebenbild, zu Ina Binding, die ihre Rolle mit Vollendung gespielt hat.

      »Ja, Maria«, sagt Chris unendlich traurig. »Sie haben sich so tief in Ihren Haß gegen Ferdinand Ronald verstrickt, daß Sie gar nicht bemerkt haben, daß diese junge Schauspielerin kleiner ist als ich. Das übrige hat der Maskenbildner getan –«

      »Sie – Sie Teufel!«

      Noch rechtzeitig springen Malton und Brenner zu, sonst hätte Maria Chris Velden angegriffen.

      Mit diesem letzten Temperamentsausbruch scheint ihre ganze Kraft dahin zu sein. Sie wankt und wäre zusammengebrochen, hätten Möller und Schäfer sie nicht gehalten.

      »Wir nehmen sie mit«, sagt er zu den Zurückbleibenden. »Sie könnte in ihrem unversöhnlichen Haß weiteres Unheil anrichten.«

      Schwester Maria ist nunmehr willenlos. Alles läßt sie mit sich geschehen. Gleichgültig, was mit ihr geschieht, folgt sie den beiden Beamten in das wartende Auto.

      Drinnen in der Bibliothek wischt

      James Malton sich den Schweiß von der Stirn.

      »Teufel noch mal, Doktor«, schnauft er nicht gerade freundlich. »Das war ein verdammt unangenehmes Gefühl, eine Frau auf solche Weise zu überführen.«

      Ina weint leise vor sich hin. Chris Velden hat die Arme um sie gelegt und spricht beruhigend auf sie ein.

      Ronald hat sich in eine Ecke zurückgezogen. Er liest die letzte Mitteilung seiner Frau.

      Auf den Rand der einzelnen Seiten hat sie die Botschaft an den geliebten Gatten hingekritzelt.

      Geliebter Ferdinand!

      Schwester Maria hat langsam aber sicher das Gift des Mißtrauens in meine Seele geträufelt, deshalb habe ich Dich heute vor Deiner Abreise gefragt, und Du hast ehrlich und freimütig die Wahrheit gesagt. Gleichzeitig aber hast Du von Deiner hoffnungslosen Liebe zu Chris Velden gesprochen, und daß sie einen anderen liebt.

      Wir waren einmal sehr glücklich. Und ich war es noch, als ich ans Krankenlager gefesselt war. In der Bibel fand ich Trost. Ihr vertraue ich auch meine letzten Gedanken an. Ich hatte Gelegenheit, mir schnellwirkendes Gift von Schwester Maria zu beschaffen und nehme es. Ich will Dir nicht im Wege stehen. Du wirst glücklich werden, ich weiß es. Wenn nicht mit Chris, dann mit einer anderen Frau. Ich weiß auch, daß Du mich bis zum letzten Tag aufrichtig geliebt hast, und das macht mich glücklich. Ich gehe gern. Alles Gute für Dich, geliebter Ferdinand, und für Dein Glück.

      Über den Tod hinaus, Deine Ingeborg.

      Noch nie war Ronald so erschüttert. Er klemmt die Bibel unter den Arm, und, ohne sich von seinen Gästen zu verabschieden, verläßt er den Raum, um sich in seinem Zimmer einzu-schließen.

      Er muß jetzt allein sein. Seine Gedanken gelten Ingeborg, der feinfühligen, immer verständnisvollen Frau.

      »Ich glaube, wir ziehen uns auch zurück«, mahnt Brenner. »Ronald ist jetzt lieber mit sich allein.«

      »Dann gehen wir zu mir«, schlägt Chris vor und zieht Ina, deren Zähne vor Erregung aufeinanderschlagen, zu sich empor. »Sie müssen sich erst beruhigen. In diesem Zustand können wir Sie nicht zu Ihrer Mutter schicken.«

      Ina nickt und läßt sich davonführen.

      Bald liegt das Haus im Dunkel. Nur aus einem Fenster im ersten Stock scheint das Licht weithin. Es kommt aus Ronalds Zimmer. Es brennt bis zum Morgengrauen.

      *

      »Ich halte die Unruhe einfach nicht aus«, sagt Georg Hagen zu Frau Irene. »Ich fahre in die Stadt. Wollen Sie bitte veranlassen, daß man mir den Koffer packt?«

      Sofort erhebt sie sich. »Wünschen Sie auch den Abendanzug?«

      Er lächelt gequält. Wie sollte er den dunklen Anzug benötigen? Aber fast gegen seinen Willen sagt er ja.

      »Wollen Sie zu Frau Velding?« erkundigt sie sich.

      Er dreht sich auf dem Absatz um. Sie hat ihn in letzter Zeit kaum mit so strahlenden Augen gesehen.

      »Ja, ich fahre zu Chris. Zuerst hole ich mir die kleine Elfi und dann Chris. Ich kann Chris nicht vergessen. Sie muß zu mir zurückkehren. Das Leben, das ich seitdem geführt habe, ist kein Leben mehr. Alles ekelt mich an. Ich brauche Chris wie die Luft zum Atmen.«

      Über Frau Irenes feine Züge geht ein glückseliges Lächeln.

      »Wirklich? Oh, welche Freude.« Sie stürmt trotz ihres Alters auf Georg Hagen zu und umarmt ihn. »Nein, diese Freude! Jetzt wird es wieder schön auf dem Hagenhof! Daß ich das noch erleben darf!«

      »Und wenn sie jetzt nicht mehr will?« zweifelt er, und der Glanz in seinen Augen verlöscht vorübergehend.

      »Sie will! Ganz bestimmt will sie«, sagt sie eifrig, und dann läuft sie davon. »Ich packe selbst die Koffer.«

      Es fallen Tränen der Freude aus den dunklen Augen. Erschrocken wischt sie sie weg und packt weiter.

      Dann läßt sie den Koffer hinunterbringen zu dem bereits parkenden Wagen. Kurze Zeit später fährt Georg Hagen schon den Weg in die Stadt.

      Zuerst sucht er Doktor Brenner auf. Dieser ist völlig überrascht. Auch etwas Bitterkeit liegt in seinen Worten.

      »Du kommst wohl auf die Nachricht in der heutigen Morgenpost?«

      »Morgenpost?« Hagen ist so ehrlich erstaunt, daß Brenner sofort von der Ahnungslosigkeit Hagens überzeugt ist. »Keine Ahnung, Fritz. In meinem Zustand interessieren mich sämtliche Zeitungen der Welt nicht. Nur etwas ist wichtig für mich: Ich muß Chris sprechen und sie zurückholen. Ich – ich liebe sie. Ich kann sie nicht verges-

      sen.«

      Jetzt strahlt Brenner. Aber noch will er mit der Wahrheit nicht herauskommen. Er meint, Hagen hätte etwas Strafe verdient.

      »Ist dir auch ganz klar, daß du eine Künstlerin heiratest und keine Gutsfrau?«

      »Ja, ja, alles habe ich mir überlegt«, wehrt Hagen ungeduldig ab. »Chris kann weiter ihrer Arbeit nachgehen. Frau Irene bleibt bei uns. Bei uns läuft alles weiter. Wir werden uns eben in einem Aufenthalt zwischen hier und dem Hagenhof teilen. Ich bleibe bei ihr, wenn sie arbeitet, und sie bleibt bei mir, wenn sie pausiert.«

      »Also wirklich und wahrhaftig die große Liebe?« Immer noch ist Brenner skeptisch.

      »Hör mal, soll ich dir oder Chris eine Liebeserklärung machen. Von dir will ich nur hören, werde ich Chris sprechen können?«

      Doktor Brenner überlegt.

      »Ich hätte dir einen anderen Vorschlag zu machen, Georg. Es hat sich nämlich alles restlos aufgeklärt. Ronald und Chris tragen überhaupt keine Schuld. Schuld trägt lediglich die Schwester. Wir sind alle überzeugt, sie hätte seelenruhig zugesehen, wie Ronald verurteilt worden wäre. Es war eine grausige Szene.«

      Und er berichtet, mit welchen Mitteln sie das wahre Gesicht der sanften Schwester Maria entschleiert haben.

      Georg

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