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Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke
Читать онлайн.Название Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke
Год выпуска 0
isbn 9788027214945
Автор произведения Heinrich Zschokke
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Als sie auf dem Platze angekommen waren, ließ der Oberherr einige Leute zusammenrufen, die er auf der Stelle entsandte; empfahl seinem Verwalter den Meister Wirri zur guten Bewirtung und entfernte sich darauf nach seinem Zimmer.
5.
Eine neue Sendung.
Die auf dem Berge gehabte Erscheinung beschäftigte ohne Zweifel den Gedankenlauf des Junkers Mey nicht weniger, als den des Meistersängers. Letzterer wenigstens konnte den ganzen Abend nicht fertig werden, dem Verwalter beim Weinglase das kurze Abenteuer im Walde zu beschreiben
»Ich dachte sogleich,« sagte er beim Abendessen, wo er der vollen Schüssel ebenso tapfer, als der Weinflasche zusprach, zu dem Verwalter, »ich dachte sogleich, hier ist's nicht richtig. Der Junker Oberherr hätte mit dem Schweden gar nicht anbinden sollen, denn man muß nicht anfangen, was man nicht zu Ende bringen kann. Der Oberherr wurde hitzig und ging zu weit, er mußte nicht befehlen, wo er das Gehorchen nicht gebieten konnte.«
»Bei dem allen, Meister Wirri,« bemerkte der Verwalter und schüttelte ungläubig den Kopf, »werde ich aus Euren Berichten nicht klug.«
»Meint Ihr, Herr Verwalter, ich gebe Euch Mäusedreck für Pfeffer?« fiel ihm der Spielmann beleidigt ins Wort. »Es wird sich zeigen, wer recht hat. Was meine Augen gesehen haben, das habe ich gesehen. Ein blos natürlicher Mensch hätte sich nicht unterfangen, eins gegen zwei zu stehen, und dem Junker Oberherrn so frech zu antworten . . . oder seid ihr ein Freigeist?«
»Wenn Ihr mir geneigtes Gehör schenket,« erwiderte der Verwalter, »so gebe ich Euch mein mutmaßliches Gutachten über den Vorfall. Entweder, oder! Ist es nicht – wofür Gott sei! – der Teufel selbst gewesen, der den Oberherrn und Euch necken wollte, so war's vielleicht einer der Rebellen, die, dem Himmel sei's geklagt! den Untergang aller, von Gott eingesetzten Obrigkeit bezwecken. Was mir den Kerl am meisten verdächtig macht, ist der nicht außer acht zu lassende, merkwürdige Umstand, daß ihn niemand von uns bei seinem Vorbeireisen auf dem Platze bemerkt hat.«
»Das sage ich ja,« rief Wirri, »eben da liegt der Hase im Pfeffer.«
»Folglich und also,« fuhr der Verwalter fort, »hat der lose Bursch einen Schleichweg durch den Wald eingeschlagen, um dem Schlosse auszuweichen«
»Was?« fiel ihm der Spielmann noch verdrießlicher in's Wort. »Bildet Ihr Euch ein, daß wir zwei, der Junker und ich, vor einem gewöhnlichen Menschen zurückgetreten wären, trotz der blanken Plempe, die er im Arme trug? Nein, Herr, glaubt es, unser Herrgott hat wunderliche Kostgänger zwischen Himmel und Erde, und es ist nicht alles ein Bauernhaus, was ein Dach hat. Bildet Ihr Euch ein, der Junker Oberherr sei im Kote hangen geblieben, als er der Gestalt nachsetzen wollte und nicht von der Stelle konnte; oder ich sei von Eurem halben Maß Elsaßer geköpft gewesen, daß ich zehn Schritte zurücktaumelte, als mich die Feueraugen anglotzten?«
Es war schon spät, als ein Diener des Oberherrn erschien und den Meister von Aarau noch einlud, sich in dessen Zimmer zu begeben. Obwohl Wein und Müdigkeit die Macht seiner Sinne so sehr geschwächt hatten, daß das holzschnittartige Gesicht des Verwalters nur unkenntlich, wie ein grauer Schatten, vor den halbgeschlossenen Augen des Spielmanns schwamm, machte diesen die unerwartete Botschaft plötzlich nüchtern. Er folgte dem Diener, der ihm die steinerne Treppe hinaufleuchtete und eine Seitenthür öffnete.
Der Oberherr saß in einem kleinen dunkeln Zimmer vor dem Kamin, dessen fast erloschenes Kohlenfeuer kaum die Sohlen der übereinandergeschlagenen Füße beleuchtete. Seitwärts glimmte eine Lampe, deren sterbender Schein das Tischchen kaum gewahr werden ließ, auf welchem Papiere umherlagen und auf welches der Junker den Arm lehnte, dessen Hand ihm die Stirn stützte. Wirris Eintritt erweckte ihn aus der träumerischen Selbstvergessenheit. Er erhob sich schweigend vom Sessel, nahm vom Gesims einen schweren silbernen Armleuchter, dessen Wachskerzen sich noch eben am letzten Aufzucken des Lampenlichts entzündeten; dann warf er einige Scheite dürren Holzes zu dem Feuer. Bald stand das ganze Gemach in freundlich-heller Beleuchtung, so daß die Vergoldung der Ränder in den Feldern des Getäfels an der Wand und Zimmerdecke im angenehmen Wiederglanz schimmerte.
»Meister,« sagte nach einigem Besinnen der Oberherr, »ich hatte den Brief ganz vergessen, den Du mir vom Dekan Nüsperli von Aarau mitgebracht hast. Eben fand ich und las denselben. Er ist mir verschiedener Umstände wegen wichtig. Ich habe alles Vertrauen zu Dir; Du kannst mir Dienste leisten und Du wirst mit meiner Erkenntlichkeit zufrieden sein. Du bist ein Mann von Kopf, der seine Aufgaben zu lösen weiß, und wo es gilt auch verschwiegen zu sein versteht.«
»Wie der Spiegel, dems Glas fehlt, denn mit Schweigen verredet sich niemand, und man hat sich eher verredet, als verthan, wie ich gar wohl weiß, Junker Oberherr!«
»Bist Du in der Gegend des Schlosses Trostburg, in den Dörfern Teufenthal oder Dürrenäsch bekannt?«
»Die Trümmer der Trostburg habe ich wohl gesehen, wenn ich am Schlosse Liebegg vorüber ins Thal nach Kulm ging. Sie ist mit den breiten Mauern, links auf dem Felsenhügel, am Eingange eines unbekannten Nebenthales recht malerisch gelegen. Die verfallenen Gemäuer scheinen nur von den Ranken des Epheus zusammengehalten zu werden.«
»Gut! Am Fuße des Schloßberges, unten, liegt Teufenthal, und zwischen die Berge hinein, im hintersten Winkel, fast auf der Höhe, das Dorf Dürrenäsch.«
»Es mag wohl sein, denn der Mensch hat oft sein Nest, wo es der Bär nicht mochte.«
»Hörtest Du nie von einem gewissen Addrich im Moos reden, der in jener Gegend wohnt? Er ist der reichste Bauer dort umher.«
»Ich erinnere mich des Menschen nicht. Vielleicht hörte ichs, vielleicht nicht. Kein Kornhaus ist groß genug, um alles zu behalten was durch die Ohren geht.«
»Man sagt wunderliche Dinge von ihm. Er soll sein Vermögen nicht auf rechten Wegen gewonnen haben; mit bösen Geistern Umgang pflegen; bildschöne Weibsbilder bei sich haben, und dergleichen. Das heißt, so geht von ihm die Rede im Volke.«
»Behüte uns, meint Ihr den? Es wohnt in dortiger Gegend einer, von dem allerlei Sage umlief, als vor mehreren Jahren die Landstraße nach Luzern unsicher war. Man will überall lieber seine Fersen sehen, als seine Klauen. Er soll vordem ein armer Lump gewesen, in einer Nacht aber steinreich geworden sein. Es heißt, der Schatz in der Trostburg sei von ihm gehoben; aber es habe das Herzblut und Leben von einem unschuldigen Christenkinde gekostet. Seitdem sei es auf der Trostburg still und gehe nicht mehr darin um. Wenn mir der Kerl im Walde begegnete, ich schlüge ein Kreuz und machte einen Umweg bis über Konstantinopel.«
»Du wirst doch das Alteweibergewäsch nicht glauben, Heini?«
»Ich glaubs zwar nicht ganz, aber, Junker Oberherr, gemein Geplärr, ist selten leer, sagt man. Auch von den schönen Weibsleuten habe ich vernommen, mit denen es nicht ganz richtig ist. Es heißt, die eine wisse alle Dinge der Zukunft, und die andere alle Dinge, die unter der Erde sind. Ja, schön sollen sie sein, aber es giebt Leute, welche behaupten, sie wären keine natürlichen Menschen.«
»Und was wären sie denn?«
»Luftbilder, Erdgeister, des Teufels Konkubinen, was weiß ich, wer?«
»Nun so siehe denn die Albernheit des Pöbels! Das eine der Mädchen ist des Addrichs wirkliche Tochter, die eine unheilbare Krankheit und sonderbare Zufälle hat. Das andere kenne ich selbst: es ist die Tochter von des Addrichs verstorbenem Stiefbruder. Sie heißt Epiphania, oder, wie man sie kurzweg nennt, Fanely und Fania. Der Dekan zu Aarau ist ihr Taufpate; ihr Vater war Amtschreiber und des Dekans Schulkamerad gewesen. Der ist vor einigen Jahren an der Lenk, im Obersimmenthal, wohin er sich in seinem Schwermut zu einem Freunde zurückgezogen hatte, nachdem er durch allerlei widrige Verhältnisse seiner Stelle verlustig geworden war, gestorben. Nun siehst Du, Meister, was vom Volksgeschwätz