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Konrad vor. Die unglückliche Frau klagte darüber, daß sie noch in ihren alten Tagen einer Dirne Platz machen müsse. Man beratschlagte und war sogleich einig, daß ohne Aufschub ein entscheidender Entschluß gefaßt werden müsse. Er wurde gefaßt: man wollte jetzt das Anerbieten des Wagner annehmen. Schon in der folgenden Nacht sollte der Müller umgebracht werden. Wer den Vorschlag zuerst ausgesprochen, wer ihn zuerst angenommen hat, ist nicht ausgemacht, aber gewiß ist, daß alle auf ihn vorbereitet waren und; sobald ihn nur einer aussprach – man vermutet, die Mutter – die anderen zustimmten. Auch beide Töchter, die erst später in die Stube kamen, widersprachen wenigstens nicht und ließen die übrigen walten.

      Konrad lief sogleich aus der oberen Stube hinunter und beschied den Tagelöhner in den Schuppen; hier verabredete er mit ihm die Tat, versprach ihm dafür zweihundert Gulden und daß die Familie ihm jedes Jahr etwas geben und ihn niemals verlassen würde.

      Nachmittags gingen beide aufs Feld zur Arbeit. Hier wurde die Sache aufs neue und im einzelnen besprochen und gesagt, daß sie bestimmt in der nächsten Nacht ausgeführt werden müsse. Konrad äußerte noch immer einige Besorgnisse: Ob es auch wirklich angehe? Ob denn der Vater und sie selbst vor ihm nach der Tat Ruhe haben würden? Ob es ihnen nicht selbst ans Leben gehen könnte, wenn die Sache nicht verschwiegen bliebe? Er wünschte – ein charakteristisches Zeichen seines Gemütszustandes und seiner Verstandeskräfte –, Wagner möchte doch vorher noch einmal mit seiner Frau darüber sprechen, was die dazu meine. Wagner redete ihm alle diese Angst aus dem Sinn.

      Am 9. abends verzehrte der Schwarzmüller noch in Ruhe mit allen den Seinen und in Gesellschaft der Wagnerschen Eheleute das Abendessen. Dann ging das Tagelöhnerehepaar in seine Hütte, der Müller aber in seine Schlafkammer, zu der einige Stufen aus der Küche hinaufführten. Um zehn Uhr, nachdem Mutter und Töchter zu Bett gegangen waren, schlich sich Konrad zu dem Tagelöhner und sagte ihm, nun sei alles bereit. Wagner nahm seine Holzaxt und ging ruhig, wie zu jedem anderen Tagewerke, nach der Mühle, um sich die zweihundert Gulden zu verdienen.

      Der Mord war bis aufs kleinste genau überlegt. Wagner stellte sich in der Küche neben der kleinen Treppe mit seiner Holzaxt auf, und Friedlich ging »auf Wagners Verlangen und Konrads Zureden« in die Mühle. Er ließ diese »leer gehen«, damit durch das Läuten der Glocke der Müller geweckt werde, aufspringe und herauskomme. Konrad ging in seine Kammer und setzte sich hier auf sein Bett. Wagner stand mit aufgehobenem Beil, als die Mühlglocke heftig zu läuten anfing. Der Müller kam alsbald im bloßen Hemd aus der Kammer, er war ungefähr auf der letzten Stufe, als Wagner mit dem Rücken der Axt einen weitausholenden Streich nach ihm führte. Aber in der Dunkelheit irrte sein sicherer Arm. Statt auf den Kopf traf er anderswohin. Der Müller taumelte und erhob ein entsetzliches Geschrei, das von der Mutter und den Schwestern in ihren Betten gehört wurde. Wer sollte es glauben: die Töchter, oder wenigstens die eine derselben, hatten fest geschlafen, obgleich sie wußten, was vorgehen werde. Auch jetzt blieben sie ruhig in ihren Kissen liegen. Der Angefallene wollte in seine Schlafkammer zurückflüchten, aber Wagner hatte rasch das Beil weggeworfen und faßte ihn um den Leib. Der Müller wehrte sich und packte gleichfalls zu. Beim Ringen rief er mehrmals mit kläglicher Stimme: »Ach Gott, ach Gott, laßt mich gehen! O weh, o weh, lieber Bub, laß mich los. Ich will dir auch mein Lebtag nichts mehr zuleid tun.«

      Die furchtbare Mordszene sollte noch eine ganze Weile dauern. Der geschlagene Müller war noch so stark, daß dem Mörder beim Ringen mit ihm bange wurde, er selbst möge am Ende dem stärkeren Manne erliegen. Da kam ihm sein Taschenmesser in den Sinn, das in seiner Weste steckte. Er ließ mit dem rechten Arm den Müller ein wenig los, griff dann in die Tasche, langte das Messer vor, öffnete es mit einem Druck an seinen Körper und stieß dem Müller während des Ringens die Klinge in den Leib.

      Der Schrei des Vaters ließ den älteren Sohn vermuten, daß der Schlag daneben gegangen sei. Er sprang auf, aber nicht an den Ort der Tat, um zu helfen, sondern vor die Mühle, und lief um die Sägemühle herum, vielleicht vor innerer Angst, vielleicht aber auch um zu sehen, ob niemand in der Nähe sei. Aber der Vater schrie immer lauter und entsetzlicher um Hilfe. Jetzt eilte Konrad zurück in die Küche. Der Vater hatte eben den Messerstich erhalten, aber er hielt sich noch unter furchtbarem Gestöhn aufrecht. Konrad griff in die Holzecke, er nahm ein Scheit Holz und reichte es dem Wagner von hinten. Er wartete aber nicht ab, was damit geschähe, sondern lief sogleich wieder auf die Straße hinaus, jetzt mit der bestimmten Absicht, zu sehen, ob auch alles sicher sei. Wagner hatte nun auch das Messer fallen lassen, aber er schlug mit dem Holzstück wiederholt den Müller auf den Kopf, bis dieser endlich rückwärts auf den Herd niederstürzte.

      Aber der Müller lebte noch immer und stöhnte entsetzlich. Wagner entschuldigte seine Ungeschicklichkeit damit, daß er dem Müller doch zu nahe gestanden habe. Der kaltblütige Bösewicht ergriff nun einen auf dem Herde liegenden Backstein und schlug mit ihm mehrere Male mit aller Gewalt auf den Kopf des halb Ermordeten, bis – der Backstein in mehrere Stücke zersprang. Jetzt erst verstummte des Müllers Stöhnen und Wimmern.

      Konrad war währenddessen in seine Kammer zurückgegangen und hatte sich in dumpfem Sinnen auf sein Bett gesetzt. Wagner öffnete die Tür, sagte ihm, mit seinem Vater sei es nun aus, und er möchte Licht anmachen. Konrad holte seinen Bruder Friedrich aus der Mühle ab, in der dieser noch immer hatte läuten lassen. Nachdem sie Licht angezündet hatten, traten beide in die Küche. Der Vater lag in seinem Blute und röchelte noch. Wagner verlangte von Friedrich eine Schnur, um ihn völlig zu erdrosseln. Der Sohn gab ihm ein Stück Faden, das er zufällig in der Tasche trug. Es war aber nicht nötig, die Schlinge zuzuziehen, denn der Schwarzmüller atmete nicht mehr.

      Wagner und Konrad schleppten den Leichnam in die Schlafkammer des Müllers, und der Sohn verschloß die Türe. Der Tagelöhner forderte ein Glas Branntwein, trank es und ging dann, um von der sauren Arbeit auszuruhen. Konrad ging zu seiner Mutter hinauf, jammerte und rief: »O Mutter, wenn es nicht geschehen wäre, so geschähe es nimmermehr!« Die Mutter vergoß keine Tränen, »weil der Mann sie immer so arg mißhandelt habe.« Sie war der Überzeugung, Gott selbst habe ihr und den Kindern den Entschluß eingegeben, ihren Mann ermorden zu lassen. Noch in ihrem Schlußverhör antwortete sie auf die Frage, ob sie denn glaube, daß es ihr nach ihrem Tode Wohlergehen werde: »Ich glaube allerdings, daß ich von Gott in Gnaden aufgenommen werde; denn ich habe auf dieser Erde so viel ausgestanden, daß es gar keine Gerechtigkeit gäbe, wenn es mir nicht nach dem Tode sollte vergolten werden.«

      Am folgenden Tage, es war ein Sonntag, wurde die Frau des Wagner herübergeholt. Sie mußte das Blut aufwischen und erhielt zur Belohnung dafür den Wasserständer, den sie dabei verwendet hatte, zum Geschenk.

      Am Nachmittag gingen die Söhne auf den Jahrmarkt nach Petersau, nicht aus Roheit und frecher Lust nach einer solchen Tat, sondern weil sie schon längere Zeit von ihren Mahlgästen eingeladen waren und ihr Fortbleiben hätte Verdacht erwecken können. Der wilde Jubel schnitt ihnen ins Herz; sie schlichen sich, sobald sie konnten, fort und gingen auf einen nahen Berg, fielen dort auf ihre Kniee nieder und riefen Gott um Vergebung ihrer Sünden an.

      Am Montag in der Frühe schritt man zur Beerdigung. Der Tagelöhner Wagner wickelte den Leichnam in ein Leinentuch, steckte ihn in einen groben Sack und grub hinter der Sägemühle ein Grab. Erst gegen Mittag trugen Konrad und der Tagelöhner den Körper dahin. Die Ehefrau des letzteren half beim Verscharren. Friedrich stampfte die lockere Erde über dem Grabe seines Vaters fest. Währenddessen stand die Müllerin unter der Haustür und begleitete die Handlung mit einem Gebete.

      Erst ein Jahr und einige Monate später war die Leiche wieder ausgegraben und in die Felsenschlucht gebracht worden, in der die Gebeine später vom Gericht aufgefunden wurden. Das geschah auf die erste Untersuchung hin, die von dem Landgericht auf Grund des dunklen Gerüchtes einer Ermordung des Schwarzmüllers im Jahre 1818 eröffnet, dann aber schnell wieder abgebrochen worden war. Beide Brüder hatten die verweste Leiche auf einer Bahre dorthin getragen, und der Tagelöhner Wagner hatte für seine Beihilfe abermals hundert Gulden erhalten.

      Hiermit ist die Geschichte dieses Kriminalfalles, so weit sie zu unserer Aufgabe gehört, zu Ende. Von einer besonderen Nachgeschichte, aus welche Weise etwa der böse Dämon der Familie, der Verführer, Lohnmörder und nunmehrige Mitwisser der Mordtat, der Tagelöhner Wagner, seine Wissenschaft ausgebeutet hat, davon

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