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er in ärgerlichem Ton an. »Auch wenn ich net zeitig im Bett lieg. Ich hab noch allweil meine Pflicht getan. Drum musst in Zukunft ein bissel tiefer in die Tasche greifen, Vater. Ich will mehr Geld. Gut Nacht!«

      Mit weit offenem Mund sah der Mangoldbauer den langaufgeschossenen Sohn in der Schlafkammer verschwinden. Erst dann klappte sein Mund zu.

      *

      Ein sonnendurchglühter Sommertag neigte sich seinem Ende zu. Die harte Arbeit unter freiem Himmel hatte den Schweiß aus allen Poren getrieben. Müde saß die Mangoldfamilie um den Abendbrottisch, an dem auch der Knecht Vinzenz und die Magd Anna Platz genommen hatten.

      Die Bäuerin legte Fleischknödel auf die Teller, zu denen es Karottengemüse und grünen Salat gab. Hungrig griffen die Männer und auch die Magd zu, während sich die Bäuerin mit ein wenig Gemüse zufriedengab. Sie hatte einen empfindlichen Magen und musste sehr achtsam sein.

      Das prachtvolle Abendrot, das die westlichen Gipfelgrate vergoldete, leuchtete durch die Fensterscheiben der Wohnstube. Bäume und Sträucher im Küchengarten warfen lange Schatten. Aus dem Geäst drangen nur noch vereinzelte Zwitscherlaute. Die gefiederten Sänger suchten ihre Nester auf, um sich der wohlverdienten Ruhe hinzugeben.

      Als die Teller geleert waren, trug die Bäuerin drei Bierkrüge für die Männer herein, der Magd wurde Apfelmost vorgesetzt. Severin leerte seinen Krug fast in einem Zug und wischte sich den Schaum von den Lippen.

      »Heut wirst wohl eher in die Federn kriechen, gelt, Bub«, meinte der Vater schmunzelnd.

      »Das schon«, sagte dieser gleichmütig. »Aber net gar zu früh, weil ich noch einen Gang zu machen hab.«

      »Er ist jung«, sagte die Mutter lächelnd. »Wenn er sich beizeiten die Hörner abstößt, wird aus ihm später ein braver Ehemann.«

      Ein violetter Streifen hing als blasser Widerschein des verblichenen Abendrots am westlichen Firmament, als Severin durch die Dorfgassen stampfte. Die Schleier der Dämmerung senkten sich langsam über das stille Tal. Es war windstill. Kein Blatt bewegte sich an den Kastanienbäumen, die auf dem Marktplatz standen. Aus den weit offenen Fenstern des Wirtshauses »Zur Goldenen Taube« drang heiteres Stimmengewirr und Gelächter. Mancher Dörfler feuchtete sich dort noch einmal die von der Tageshitze ausgedörrte Kehle an, bevor er unter die Bettdecke schlüpfte.

      Hinter dem Marktplatz bog der Jungbauer in eine schmale Seitengasse ein. Das kleine, schmucke Haus der Posthalterin Gundula Ziegler tauchte auf. Die blühenden Geranien in den grünen Blumenkästen, die an den Fenstersimsen hingen, boten einen hübschen Farbkontrast zu den weiß getünchten Wänden.

      Dort hauste die hübsche Posthalter-Gundi, wie sie die Farngrieser Bürger nannten. Erst achtundzwanzig Lenze zählte sie und war schon Witwe. Vor drei Jahren hatte ihr Mann bei einem Zugunglück das Leben verloren. Lange hatte sie um ihn getrauert und ein zurückgezogenes Dasein geführt. Doch eines Tages war der Mangoldsohn mit einem Paket in der Posthalterei aufgetaucht, das verschickt werden musste. Kein anderer Postkunde hatte sich in dem Raum aufgehalten, und so entspann sich eine lustige Unterhaltung. Sie verbargen nicht, dass sie aneinander Gefallen gefunden hatten und verabredeten sich zu einem Stelldichein. Viele freie Stunden hatten sie zusammen verbracht, und die Dörfler munkelten schon, dass ihre Posthalterin bald wieder unter die Haube geraten würde.

      Severin fühlte sich in der Nähe der fröhlichen Person pudelwohl und konnte sich ein weiteres Leben ohne diese Zusammenkünfte kaum noch vorstellen. Er hatte sich auch schon gefragt, ob das die große Liebe war, auf die jeder junge Mensch hoffte. Aber er musste sich selber die Antwort schuldig bleiben.

      Gundi stand auf der Schwelle, als der Mangoldsohn die kleine Pforte des Vorgartens aufdrückte. Ihre haselnussbraunen Augen leuchteten auf. »Da bist du ja, Bub«, sagte sie mit hell klingender Stimme. »Hast dich in letzter Zeit ein bissel rar gemacht.«

      Der große Bursch lachte sie an und tätschelte ihre runde Wange. Sie war von molliger Gestalt, mit hübschen Rundungen und ziemlich klein.

      Nicht einmal bis zur Schulter reichte sie ihm. Die brünetten Haare hatte sie im Nacken mit einem roten Samtband zusammengebunden.

      »Man kann halt net allweil, wie man möcht, Spatzl«, verteidigte er sich. »Aber jetzt bin ich da. Den ganzen Tag hab ich mich schon auf unser Wiedersehen gefreut.«

      Nachdem hinter ihnen die Tür ins Schloss gefallen war, stellte sich die Mollige auf die Zehenspitzen und reckte ihm die schwellenden Lippen entgegen. Er beugte sich hinab und drückte seinen Mund auf den ihren. Mit einem seligen Seufzer löste sie sich von ihm, griff nach seiner Hand und zog ihn ins Wohnzimmer. Dort drückte sie ihn auf das mit Blümchenmuster verzierte Sofa.

      »Magst ein Glaserl Wein oder einen Likör, Bub?«

      Er grinste. »Am liebsten einen handfesten Schnaps«, gestand er. »Hast ein Stamperl Enzian für mich übrig?«

      Wenig später stand das Gewünschte vor ihm auf dem Tisch. Für sich hatte die Posthalterin ein Gläschen mit goldgelbem Likör gefüllt. Die beiden jungen Menschen stießen an und tranken. Gundi saß an seiner Seite und lehnte sich an ihn. Nur ein Lämpchen in der hintersten Zimmerecke brannte und verbreitete heimeliges, gedämpftes Licht. Die Standuhr tickte leise vor sich hin.

      Verliebt schaute die junge Frau zu ihm auf. Er bemerkte es, riss sie an sich und übersäte ihr Gesicht mit unzähligen Küssen. Dann ließ er sie wieder los, nestelte Tabak und Papier aus der Joppentasche und drehte sich eine Zigarette. Gundi griff ein wenig enttäuscht in die Keksdose und knabberte an einem Stück. Eine Frage lag ihr schon seit Wochen auf den Lippen, doch sie hatte sich immer wieder gescheut, diese Frage zu stellen. Aber Ungewissheit und Zweifel ließen ihr keine Ruhe.

      Sie raffte ihren ganzen Mut zusammen und flüsterte: »Noch nie hast du erkennen lassen, Bub, dass du dir etwas wünschst, was sich junge Männer halt so wünschen, wenn sie mit einer jungen Frau zusammen sind.« Verschämt senkte sie den Kopf. »Da wird’s wohl an der richtigen Lieb fehlen.« Sie schob ein neues Keksstück in den Mund und kaute bedrückt daran herum, verschluckte sich und hustete.

      Lächelnd umfasste er mit seinen großen Händen ihr Gesicht und zwang sie, ihm in die Augen zu schauen.

      »Seit einem halben Jahr sind wir jetzt miteinander verbandelt, kleiner Spatz«, sagte er leise. »Und von Woche zu Woche hat’s mich stärker zu dir hingezogen. Was anfangs bloß eine unterhaltsame Freundschaft war, hat sich zu einer echten Herzensangelegenheit ausgewachsen.« Er wischte ihr eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn. »Ob das fürs ganze Leben reicht, weiß ich freilich allweil noch net. Und für eine leichtfertige Liebschaft bist du mir zu schad. Darum …« Betreten schwieg er.

      Sie nickte. Ihre hübsche Stirn hatte sich gerötet. »Für deine Ehrlichkeit muss ich dir dankbar sein, Bub«, hauchte sie. »Wir wollen nimmer davon reden, gelt?«

      Sie küssten sich, scherzten und lachten, und als die Standuhr zehn Schläge ertönen ließ, stand der Bauernsohn auf. Gundi begleitete ihn bis zum Gartentürchen. Dort tauschten sie das letzte Busserl.

      »Wann kommst wieder, Bub?«, wollte sie wissen.

      »Bald, liebes Weiberl.«

      »Wenn du einmal mehr weißt als heut, dann sag es mir sofort. Gut Nacht, Severin.« Sie drehte sich um und hastete ins Haus, bevor er antworten konnte.

      Der Hochgewachsene stieß einen ellenlangen Seufzer aus und schlenderte auf der engen Nebengasse dahin, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Etliche Wolken waren am blauschwarzen Nachthimmel aufgezogen, zwischen denen ungezählte Sterne hindurchglitzerten. Die Mondsichel hatte sich hinter eine Wolke geschoben. Ein schwaches Lüftchen regte sich und säuselte in den Zweigen.

      »Hab ich auch die rechten Wörtl bei der Gundi gefunden?«, sorgte sich der Blonde, während er den Marktplatz mit langen Schritten überquerte. »Um alles in der Welt möcht ich ihr net wehtun. Das hätt sie net verdient. Ich hab sie gern. Richtig gern. Aber doch net so, dass …« Er nahm eine Hand aus der Hosentasche und rieb seine Nasenspitze. Das Leben war schön, fand er, aber nicht immer leicht.

      Aus

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