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Bedingungen und Formen des gesellschaftlichen Daseins der Menschen, für die der maßgebende Faktor ist die Art und Weise der Produktion der Lebensgüter der Menschen.

      Denn diese Produktion wird entscheidend bestimmt vom Werkzeug, über das der Mensch verfügt; vom Werkzeug aber, das die Arbeitsweise vorschreibt, hängt zugleich ab das Eindringen des Menschen in die Gesetze der Natur und damit zuletzt auch der Höhegrad seiner Welterkenntnis.

      Sozial betrachtet ist es das Werkzeug, das bestimmt, ob individualistisch oder kollektivistisch produziert wird.

      Im Altertum und auch noch bis zum Ausgang des Mittelalters ist die Produktion überwiegend individualistisch; erst die Steigerung des Weltverkehrs und Welthandels in der Periode der großen Entdeckungen führt zu kollektivistischer Arbeit in der Produktion. Es breitet sich die Wirtschaftsform aus, die den Namen Manufaktur erhält, Produktion unter Leitung von Großkaufleuten, welche Arbeit an Handwerker ausgeben, dann aber Arbeiter in großen Werkstätten, Fabriken genannt, beschäftigen. Aus dem Kaufmann wird so ein Fabrikant, und in der Fabrik werden vervollkommnete Werkzeuge verwendet, für die als technischer Antrieb die Naturkraft verwendet wird. Das Werkzeug wird zur Maschine und aus dem Handwerker ein Fabrikarbeiter. Die Produktion in der Fabrik wird in steigendem Grade Kollektivarbeit, und da zur Einrichtung und zum Unterhalt der Fabrik Kapital gehört, beherrscht zunehmend das Kapital die Produktion.

      Beim Aufkommen der kapitalistischen Produktion und im Wettbewerb der Kapitalisten untereinander wirkt als objektive Triebkraft der Kampf um die Mehrarbeit, das heißt um den Teil des Bruttowerts der Produktion über die Kosten von Anlage, Rohstoff, Hilfsstoffe und Werkzeuge, bzw. Maschinen hinaus, der nicht den Arbeitern als Lohn gezahlt werden muß. Dieser Kampf um den Mehrwert, wie Marx ihn nennt, hat im weiteren Verlauf zur Folge eine steigende Vergrößerung der Fabriken, weil diese eine größere Ökonomie der Kräfte erlaubt, damit die Unterbietung der Konkurrenz ermöglicht und zur Steigerung des Absatzes führt. Die weitere soziale Folge der Vergrößerung bzw. Konzentration der Unternehmungen ist die Verdichtung der Bevölkerung in Städten und Ländern. Die Industriezentren, die Städte wachsen; es tritt allmählich das ein, was man die Verstadtlichung des Landes nennen kann; mehr als in irgendeinem früheren Zeitalter ergreift die städtische Kultur auch die Bevölkerung des platten Landes und drückt der ganzen Gesellschaft ihren Stempel auf.

      Alles das schafft die materiellen Vorbedingungen für eine neue Gesellschaftsordnung; denn es ist verbunden mit einer neuen Gliederung der Gesellschaftsklassen, als deren wichtigstes Moment zu nennen ist das Aufkommen und Wachstum der Klasse ständiger Lohnarbeiter, des industriellen Proletariats. Die ökonomische Umwälzung macht eine neue Rechtsordnung, neue soziale Einrichtungen und Gesetze notwendig. Es handelt sich nun für den sozialen Reformer nicht mehr um die Erfindung von Idealgesellschaften und die Ausklügelung von Rezepten, sondern um die Entdeckung von sozialen Notwendigkeiten. Die stärkste subjektive Triebkraft bei der Verwirklichung dieser aber ist die Arbeiterklasse, das Proletariat. Seine materiellen und geistigen Bedürfnisse treten immer mehr in den Vordergrund, seine Rechtsauffassungen erobern die öffentliche Meinung. Und die Summe der Forderungen der Arbeiterklasse unseres Zeitalters stellt sich der genaueren soziologischen Betrachtung dar als die Zusammenfassung des rationellen Inhalts der sozialistischen Ideologie früherer Epochen.

      Und so gelangen wir an der Hand der Marx-Engelsschen Theorie zu einer neuen Definition des Sozialismus, die etwa so formuliert werden kann:

      Der moderne Sozialismus ist

      „die Zusammenfassung des geistigen Inhalts der politischen, wirtschaftlichen und allgemein kulturellen Bestrebungen der zur Erkenntnis ihrer Klassenlage gelangten Arbeiter sowie der ihnen gleichgestellten Gesellschaftsschichten in den Ländern kapitalistischer Entwicklung, und der Kampf zur Verwirklichung dieser Bestrebungen.“

      An die Herausarbeitung dieser Theorie in der sozialistischen Welt und an ihre Ausdeutung und praktische Anwendung im einzelnen knüpfen sich an die bemerkenswertesten Streitfragen des Sozialismus in Vergangenheit und Gegenwart.

      Zweites Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Es lag in der Natur der Dinge, daß der Sozialismus in den vergangenen Jahrhunderten bis weit in das neunzehnte Jahrhundert hinein fast ausschließlich naturrechtlich begründet wurde. Die Tatsache des Zusammenhanges der sozialistischen Theorien mit dem Naturrecht ist außerordentlich interessant. Sie ist auch verschiedentlich von Gelehrten oder Schriftstellern, die sich mit der Theorie des Sozialismus befaßt haben, hervorgehoben worden; aber es fehlt meines Wissens doch noch an einer systematischen, ihn geschichtlich wie begrifflich behandelnden Darstellung dieses Zusammenhanges. Es würde das eine außerordentlich fruchtbare Untersuchung sein, durchaus der Vornahme wert, und ich glaube sogar auch ein gutes Thema etwa für eine Dissertation. Dieser Zusammenhang nämlich zieht sich durch die ganze Geschichte des Sozialismus, von den Zeiten an, wo es überhaupt etwas gab, was auf diesen Namen Anspruch hat, bis in die neueste Zeit hinein. Noch im Jahre 1875 hat eine Kommission der damals sich vereinigenden sozialistischen Parteien Deutschlands bei Ausarbeitung eines Entwurfs zum Parteiprogramm dem Sozialismus eine vollkommen naturrechtliche Begründung gegeben und sich dadurch eine außerordentlich scharfe Kritik von Karl Marx zugezogen. Die Begründung lautete nämlich:

      „Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums und aller Kultur, und da nutzbringende Arbeit nur in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft möglich ist, gehört der Ertrag der Arbeit unverkürzt und nach gleichem Recht allen Gesellschaftsgliedern.“

      Das ist, wie jeder leicht sehen kann, naturrechtlich und nicht wissenschaftlich gesprochen.

      Was versteht man unter Naturrecht? Nach meiner Ansicht werden da bei den meisten Definitionen zwei ganz verschiedene Dinge durcheinandergeworfen. Zwei Auffassungen streiten darüber in der Geschichte des Gedankens: eine naive, urwüchsige Auffassung, die statt mit dem Wort „Naturrecht“ besser ausgedrückt würde mit „natürliches Recht“. Die Franzosen sagen auch „droit naturel“ und die Engländer „natural law“, also immer natürliches Recht. Der Begriff ist da abgeleitet von einem vermeintlichen Naturzustand oder wird auf die Natur des Menschen bezogen und ist nur in diesem Sinne naturphilosophisch. Dann gibt es aber eine wissenschaftlich rechtstheoretische Auffassung des Begriffs Naturrecht, nach der es verstanden wird als die Zusammenfassung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die unabhängig von den Grundsätzen und Bestimmungen der örtlich und zeitlich wechselnden positiven Gesetzgebung gewonnen werden mittels der von äußeren Einwirkungen, von Machtverhältnissen und Interessen unbeeinflußten Erforschung der Natur und Zwecke der Gesetzgebung überhaupt sowie der Grundbedingungen der Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit und des möglichst harmonischen Zusammenlebens der Menschen, – Erkenntnisse, die Anspruch darauf erheben, der positiven Gesetzgebung die Wege zu weisen, und die man wissenschaftlich begründen kann. Das Naturrecht in diesem Sinne will also über dem positiven Recht stehen. Die Forschung kann selbstverständlich die Aufgabe nur lösen mittels der prüfenden Vernunft, und zwar wenn sie ausschließlich und vorbehaltlos den Gesetzen der Vernunft folgt. Daher hat man für das so wissenschaftlich aufgefaßte Naturrecht in neuerer Zeit den Namen „Vernunftrecht“ gewählt. Er zeigt an, was aus den ursprünglichen Naturrechtsideen im Laufe der Entwicklung geworden ist. Er läßt aber die Rolle nicht erkennen, die der Begriff des Naturrechts in der Geschichte gespielt hat. Vernunftrecht kann etwas ganz anderes sein als das, was die Menschen jahrhundertelang unter Naturrecht verstanden haben. Einwandfrei ist dagegen der andere umfassende Begriff „Rechtsphilosophie“, denn das Vernunftrecht will eben das höchste Recht, das Wesen dessen feststellen, was Recht sein soll, das Recht, das aus dem Begriff der Gerechtigkeit sich ergibt.

      Die Frage nach einem solchen Recht taucht auf, wo das positive Recht als ungerecht erkannt oder empfunden wird. Dort greifen alsdann die Menschen naturgemäß auf andere Wegweiser zurück für das Recht, das sie haben wollen. Es sind die verschiedensten Faktoren, auf die sie sich dabei berufen, meist zunächst metaphysische, übersinnliche Mächte, die auch

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