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drei Männer gingen hinüber zur Stallung und legten das tote Tier in eine große Holztruhe, die in der Ecke stand. Der Fuhrmann holte einen Geldbeutel aus der Hosentasche und ließ ein paar Scheine in Ludls offene Hand fallen.

      Als er den Geldbeutel wieder in der Tasche verschwinden lassen wollte, packte ihn der Bergführer am Arm. »Das ist zu wenig, Emmeran. Ein paar Euro musst noch drauflegen.«

      »Ausgeschlossen«, wehrte Hopf ab. »Die Geiß ist ein Leichtgewicht. Dafür zahlt der Metzger net viel.«

      »Leg noch was dazu, sonst zieh ich das Stück Wild wieder aus der Truhe und verkauf es selber an einen Interessenten, Emmeran.« Ludls Stimme verriet, dass die geäußerte Absicht ernst gemeint war.

      Lamentierend und jammernd griff der Fuhrmann noch einmal in die Tasche und rückte ein paar weitere Scheine heraus. Severin war dieses Gefeilsche zuwider. Den Hopf konnte er sowieso nicht ausstehen. Der Blick aus den wässrigen Augen des schmächtigen Fuhrmannes mit den abgefallenen Schultern und den dünnen Säbelbeinen erinnerte den Bauernsohn an einen verschlagenen Grundstücksspekulanten, der den Vater vor mehreren Jahren beinahe um Haus und Hof gebracht hätte.

      Ludl und er verließen das Anwesen des Fuhrmannes. In der Nähe des Dorfrandes blieb Ludl stehen und lachte zufrieden. »Die Geiß war wirklich das Geld net wert, das der Hopf dafür gezahlt hat«, erklärte er kichernd. »Man muss nur hartnäckig genug sein. Da hast du deinen Anteil.« Er streckte Severin ein paar Geldstücke entgegen.

      Dieser schüttelte den Kopf. »Keinen Cent will ich haben. Mir dreht sich der Magen um, wenn ich an die arme Muttergeiß denke, die für das erbärmliche Kleingeld hat ins Gras beißen müssen. Von dem Kitz, das jetzt hilflos im Wald herumrennt, gar net zu reden.«

      Entgeistert starrte der untersetzte, breitschultrige Mann sein Gegenüber an, das ihn fast um Haupteslänge überragte. »Bist du übergeschnappt, Severin?«, begehrte er zu wissen. »Wir sind auf den Berg gestiegen, um Wild zu schießen. Das hab ich getan. Du bist leider leer ausgegangen. Aber das ist deine eigene Schuld. Plötzlich behandelst du mich, als hätt ich ein Riesenverbrechen begangen. Hast doch bisher auch gern auf Gamserl, Rehe und Hirsche gezielt und den Profit in die Tasche geschoben.« Er tippte sich an die Stirn. »Bei dir stimmt’s wohl nimmer ganz im Dachstüberl?«

      »Bis heut haben wir keinem Jungtier die Mutter genommen«, stieß der hochgewachsene Blonde verbittert hervor. »Wer so was fertigbringt, passt net zu mir. Mein Büchsl, das ich in unserem Versteck zurückgelassen hab, hol ich mir bei Gelegenheit. Auf mich brauchst nimmer zählen. Pfüat dich, Ludl!«

      Er wandte sich von dem Bergführer ab, um den Heimweg fortzusetzen, doch der Bergführer sprang vor ihn hin. »Nimm doch Vernunft an, Severin«, versuchte er einzulenken. »Vielleicht hab ich unglücklicherweise wirklich das falsche Reh erwischt. Aber ich bin jetzt noch der Meinung, dass das Junge zu einer anderen Geiß gehört.« Er klopfte dem Bauernsohn freundschaftlich auf die Schulter. »Deswegen muss es doch keine Feindschaft zwischen uns geben.«

      Severin nagte an der Unterlippe. Aus schmalen Augen betrachtete er den Bergführer. Schleppend sagte er: »Du hast net bloß das falsche Reh erwischt, sondern auch das falsche Madl. Die Ebenhecht-Martha hält dich für einen ehrsamen Menschen. Und ihr Vater genauso. Du aber steigst zur Nachtstund in sein Revier und räuberst das Wild, für das er verantwortlich ist.«

      Ludl schob sich das verschwitzte Hütl aus der Stirn. Zwischen seinen Brauen bildete sich eine steile Falte, die aber sofort wieder verschwand. Sorglos lachte er auf. »Das treib ich bloß noch, bis wir verheiratet sind, die Martha und ich«, beteuerte er. »Danach rühr ich keinen Schießprügel mehr an.« Er lachte wieder.

      »Einer, der aufs Töten so versessen ist wie du, kann es nie lassen. Aber das ist net mein Problem. Gut Nacht, Ludl!« Er wollte an dem muskulösen Braunhaarigen vorbeigehen, doch dieser breitete die Arme aus.

      Die sorglose Fröhlichkeit war aus Ludls Zügen verschwunden. Er kniff ein Auge zu. »Das hört sich an, als wär ich für die Ebenhecht-Martha net gut genug«, knurrte er. »Möchtest dich am End gar selber an sie heranmachen, Bürschl?«

      Severins Mundwinkel bogen sich nach unten. »Du Narr«, sagte er geringschätzig. »Leid tät sie mir halt, wenn sie eine Enttäuschung erleben müsst. Aber jetzt gib den Weg frei.«

      Ludl beugte den Stiernacken vor. »Mir scheint, du bist ein duckmäuserisches, scheinheiliges Bürschl, dem man net trauen darf«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Komm ihr net zu nah, der Martha, das rat ich dir. Mir nimmt keiner was weg. Auch du net.«

      »Jetzt reicht’s, Ludl!« Severin schob den Bergführer beiseite und ging weiter. Er hatte noch keine drei Schritte getan, da sprang ihn Ludl an.

      Severin schüttelte ihn ab. Da traf ihn die Faust des Erbosten hinterm Ohr. Der wuchtige Schlag warf den Bauernsohn um. Er fiel neben dem Feldweg ins Gras des Wiesenrains. Nur eine Sekunde lang war er benommen. Dann schnellte er zornbebend hoch.

      »Du willst es net anders, Ludl«, kam es keuchend von seinen Lippen. Die längeren Arme des Bauernsohnes bereiteten dem Faustkampf ein rasches Ende. Seine Hiebe fanden fast immer ihr Ziel, während die wütenden Schwinger des Bergführers wirkungslos durch die Luft fuhren.

      Ludl torkelte rückwärts, bis ihn eine gezielte Rechte von den Beinen riss. Ächzend lag er auf dem lehmigen, taufeuchten Feldweg und griff sich an die malträtierte Kinnlade. Der Blonde stand daneben, schaute stumm auf den Liegenden hinab und rieb die schmerzenden Fingerknöchel.

      Mühsam richtete der Breitschultrige den Oberkörper auf. Sein anschwellendes Gesicht verzog sich zu einem gequälten Grinsen. »Ich weiß net, was in mich gefahren ist, Severin«, versicherte er und wischte sich mit dem Handrücken einen Blutstropfen aus dem buschigen Schnurrbart. »Es ist eine Narretei, dich wegen der Martha zu verdächtigen. Hast ja selber ein blitzsauberes Weibsbild, nach dem sich manches Bürschl in Farngries die Augen ausschaut.« Er streckte dem Jungbauern die Hand entgegen. »Schlag ein, Severin. Wegen einer solchen Dummheit soll unsere Freundschaft net in Scherben gehen.«

      Der Angesprochene zögerte. Dann ergriff er die dargebotene Hand und half dem Bergführer auf die Beine. Dieser schwankte noch leicht und betastete sein inzwischen dick verschwollenes Gesicht. Feixend drückte er sich das Hütl auf die dichten braunen Haare.

      »Ich fürcht, die nächste Bergpartie mit den Sommerfrischlern muss ich abblasen«, erklärte er mit einem Anflug von Galgenhumor. »Was täten die feschen Stadtdirndeln sagen, wenn ich mit einer so grauslichen Visage antanzen möcht?«

      Severin begleitete ihn bis zu dem Häuschen, das der Bergführer zusammen mit seiner Mutter bewohnte. Nach einem knappen Abschied schlug Severin die Richtung zum Mangoldhof ein. Für ihn stand unumstößlich fest, dass alles, was mit der Wilddieberei zusammenhing, nun hinter ihm lag. In versöhnlicher Stimmung waren er und Ludl auseinandergegangen. Doch in Zukunft wollte er den Umgang mit dem schießwütigen Bergkameraden vergangener Tage meiden. Er konnte nicht begreifen, wie er sich hatte hinreißen lassen, mit diesem kaltblütigen Menschen auf die verbotene Pirsch zu gehen. War es wirklich nur der manchmal recht unerfreuliche Geldmangel gewesen? Der blonde langbeinige Bursche schüttelte den Kopf. Ein wenig Abenteuerlust hatte auch dazu beigetragen. Sich selber hatte er beweisen wollen, dass er ebenfalls genug Mut und Geschicklichkeit aufbrachte, um das zu tun, was so manches kecke Bürschl seit Jahr und Tag trieb.

      »Das ist vorbei«, sagte er laut in die laue Sternennacht hinein. Er nahm sein Hütl ab und ließ sich das sanfte Lüftchen um die erhitzte Stirn wehen.

      Wenig später hatte er den Hof erreicht und schloss die Tür auf, die zu seinem Leidwesen laut in den Angeln quietschte. So leise wie möglich schlich er die Stiege zum Obergeschoss hinauf, wo seine Schlafkammer lag. Doch als er an der obersten Stufe anlangte, flammte das Flurlicht auf, und der Vater stand im langen Nachthemd vor ihm. Dessen Stirn runzelte sich. Ein vorwurfsvoller Blick traf den Sohn, der verlegen an seinem Hemdkragen zerrte.

      »Bald geht die Sonn auf, und du kommst erst heim, du Hallodri«, brummte der alte Mangold. »Dabei weißt du, dass ein Haufen Arbeit auf den Feldern wartet. Müd und unausgeschlafen wirst den ganzen Tag draußen herumschleichen und nix fertigbringen,

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