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also sehr viel schaffen, und deswegen legst du dann, wenn die Kinder hier sein werden, ganz einfach die Arbeit nieder und kümmerst dich um Niels. Merit wird ja doch nur bei Leni herumhängen.«

      »Bettina, das geht doch nicht«, wandte er ein.

      »Doch, Toni, das geht. Sieh mal, Holger ist in Kanada. Niels hat derzeit überhaupt keine männliche Bezugsperson. Aber so etwas braucht jeder Junge. Soll der Kleine doch wenigstens für ein paar Tage das Gefühl haben, einen männlichen Ansprechpartner zu haben, einen Kumpel.«

      »Ja, wenn du meinst…«

      Bettina nickte.

      »Ich meine!«

      Toni trank schnell den Rest seines Kaffees aus.

      »Dann will ich mich jetzt aber auch nicht länger verplaudern, sondern an die Arbeit zurückgehen. Und danke, Bettina, daß du an das Fußballspiel heute abend gedacht hast.«

      Bettina lachte.

      »Daran zu denken war nicht schwer. Arno und du, ihr zwei, redet doch seit Tagen über nichts anderes als über dieses Pokalspiel.«

      »Ist ja auch wichtig. Schließlich hängt von diesem entscheidenden Spiel ab, ob wir auf- oder absteigen.«

      Männer, dachte Bettina belustigt.

      Ob Thomas sich wohl auch für Fußball interessierte? Sie hatte keine Ahnung.

      *

      Da Arno und Toni sich gemeinsam in Tonis kleinem Häuschen dieses, ach so immens wichtige, Fußballspiel ansehen wollten, hatten Bettina und Leni beschlossen, sich gemeinsam einen dieser Herz-Schmerz-Filme anzusehen, über die Männer meist lächelten, sie sich aber dann merkwürdigerweise doch mit ansahen, natürlich nur aus lauter Gefälligkeit.

      Als Bettina in Lenis Wohnzimmer kam, saß diese noch an ihrer Nähmaschine.

      »Dauert nicht mehr lange, höchstens fünf Minuten«, rief sie, »aber du kannst dir schon mal ansehen, was ich für unser Herzchen bereits genäht habe.«

      Bettina ging zum Tisch, auf dem, neben einer neuen Puppe, verschiedene Kleidchen, Blüschen und Röckchen lagen, die Leni für dieses Püppchen genäht hatte. Der große Knaller allerdings war – und da würde Merit ausflippen – ein wunderschönes Kleid für Merit und ein identisches für die Puppe.

      Bettina war ganz gerührt. Leni machte sich immer so viel Mühe, und es machte ihr so viel Freude, für Merit zu nähen, zu stricken und zu häkeln. Und eine solch herzliche, mütterliche Frau hatte aus lauter Elend auf ihr Kind verzichten müssen.

      In diesem Augenblick schwor Bettina sich erneut, alles, aber auch alles zu versuchen, Lenis Tochter ausfindig zu machen.

      Sie sah es schon als ein Zeichen an, daß Leni eine geborene Helene Schäfer war und die ehemalige, nun pensionierte Jugendamtmitarbeiterin Helene Schäffer hieß.

      Wenn diese Frau Schäffer wirklich seinerzeit mit der Abwicklung der Adoption betraut gewesen war, dann mußte sie sich wegen der fast identischen Namen an Leni erinnern.

      »Die Sachen sind ganz zauberhaft, Leni. Unsere kleine Merit wird ausflippen vor lauter Freude.«

      »Das arme Ding braucht doch auch was zum Freuen. Der Vater in Kanada, die Mutter nur mit ihrem Liebhaber beschäftigt. Ich verrate dir mal was, der Toni hat für Niels auch schon was gekauft. Ich glaube, eines von diesen Superautos, die die Jungens jetzt alle haben. Ach ja, der Arme, er wäre auch ein so guter Vater gewesen, und das Schicksal hatte es nicht gewollt. Warum trifft es immer die Verkehrten, kannst du mir das mal verraten? Warum wurde sein Glück mit Laura zerstört? Sie wären eine so wundervolle Familie mit Kindern geworden. Andere Leute setzen ihre Kinder aus, quälen sie zu Tode…«

      »Es ist halt so im Leben, manchmal kann man nicht begreifen, warum es gerade die trifft, die eigentlich ein anderes Schicksal verdient hätten. Auch du hättest etwas anderes verdient.« Kaum ausgesprochen, ärgerte Bettina sich maßlos darüber, daß sie das jetzt gesagt hatte.

      Lenis eben noch so strahlender Gesichtsausdruck verlor sich.

      »Ich bin mit meinem Leben zufrieden. Arno ist ein sehr guter Mann.«

      Darum ging es doch nicht, das wußten sie beide. Aber Leni war ganz einfach nicht in der Lage, über den Verlust ihrer Tochter zu sprechen, die irgendwo bei Adoptiveltern aufgewachsen war.

      Einmal hatte sie sich offenbart, und seitdem vermied sie das Thema.

      Doch Bettina wußte, wie sehr sie litt.

      »So, fertig«, sagte Leni und reichte Bettina das letzte Puppenkleidchen. »Kannst du es zu den anderen legen? Ich räume nur rasch die Maschine und mein ganzes Nähzeug weg, dann machen wir es uns gemütlich. Du kannst ja schon mal den Wein einschenken. Ich habe einen Roten vom Chateau ausgesucht. Ist dir doch recht, oder?«

      Bettina lachte.

      »Es wäre ja noch schöner, wenn ich unsere eigenen Weine ablehnen würde. Ach, ich vergesse es immer wieder, es sind ja jetzt Jörgs Weine.«

      Bettina nahm die Flasche in die Hand, sah auf das wunderschöne Etikett, das das Chateau Dorleac zeigte.

      Würde Jörg irgendwann ernsthaft begreifen, was sein Vater ihm da hinterlassen hatte, oder würde auch er weiterhin irgendwelchen Utopien nachjagen wie sein älterer Bruder Frieder?

      In einer Gegend mit ganz hervorragenden Weinen hatte ihr Vater in mühsamer Kleinarbeit die Chateau-Weine wieder zu einem sehr guten Produkt aufgebaut, das sich durchaus sehen lassen konnte.

      Warum schätzte Jörg das nicht und führte die Arbeit des Vaters fort?

      Er kannte sich doch aus, war über viele Jahre hinweg zu dem, was er jetzt tun sollte, hingeführt worden. Und was machte er? Er überließ den Weinbau Fremden, die glücklicherweise schon bei ihrem Vater gearbeitet hatten und ihren Job liebten.

      Jörg wollte Schloßherr spielen und Festivals, Musikevents veranstalten.

      Bettina seufzte.

      Nein, sie wollte jetzt nicht an Jörg denken, nicht an das Chateau. Sie freute sich auf einen Filmabend mit Leni.

      Sie goß den Wein in die bereitstehenden Gläser.

      Es war einer der mittelpreisigen Weine des Chateaus. Doch Bettina mochte diesen tiefgründigen Roten sehr wegen seines dichten Geschmacks und seiner wunderbaren beerigen Aromen.

      Auch ihr Vater hatte ihn gemocht und sehr viel Sorgfalt darauf gewandt, ihn zu kultivieren.

      Es war einer der Weine, die eigentlich dekantiert gehörten. Aber schon im Glas entfaltete sich der satte Kirsch- und Himbeerduft, gepaart mit Nuancen feiner Kräuter.

      Leni setzte sich zu ihr.

      »Woran denkst du, Bettina?«

      »Ach, an vieles und nichts. An Jörg, und wohin er das Weingut bringen wird, aber auch an Papa, der sich alles ganz bestimmt anders vorgestellt hatte, und der den Wein so gern mochte, den wir gleich trinken werden.«

      »Ist schon gut, daß dein Papa das alles nicht mehr weiß. Aber an dir, Bettina, hätte er seine helle Freude gehabt. Wie du alles anpackst, was du hier auf dem Hof schon verändert hast.«

      »Ich hatte viel Glück«, wehrte Bettina bescheiden ab.

      Davon allerdings wollte Leni nichts wissen.

      »Du bist fleißig und pflichtbewußt, und du hebst nicht ab, sondern führst das weiter, was deine Vorfahren aufgebaut haben. Viele wären doch den Verlockungen des Geldes erlegen und hätten verkauft. Vor allem deine Geschwister.«

      »Ach Leni, laß uns jetzt über die bitte nicht reden. Ich müßte mich nur ärgern, denn was auch immer sie veranstalten, zum Freuen ist es nicht. Komm, mach den Fernseher an. Wir kriegen noch den Rest der Nachrichten mit, und dann kommt unser Film. Ich freue mich ja so darauf. Er hat auch ganz tolle Kritiken.«

      Leni machte den Fernseher an, gerade rechtzeitig, um die

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