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Wirt durchaus nicht, weder im Guten noch Bösen äußern wollte, mußte, den Angaben zufolge, oberhalb Teufenthal, unweit Äsch, in einer Bergschlucht, die man »im Moos« nannte, und welche sich ostwärts zwischen Tannenwäldern ausbreiten sollte, gelegen sein. Ehe sich Addrich dort angesiedelt habe, sei, wie der Kulmer Wirt berichtete, jenes schmale Thal ein ungeheurer Sumpf gewesen, daher vom gegenwärtigen Besitzer um Spottgeld erworben, und seitdem in das schönste Wiesenthal verwandelt worden. Dann habe er an der Berghalde, ganz versteckt im Walde, ein Haus gebaut, so schön als irgend eins im Dorfe.

      Als hier nichts mehr zu erforschen blieb, setzte der Wanderer, welchen der Wirt immerdar nur von der Seite und, wie es schien, nicht ohne Argwohn, angehört und beobachtet hatte, und sogar später als er gewollt, den Weg durchs Thal fort. Es dunkelte der Abend schon, als er an den Trümmern des Schlosses Trostburg vorüberging und in das Seitenthal ausbog, wohin ihn seine Sendung rief. Ein frostiger Nebel strich an den Bergen hin und machte die unbekannte Gegend noch unheimlicher. Der Meistersänger, dem eine gute Herberge keine gleichgültige Sache war, und der nicht ganz ohne Grund bezweifelte, in diesem abgeschiedenen Winkel der Welt ein schmackhaftes Abendessen zu finden, überlegte schon, ob es nicht geratener sei, umzukehren und die Entführung der schönen Epiphania auf den folgenden Morgen zu verschieben, denn wie dringlich ihm auch der Oberherr das Geschäft gemacht hatte, sah er doch mit jedem Schritte vorwärts die Zahl der Bedenklichkeiten zunehmen, und weitaus nicht so große Gefahr im Verzuge als in der Übereilung.

      Er schwenkte wirklich wieder links, um den Rückweg zu ergreifen, blieb aber, als er hinter sich sah, wie Loths Weib versteinert stehen. Ein riesige Männergestalt, die um anderthalb Kopflängen über ihn wegsah, wie ein Bauer in einem grauen Zwillichwamms, mit weiten, faltigen, bis auf Knie reichenden Pluderhosen, stand unmittelbar vor ihm. Die nächtliche Dämmerung erlaubte ihm, das Gesicht des gewaltigen Kopfes, der zwischen den breiten Schultern emporragte, deutlich zu erkennen. Es lag in dem Gesichte allerdings etwas, was einige Besorgnis erregen konnte; ein Ausdruck von Finsternis, Härte und Wildheit, der durch die hervorstehenden Backenknochen, durch den zottigen Knebelbart unter der weit vorspringenden Nase, durch die breiten, so recht zum Zermalmen geschaffenen Kinnladen nicht wenig gehoben wurde. Am abschreckendsten blieben aber die unter buschigen Augenbrauen hervorstierenden Augen, welche aus einem scharlachroten Ringe wirklich durchbohrende Blicke sandten.

      »Wohin des Weges, Landsmann?« fragte mit kräftiger, doch etwas heiserer Stimme der Mann, dessen Alter den Sechzigen nahe zu kommen schien.

      »Ich gedachte nach Äsch zu gehen, wo ich Geschäfte habe,« antwortete der Spielmann, »doch ist's vielleicht noch weit dorthin; ich bin des Weges unkundig und in der hiesigen Gegend unbekannt; auch wird's schon dunkel, und die Nacht ist keines Menschen Freund.«

      »Der Ort ist nicht so weit von uns; ich gehe auch dahin und begleite Dich. Komm nur mit mir!«

      Der Meister gehorchte unwillkürlich. Er trabte an der Seite des bäuerischen Herkules, wie er ihn in Gedanken nannte, wieder thalaufwärts.

      »Nach der Arbeit will man ruhen,« sagte Wirri. »Das Thal macht eben keinen gastfreundlichen Eindruck und es entsteht die Frage: ist hier zu Lande die Kochkunst schon entdeckt und das Wirtshaus schon erfunden?«

      »Ich will Dir eine gute Herberge nachweisen, in der kein Junker Einkehr zu halten Bedenken tragen wird.«

      »Das läßt sich hören! Ich möchte die Wurst nicht im Hundestalle suchen. Der Mensch und die Uhr, wenn sie gehen sollen, müssen aufgezogen sein. Ich habe meinen Teil Weges heute schon gemacht.«

      »Kommst also weit her?«

      »Wie man's ansieht und nimmt, guter Freund! Eigentlich, siehst Du, komme ich von Aarau; ich bin der Meistersänger und Spielmann Wirri. Vielleicht haben Dir schon Ehrenleute von mir erzählt, denn ich bin aller Welt bekannt. Nun wirst Du behaupten, von Aarau bis hierher seien keine hundert Stunden. Aber, guter Freund, kurze Beine machen den Weg lang.«

      »Das ist gewiß, und der Ruederberg, von dem Du sprichst, ist keine Ebene.

      »Habe ich vom Ruederberg gesprochen? Da ist mir's wie Jenem ergangen, der sich im Dunkeln versprach und bei hellem Tage des Teufels Großmutter heiraten mußte.«

      »Der Junker Oberherr ist doch wohlauf? Ich kenne ihn sehr gut. Das ist mir ein kreuzbraver Herr, wie wenige im Lande sind. Für den liefe ich der Hölle durch den Rachen. Er ist doch wohlauf, der gute Herr? Oder kennst Du ihn nicht?«

      »Oho, ich ihn nicht kennen! Ich bin bei ihm zu Hause wie sein eigenes Kind. Zu seiner Hochzeit machte ich einen Spruch, der wert war auf Seide gedruckt zu werden. Komme ich aber auch nach Rued, so heißt's: aufgeschüsselt, daß die Tische krachen! Und Du weißt wohl. guter Freund, nachdem der Gast ist, richtet man an.«

      »Ich wäre an Deiner Stelle über Nacht bei ihm geblieben. denn Bauernküche ist keine Schloßküche.«

      »Richtig, guter Freund, aber alles in der Welt hat seinen Haken und Ehr' hat Beschwer. Unsereins hat noch andere Geschäfte, als mit Gabel und Löffel.«

      »Ich denke es auch; vielleicht Aufträge vom Schlosse Rued. Ich merke wohl, Du bist ein Gelehrter, und der ist großen Herren immer willkommen.«

      »Nun ja, guter Freund, es geben freilich nicht alle Lumpen Papier. Es ist wahr, der Junker schenkt mir Vertrauen, aber er weiß auch, wen er an mir hat. Und wäre er mir nicht so lieb. ginge ich wohl anderswo spazieren, als auf diesem holprigen Wege, der übrigens zum Beinbrechen ganz bequem eingerichtet ist.«

      »Ich werde ihm morgen Deine Freundschaft zu rühmen wissen, denn in der Frühe bin ich zu Rued. Die Bauern hier umher sind nicht drei Kreuzer wert; er muß das wissen. Alle wollen es mit den Luzerner Rebellen halten, und es ist nicht recht, daß man die hohe Obrigkeit im Stiche läßt. Es sind sogar schon . . . . aber, nun, es bleibt dabei. Ich kenne Dich nicht, doch hoffe ich, Du wirst reinen Mund halten und nicht verraten, was Du jetzt gehört hast, sonst wäre ich meines armen Lebens nicht sicher.«

      »Fürchte Dich nicht, guter Freund! Ich bin ein ehrlicher, verschwiegener Mann. Zwar haben wir noch keinen Scheffel Salz mit einander verzehrt, aber wer nicht traut, dem ist nicht zu trauen. Rede nur! Ich merke schon, wir gehen einerlei Weg, und was Du mir sagst, das sagst Du dem Junker Mey. Also wag's und laß Gott walten!«

      »Laß es nur gelten, Spielmann, ich bin ein einfältiger Bauersmann und könnte mich leicht um den Hals reden. Dir aber rate ich, vertraue Dich hier im Thale keiner Seele, und wenn die Leute auch die gute Zeit und die hohe Obrigkeit in den Himmel erheben.«

      »Höre Nachbar, ich wäre ein böser Brunnen, wenn Du noch Wasser hineintragen müßtest. Ich traue keinem weiter, als ich ihn sehe, und weiß wohl, viele loben die alte Welt, thun aber, was der neuen gefällt. Ich kenne Deine Bauern hier zu Lande von innen und außen besser, als Du glaubst; in wenigen Tagen sollen sie aber anders pfeifen lernen.«

      »Das wolle der Himmel geben, und lieber heute als morgen. Ich sehe nun wohl, Du meinst es ehrlich. Die Herren von Aarau sind mir jederzeit lieb gewesen, und wenn ich Dir und dem Junker Mey worin dienen kann mit Rat und That, so . . . aber verraten darfst Du mich nie!«

      »Sollte ich zum Verräter werden, möchte ich mich lieber vorher hängen als nachher. Dein Anerbieten ist ehrenwert, guter Freund, und es ließe sich Gebrauch davon machen. Siehst Du, wer eine Geiß eingenommen hat, der muß sie hüten, und so geht's mir. Du kannst dem Junker und mir einen großen Dienst leisten; es würde Dein Schaden nicht sein.«

      »Ich verlange nichts, und thue, als treuer Unterthan, nur meine Schuldigkeit gegen die hohe Obrigkeit. Das weiß Gott!«

      »Nichts da, ein Dienst ist des andern wert. Doch sage mir das Eine erst: kennst Du hier in der Nachbarschaft den reichen Addrich?«

      »Rede nicht so laut!«

      »Warum?«

      »Er ist allenthalben, sagt man.«

      »Wahrhaftig . . . wie der böse Pfennig! Man sagt, er kann mehr, als Brot essen, und das ist mir nicht lieb. Glaubst Du auch, der Teufel habe ihn den Krallen?«

      »Ich glaube vielmehr, er hat den Teufel in seinen Krallen.«

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