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Sprache und dem religiösen Glauben finden wir die Familie bei allen Völkern der Erde wieder.“[2] Dem ist nun nicht so; nicht nur kennt die Völkerkunde familienlose Menschenstämme, sondern bei vielen, welche wir nicht als familienlos bezeichnen möchten, tritt das, was man etwa mit starker Dehnung des Begriffes als „Familie“ gelten lassen kann, unter sehr verschiedenen Formen auf, ja unter Formen, welche mitunter unseren heftigsten Abscheu erregen und gradezu das Gegenteil von der geheischten leiblichen und sittlichen Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechtes zu sein scheinen. Die Frage ist daher berechtigt, woher es kommt, dass uns Kulturmenschen der oben aufgestellte Begriff der Familie gewissermassen der einzig zulässige geworden und ob dem zu allen Zeiten so gewesen sei? Darin liegt aber die stillschweigende Anerkennung, dass auch die Familie, dieser Eckpfeiler unserer Gesittung und sozialen Anschauungen, kein Unwandelbares, weder eine göttliche Einrichtung, noch ein allgemein menschliches Bedürfnis sei. Über Ursprung und Entwicklung dieser allerwichtigsten unserer gesellschaftlichen Institute sollen nun die nachstehenden Blätter — Ergebnisse langjähriger ethnographischer Forschungen — einigen Aufschluss gewähren.

      Ich will dabei ganz methodisch zu Werke gehen. Vater, Mutter und Kind bilden, wie oben bemerkt, die drei Elemente der Familie nach unseren Begriffen, und dabei spielt das Kind gewissermassen die Hauptrolle, denn erst mit seinem Erscheinen erweitert sich die Vereinigung von Mann und Frau zur „Familie“. „Haben Sie Familie?“ hört man fragen und meint damit, ob Kinder vorhanden seien. Von kinderlosen Ehepaaren sagen wir bedauernd, sie hätten „keine Familie“. Im weiteren Sinne lässt man zwar solche Ehepaare als Familien gelten, weil vorausgesetzt wird, dass jede Ehe behufs Begründung einer Familie zustande kommt; im eigentlichen Sinne aber werden sie nicht als Familie anerkannt, denn es fehlt ihnen dazu eben deren wesentlichstes Merkmal: die Nachkommenschaft. Da nun letztere erst eine Folge der Vereinigung zweier Personen verschiedenen Geschlechtes ist, welche Vereinigung in der Kulturwelt ihren anerkannten Ausdruck in der Ehe findet, so wird jede Untersuchung über die Geschichte der Familie notwendig eine solche über die Ehe einschliessen müssen. Weil aber die Ehe ihrerseits wiederum nur innerhalb bestimmter Gesittungskreise als Weihe des Geschlechtsverkehrs erachtet wird, so liegt uns zunächst die Aufgabe ob, diesem letzteren selbst in seinen wechselnden Formen bis auf jene untersten Stufen nachzuspüren, wo er sich als rein animale Verrichtung des menschlichen Organismus erweist. Im Geiste der Darwinschen Entwicklungslehre, welche eine qualitative Verschiedenheit zwischen menschlichem und tierischem Organismus nicht anzuerkennen vermag, glaube ich nun zu dem angedeuteten Zwecke zunächst einen flüchtigen Blick auf das organische Gattungsleben in der Tierwelt werfen zu sollen, der nicht ohne Nutzen für die späteren Untersuchungen bleiben dürfte.

       Die Geschlechter und der Paarungstrieb.

       Inhaltsverzeichnis

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