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Papier aus der Hand, faltete es zusammen und steckte es in einen Umschlag, den er sorgfältig mit einem großen roten Siegel verschloß. »Ich will sie lehren, uns zu vertrauen,« erklärte er. »Versprich mir, Clive, ihr dies Dokument nur von außen zu zeigen und das Kuvert erst nach der Trauung zu öffnen. Du kannst es ja mit zur Kirche nehmen und in der Sakristei lesen, wenn du willst. Ich mache aber keine Bedingungen – jedenfalls hast du ja meine Einwilligung.«

      »Natürlich, Onkel, ich tue ganz nach deinem Wunsch,« antwortete Clive voll Dankbarkeit. »Mamie wird sich auf mein Wort verlassen oder auf das deinige,« setzte er nach einer Pause hinzu. Mamie war aber keineswegs zufrieden, als sie die ganze Geschichte erfuhr und ihr nur gestattet wurde, mit vergeblich forschenden Augen das versiegelte Dokument von außen zu betrachten.

      »Dir glaub' ich ja schon, Clive; ihm traue ich aber nicht. Seine Süßigkeit ist nicht natürlich. Ich bin überzeugt, er betrügt dich.«

      Clive liebkoste, streichelte und küßte sie, bis sie sich fügte und nach Frauenart doch schließlich bei ihrer Meinung blieb. Zum zweiten Male wurde beschlossen, Herr Beck solle entscheiden, und sie gingen sogleich miteinander nach seinem Hause. Mamie wollte eben eine beredte Auseinandersetzung beginnen, als Herr Beck seine große Hand erhob, um sie zu unterbrechen. »Ich kann mir schon denken, was sich zugetragen hat,« sagte er zu Clive, »Ihr Onkel hat seine Einwilligung unterschrieben?«

      Clive nickte.

      »Er erbot sich wohl von selbst dazu?«

      »Wie kommen Sie denn darauf?«

      »Fragen Sie mich nicht. Ich bin in meinem Leben schon ganz andern Dingen auf die Spur gekommen. Nicht wahr, nachdem er die Schrift unterzeichnet hatte, tat er sie in einen Umschlag, den er versiegelte, und ließ Sie versprechen, ihn erst nach Ihrer Trauung zu öffnen?«

      Clive war zu erstaunt, um zu antworten. »Siehst du, sagte ich dir's nicht?« rief Mamie. »Herr Beck hat den Kniff von vornherein erraten. Natürlich hat er das Papier, das du ihn unterschreiben sahst, mit einem leeren Blatt vertauscht.«

      Clives Antlitz verdüsterte sich. »Ach was, Mamie, ich habe ganz deutlich gesehen,« fing er an; da unterbrach ihn Beck sehr ruhig: »Versteht sich, Herr Meredith; Sie können heiraten, sobald es Ihnen beliebt.«

      »Morgen hole ich den Erlaubnisschein!« rief Clive fröhlich, und die hartnäckige Mamie ergab sich ohne weiteres.

      Es sollte eine recht stille Hochzeit sein, denn das Paar wünschte mit seinem Glück nicht vor der Gesellschaft zu prahlen. Gleich nach der Trauung gedachten sie nach Rom aufzubrechen, um dort Weihnachten zu feiern. Dies hatte der Onkel vorgeschlagen, der sich ziemlich im Hintergrund hielt, aber die Güte und Rücksicht selber war und sich, wie er Clive versicherte, so warm für das Glück der jungen Leute interessierte, als ob es sein eigenes wäre. Selbst Mamie wurde durch seine fortdauernde Freundlichkeit besänftigt.

      Der 10.Dezember war der glückliche Tag. Der Hochzeitsmorgen war wolkenlos, wie die Freude der Liebenden, der Himmel klar, die Sonne strahlend, und ein scharfer Frost in der Luft ließ das Blut mit verdoppelter Lebenskraft durch die Adern rinnen. Die kleine Kirche war hell erleuchtet und mit grünen Stechpalmen geschmückt. Der Brautführer hatte sich pünktlich eingefunden und fühlte ängstlich in der Westentasche, ob der Trauring auch sicher an seinem Platze sei. Flora Burton, die zehnjährige Brautjungfer, sah zauberhaft aus in weißem Atlas mit einer himmelblauen Schärpe und ihren langen blonden Locken. Den gutmütigen Brautführer behandelte sie mit so würdevoller Geringschätzung, daß er sich beinahe versucht fühlte, sie mitten in der Kirche aufzuheben und zu küssen. In einem stillen Winkel weinte die Mutter der Braut über die nahe Trennung von der Tochter; nur die Bewunderung für den neuen Sohn milderte ihren Kummer. Drüben im Schatten einer Säule stand Beck, dessen Gegenwart bei der heiligen Handlung Mamie gebieterisch gefordert hatte. Da sowohl die Braut als der Bräutigam allgemein beliebt waren, hatte sich das Schiff der Kirche mit Zuschauern gefüllt; es waren meistens junge Leute beiderlei Geschlechts, auf die eine Trauung dieselbe geheimnisvolle Anziehungskraft übt, wie das Licht auf die Motte.

      Die sonst so lebhafte Mamie war jetzt sehr still; ihr hübsches Gesicht sah blaß aus unter dem Zweig von Orangenblüten und dem durchsichtigen weißen Schleier und die süßen Lippen bebten ein wenig. Aus dem Antlitz des Bräutigams sprach nur freudiger Triumph. Ein lieblicheres Paar hatte wohl nie vor den Altarstufen gekniet. Zehn Uhr, die festgesetzte Stunde kam und ging vorüber; eine Minute nach der andern verging, aber ein Hochzeitsgast fehlte noch immer. Marmaduke Meredith, der fest versprochen hatte, zugegen zu sein, war noch nicht erschienen.

      Clive war ungeduldig, und als sich die Minuten immer endloser dehnten, beschlich ihn ein Gefühl des Unbehagens. Aber er tröstete sich damit, daß er ja das kostbare Dokument sicher in der Brusttasche seines Hochzeitsfrackes trug. Er flüsterte dem Brautführer neben ihm ein paar Worte zu, worauf dieser sich leise in die Sakristei begab. Gleich darauf trat der Geistliche auf die Altarstufen und der Trauungsakt begann. Clives Antworten waren klar und fest, wie es dem Manne zukommt; Mamies lieblich und leise, wie es für die Frau paßt. So vollzog sich die heilige Handlung, die zwei Leben mit Leib und Seele vereinigte. Das Mädchen, Mamie Coyle, verschwand aus der Welt, und die junge Frau Mamie Meredith legte schüchtern, aber vertrauensvoll die kleine Hand auf ihres Gatten Arm, während sie zusammen nach der Sakristei gingen, wo der erste Kuß ehelicher Liebe den Bund besiegelte. In dem ganzen Raum herrschte fröhliche Aufregung und die kleine Brautjungfer wehrte sich vergebens dagegen, sich von dem Brautführer umarmen zu lassen. Mamie Meredith hatte soeben mit zitternder Hand ihren neuen Namen ins Kirchenbuch geschrieben, als draußen ein Wagen in rasender Eile vor die Tür gerasselt kam. Mit gerötetem Gesicht brach Marmaduke Meredith ungestüm in die Versammlung herein und sah sich voll zorniger Bestürzung im Kreise um. »Mein Gott! Komme ich doch zu spät!« rief er aus.

      Mamie wich bei seinem Anblick erschrocken zurück, aber sein Neffe trat ihm mit ausgestreckten Händen lächelnd entgegen.

      »Nicht zu spät, um uns deinen Segen zu bringen, Onkel. Wir haben bis zum letzten Augenblick auf dich gewartet.«

      Sein Onkel starrte ihn an wie versteinert. »Untersteh' dich nicht, mit mir zu sprechen! – Was bedeutet dieser ganze schimpfliche Vorgang?«

      »Onkel! Wie kannst du meine Hochzeit so nennen! Hast du mir nicht selbst deine Einwilligung gegeben?«

      »Das ist erlogen!« schrie Meredith wütender als je und ganz außer Fassung. »Es klingt sehr unwahrscheinlich, daß ich meinen Neffen an ein unmündiges Kind verheiraten würde, das keinen Heller besitzt.«

      Das heiße junge Blut strömte Clive zu Kopf und seine Hände ballten sich unwillkürlich; aber Beck, der sich leise zur Seite gestellt hatte, berührte seinen Arm. »Nur ruhig,« flüsterte er, »das Papier –«

      Clive hörte ihn und riß das versiegelte Dokument aus seiner Tasche. »Hier habe ich deine Einwilligung, die du mit eigener Hand geschrieben hast. Seht her,« rief er den erstaunten Gästen zu, die sich um ihn drängten, »jetzt wird sich zeigen, wer der Lügner ist!«

      Er riß den Umschlag auf und hielt das Papier in die Höhe, damit es alle sehen konnten – das Blatt war ganz leer. Marmaduke Meredith stieß ein hartes, höhnisches Gelächter aus. »Bist du jetzt zu Ende mit deinen Narrheiten?« fragte er verächtlich.

      »Halten Sie das Blatt ans Feuer,« flüsterte Beck mit befehlendem Ton Clive ins Ohr. Betäubt und verwirrt gehorchte Clive mechanisch. ... Da, vor aller Augen erschienen langsam auf dem Papier, in der großen klaren Handschrift von Marmaduke Meredith die Worte:

      »Hierdurch gebe ich meine volle und freie Einwilligung zu der Heirat meines Neffen, Clive Worthington Meredith mit Miß Mamie Coyle.

      21. November 1893.

      Marmaduke Meredith.«

      Herrn Merediths Gesicht wurde erdfahl. Einen Augenblick rang er in seiner Bestürzung vergeblich nach Atem. Dann brach er verzweifelt in die Worte aus: »Was für ein verfluchter Streich ist das!« und wollte sich des Papiers bemächtigen. Aber Becks große Hand legte sich gleich einer eisernen Klammer um seinen Arm.

      »Ruhig, mein werter Herr,« sagte er im mildesten

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