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bereits von Norden her einen Weg durch die Stadt, mein König.«

      Shishak streckte die Spitze seines Schwertes noch etwas höher empor. »Dann setzte die Truppen in Marsch«, befahl er. »Ich will die eine Sache, die sie am meisten begehren.«

      »Unsere Quellen berichten, dass sich ihr heiligster Schatz inmitten der Kammer befindet, umgeben von Bergen aus Gold.«

      »Dann beanspruchen wir für uns, was rechtmäßig Ra gehört«, sagte er. Und mit diesen Worten deutete er mit seinem Schwert in Richtung Jerusalem und sah zu, wie seine Armee auf die Stadtmauern zustürmte, fest entschlossen, niemanden am Leben zu lassen.

      In Jerusalem wurde er Abraham genannt, ein hochrangiger Priester, der von den Massen beneidet wurde und dessen Weisheit selbst sein hohes Alter noch überstieg. Mit über siebzig Jahren war er äußerlich so gealtert, dass seine Haut an geschmolzenes Wachs erinnerte und ihm ein Aussehen verlieh, als wäre er so uralt wie die Wüste, die ihre Stadt umgab. Trotz des brennenden Gefühls in seinen Lungen und wachsender Schwerfälligkeit in seinen Beinen hastete Abraham mit weit ausgreifenden Schritten durch die düsteren Gänge zu der heiligen Schatzkammer.

      Bevor er die Tür zur Schatzkammer erreichte, kam er an drei jungen Männern vorbei, welche die Kapuzenroben eines Priesters trugen, aber die Priesterweihe noch nicht erlangt hatten. Vielmehr handelte es sich um Jungen, denen gerade ihre ersten Bärte wuchsen, an denen man schließlich ihre Position in der heiligen Hierarchie erkennen würde.

      Als sie Abraham erblickten, streckte einer der Brüder dem alten Mann die Hand entgegen, um ihm Halt zu geben. Mit pfeifender Lunge und einem Gesicht so bleich wie der Unterbauch eines Fisches lehnten sie Abraham gegen eine Wand, um ihn zu beruhigen.

      »Ihr müsst die anderen finden«, ließ er die Brüder atemlos wissen. »Schickt sie zur heiligen Schatzkammer … ich werde sie dort treffen.«

      »Ist es der, den sie Shishak nennen, der gegen Jerusalem vorrückt?«, fragte einer der Brüder.

      Der alte Mann nickte hastig. Er ist es. »Beeilt euch!«, rief er dann aus. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit!«

      »Und was ist mit dir?«

      Abraham winkte ab. »Kümmert euch nicht um mich«, sagte er. »Geht!«

      Ohne weitere Fragen eilten die jungen Priester davon und ließen Abraham allein wieder zu Kräften kommen. Mit der Beweglichkeit eines gebrechlichen, in die Jahre gekommenen Mannes hastete Abraham auf wackeligen Beinen weiter durch die Gänge. Doch seine priesterliche Überzeugung, den Schatz ihres Gottes in Sicherheit zu bringen, trieb ihn immer weiter an.

      Auf seinem Weg die Treppenstufen hinab mutete die Luft abgestanden, beinahe wie in einem Grabgewölbe an. An die ihn umgebenden Wände warf das Licht der gierig nach Luft leckenden Flammen gespenstische Schatten. In seiner Unterwürfigkeit seinem Gott gegenüber bat er um zusätzliche Stärke, in Worten, die nun nur noch als Flüstern über seine Lippen kamen.

      »Bitte, lieber Gott, gib mir die Kraft, Dir in dieser Not zu dienen. Gib mir die Kraft, dies zu überstehen.«

      Als das letzte Wort seine Lippen verlassen hatte, erreichte Abraham das Ende der Treppe. Weniger als zwanzig Meter vor ihm erblickte er den Bogengang, der in die heilige Schatzkammer führte.

      Nachdem er die dicke hölzerne Tür geöffnet hatte, die von schwarzen Stahlbändern und Nieten gehalten wurde, raubte ihm wie jedes Mal stets der Anblick des Schatzes den Atem. An den Wänden brannten mehrere Fackeln. Das Licht ihrer Flammen tanzte flackernd über jedes Goldstück und verlieh selbst der kleinsten Münze einen blendenden Schein.

      Die Kammer war kreisrund und in ihr erhoben sich pyramidenartig Berge aus Gold, Rubinen und Saphiren, von denen einige so hoch wie ein ausgewachsener Mensch aufragten. An der hinteren Wand gegenüber der Tür hingen die goldenen Schilder des Salomon, beinahe dreihundert an der Zahl. Jedes von ihnen glitzerte golden, wenn das Licht der Fackeln von ihrer Oberfläche reflektiert wurde. In der Mitte der Kammer befand sich jedoch der begehrteste der Schätze, etwas, das so hell schimmerte, dass es selbst das glänzendste Stück Gold noch übertraf. Von einem geradezu perfekten weißgoldenen Heiligenschein umgeben stand dort die Bundeslade.

      Der Hohepriester näherte sich vorsichtig dem spektakulären goldenen Leuchten, das beinahe lebendig anmutete, und begann zu beten.

      Die Lade war wundervoll gearbeitet, geschaffen aus dem Holz des Akazienbaums und mit reinem Gold bedeckt. Sie maß anderthalb Königsellen in der Breite und Höhe, und zwei Königsellen entlang des oberen Deckels, dem Gnadenthron. An beiden Seiten befanden sich zwei goldene Ringe für hölzerne Stangen, mit denen man die Lade tragen konnte. Die Oberseite der Lade wurde von zwei Cherubinen gekrönt, die sich einander zugewandt gegenseitig mit den Spitzen ihrer Flügel berührten und damit den Thron Gottes formten, während man die Lade selbst als Gottes Schemel ansah.

      Und während Shishak mit seinen Truppen immer näher rückte, betete Abraham um göttlichen Beistand, der in Form von acht jungen Männern erschien, hauptsächlich Priestern, die Roben mit Kapuzen und dicke Kordeln um die Hüften trugen.

      »Die Stangen«, sagte Abraham und deutete auf die langen, mit kunstvollen Verzierungen aus Gold geschmückten Holzpflöcke. »Wir haben nicht mehr viel Zeit!«

      Nachdem sie die Stangen durch die goldenen Ringe geführt und befestigt hatten, griff sich Abraham eine Fackel und bedeutete den Priestern, ihm zu folgen.

      Selbst mit der Kraft von acht jungen Männern taten sich die Priester schwer, die Bundeslade durch die Kammer zu hieven.

      Abraham, der vorausging, erhellte mit seiner Fackel eine kleine Öffnung an der hinteren Wand. Der Gang war jedoch so tief in den Schatten verborgen, dass das Licht die Dunkelheit erst dann zu durchdringen vermochte, als er direkt vor ihm stand.

      »Hier entlang«, sagte er.

      Sie trugen die Lade durch eine Art Tunnel, dessen Wände nur grob behauen waren. Auch der Boden, über den sie liefen, war uneben und hügelig, was den Transport ihrer großen Last erschwerte. Am Ende des Ganges schloss sich jedoch eine zweite, beeindruckende Kammer an; eine, deren Kuppel nahtlos in Wände überging, die perfekt und ohne jeden Makel waren. Im Zentrum dieses Raumes lag ein erhöhter Steinblock, auf dem die Lade ruhen würde.

      Nachdem die Priester die Bundeslade auf der Plattform abgestellt hatten, schritt Abraham die Wände entlang und entzündete Fackel für Fackel. Als sich das Licht vom Rand der Kammer ausbreitete und im Herzen der Lade traf, schien diese von einer geistigen Macht unbändiger Wärme zum Leben zu erwachen, was die Priester vor ihr auf die Knie fallen ließ.

      Abraham aber schritt rastlos weiter.

      Neben der letzten Fackel befand sich eine kreisrunde Aussparung, die gerade tief genug war, dass man seinen Arm bis zur Schulter hineinstecken konnte. Abraham griff nach einem Eisenring und drehte ihn nach rechts. Ein knirschendes Geräusch ertönte, als würden riesige Steine gegeneinander reiben, und der Boden unter ihnen erbebte und drohte aufzubrechen.

      Während die Priester noch immer vor der Bundeslade knieten, rieselte Staub von der Decke auf sie hinab, bis ihre Umhänge die Farbe von Sand angenommen hatten. Dann, mit einem letzten Beben, stürzte der Eingang unter Tonnen von herabfallendem Gestein und Trümmern zusammen. Der Gang dahinter implodierte ebenfalls, und eine riesige, dichte Staubwolke schoss in die Kammer. Als das Beben endlich verebbte, senkte sich eine unheilvolle Stille auf sie herab.

      Einer der Priester sprang ruckartig auf. Sein Gesichtsausdruck offenbarte die Erkenntnis, dass sein Schicksal von einer einfachen Drehung der Hand des alten Mannes besiegelt worden war. »Sind wir eingeschlossen?«, fragte er.

      Der alte Mann platzierte die Fackel in ihrer Halterung und trat dann zu den Priestern, die sich nun alle aufgerichtet hatten. »Ihr müsst mir vergeben«, erklärte er. »Ich durfte nicht zulassen, dass Shishak in den Besitz der Bundeslade gelangt. Bei all dem Gold und den Schilden des Salomon ist sie der einzig wahre Schatz.«

      »Und unsere Leben?«, fragte ein anderer. »Ihr habt uns nicht einmal die Gelegenheit gegeben, unser Heil in der Flucht zu suchen. Stattdessen

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