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dem Professor in den Kittel. Unverzüglich suchte er das Sprechzimmer auf.

      Petra Eckhardt lehnte an der Wand. Ihr Gesicht war totenblaß, und sie blickte starr geradeaus. Um ihren Schmerz und jeden Laut zu unterdrücken, hatte sie die Zähne in die blutleeren Lippen gepreßt.

      Detlef Sprenger stand abseits. Er sah in das schmale, zuckende Gesicht Petras und spürte ihr Leid wie das seine.

      Er zwang sich auch an den Freund zu denken; aber die Liebe zu der feingliedrigen jungen Frau war vorherrschend.

      Als der Professor eintrat, fuhr Petra zusammen. Ihre schönen Augen hingen vertrauensvoll an seinem Mund, während er sich vorstellte und dann erst erklärte:

      »Wir haben Ihren Mann soeben operiert. Sie müssen tapfer sein, Frau Eckhardt. Es geht ihm nicht gut. Wir mußten ihm das Bein abnehmen. Sie werden nicht weinen, nicht wahr? Sie dürfen jetzt zehn Minuten zu ihm gehen.«

      Gehetzt irrten Petras Blicke über die kahlen, nüchternen Wände des Zimmers.

      »Führen Sie mich bitte zu meinem Mann – ganz gleich, wie alles wird – nur leben soll er! Hören Sie, er muß leben für – für unser – Kind –«

      Petra brach ab, ihre Hände hoben sich in einer verzweifelten Gebärde und fielen dann herunter.

      »Kommen Sie«, sagte der Professor gütig und ging voran. Detlef Sprenger folgte beiden in einiger Entfernung.

      Jost Eckhardt lag noch in tiefer Bewußtlosigkeit. Er ahnte nichts von der Nähe und dem grenzenlosen Jammer seiner jungen Frau, die an seinem Bett stand.

      Petra ließ sich erschöpft auf den Stuhl neben dem Lager nieder. Sie nahm die Hand ihres Mannes und gab sie nicht wieder frei.

      »Jost – lieber, lieber Jost!« flüsterte sie erstickt.

      Detlef Sprenger stand erschüttert dabei. Er wußte nicht, was ihn mehr ergriff: Die Tapferkeit Petras oder das stille, schneebleiche Gesicht in den Kissen.

      »Sie müssen nun gehen«, unterbrach der Professor nach einigen Minuten die lastende Stille.

      Petra hob den Blick.

      »Lassen Sie mich hier, bitte, schicken Sie mich nicht fort! Ich werde ganz… ganz tapfer sein, aber lassen Sie mich bei meinem Mann!« flüsterte sie leise.

      Der Professor nickte, und Detlef Sprenger dachte: Sieht Petra denn nicht, daß sich schon der Schein des Todes über Josts Gesicht breitet? Sieht sie nicht, daß der Arzt ebensowenig helfen kann wie alle ihre heißen Wünsche?

      Er drehte sich hart um und nahm in der Ecke Platz.

      Stunden um Stunden vergingen.

      Plötzlich schrie Petra unterdrückt auf. Ihr war zumute, als würde eine eiskalte Faust ihr Herz zusammenpressen.

      »Helfen Sie doch…, so helfen Sie doch! Sehen Sie denn nicht? Er stirbt ja… Jost stirbt!«

      Sie preßte beide Hände vor den Mund. Es war, als hätte ihr verzweifelter Aufschrei die Lebensgeister des Sterbenden noch einmal aufgepeitscht. Es zuckte in den spitzen Zügen – nur sekundenlang, die Lider zitterten – dann wurden sie hart und starr.

      Ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, war Jost Eckhardt der Erbe der Eckhardtschen Werke, eingeschlafen – um nie mehr zu erwachen.

      Tränenlos, mit bleichem Gesicht, starrte Petra auf ihren geliebten Mann. Sie konnte es einfach nicht fassen, daß sich sein Mund niemals mehr öffnen sollte, daß sein Arm sie nicht mehr umfangen – daß er niemals mehr sein Kind, seine Lore, auf den Knien schaukeln würde.

      Eine Viertelstunde später verließ Petra Eckhardt am Arm Detlef Sprengers das Krankenhaus.

      Unter dem Tor brach sie in Sprenger Arm zusammen. Mit beiden Armen umfing er die zarte Gestalt und schaute voll Angst in das bleiche, liebliche Gesicht.

      Alles, was zwischen ihm und der heimlich geliebten Frau stand und sie trennte, war gefallen. Er war von diesem Gedanken so beherrscht, daß er jedes klare Denken verlor.

      Er wußte nur, daß er die Frau niemals wieder von sich lassen würde, daß sie ihm gehören mußte, mit oder ohne ihren Willen. Ja, er vergaß in seiner wiedererwachten Leidenschaft, daß ein Kind sehnsüchtig auf seine Mutter wartete.

      Mit einem unterdrückten Laut hob er die bewußtlose Frau auf seine Arme und trug sie hinüber zu seinem Wagen, bettete sie sorgsam auf die weiche Rückbank – und jagte davon, seiner Villa zu.

      *

      Leontine Eckhardt wurde an den Fernsprecher gerufen.

      Sie erhob sich, legte aber erst die Handarbeit, mit der sie gerade beschäftigt war, mit peinlicher Sorgfalt zusammen – und folgte langsam der vorauseilenden Nichte zum Fernsprecher.

      Leontine war ruhig wie immer, als sie sich meldete und die Nachricht entgegennahm.

      Endlich legte sie den Hörer auf. Ihr Gesicht war um einen Schein blasser, aber ihre Stimme war tonlos wie immer.

      »Jost ist tot… ist gestern an den Folgen eines Unfalls gestorben«, murmelte sie. »Dann tritt diese Frau oder seine Familie das Erbe an.«

      Leontine begann erregt, hin und her zu wandern, mit kurzen, harten Schritten. Dabei überlegte sie fieberhaft.

      Sollte sie Josts junge Frau einfach an die Wand drücken? Aber würde das gutgehen? Sie hatte scharfe Gegner, zum Beispiel Nikolaus! Niemals würde er sich daran beteiligen. Und – selber handeln?

      Mit einem Ruck blieb sie stehen, sagte zu sich selbst: »Ich fahre in Josts Wohnung.«

      *

      Portier Lehmann riß das Fenster in die Höhe und blinzelte zu der eleganten Dame auf.

      »Ich will zu Herrn Eckhardt – welches Stockwerk?«

      »Erstes Stockwerk«, sagte Lehmann schnell und kam aus seiner Loge heraus.

      »Sie finden aber niemanden in der Wohnung außer der kleinen Lore«, sagte er, von Herzen froh, seinen Redeschwall nun endlich loszuwerden. »Die junge Frau ist seit gestern verschwunden, und der Herr Eckhardt ist heute nacht im Krankenhaus gestorben –«

      »Was heißt verschwunden?«

      Von dem strengen Ton Leontine Eckhardts etwas eingeschüchtert, bemerkte er etwas kleinlauter:

      »Sie ist gestern mit einem Mann auf und davon gegangen.«

      Leontine Eckhardt schwieg und preßte die Lippen fest zusammen. Ihrem unbewegten Gesicht war nicht anzumerken, wie sie die Nachricht des Portiers aufgenommen hatte.

      Die Tür zur Wohnung war offen. Klägliches Kinderweinen empfing sie. Es kam aus einem der hintersten Zimmer.

      Eine ältere Frau stand vor einem weißen Kinderbett und sprach tröstlich auf das bitterlich weinende Mädchen ein.

      »Sei brav, mein Lorchen! Ich ziehe dich jetzt an und nehme dich mit zu mir. Mutti kommt bald wieder.«

      »Mami soll kommen – Mami soll kommen«, jammerte die Kleine. »Ich will zu meiner Mami!«

      Das süße Kindergesicht war vom Weinen dick verquollen. Lorchen war keinem Trost zugänglich.

      Als sie Leontine erblickte, verstummte sie vorübergehend, und ein Strahlen ergoß sich über das liebliche Gesicht.

      »Kommt meine Mami jetzt? Hast du meine Mami mitgebracht?«

      Es sah aus, als würde Leontine zusammenzucken, als sie das Kind in seinem Nachtkittelchen mit den wirren Locken vor sich sah. Doch nur Sekunden dauerte diese weiche Regung, dann lag wieder Härte und Kälte auf ihren Zügen.

      »Ziehen Sie das Kind an!« gebot sie, ohne sich von der Stelle zu rühren, ohne sich dem Kind auch nur einen Schritt zu nähern. »Ich bin die Mutter von Herrn Eckhardt. Ich nehme das Kind mit mir.«

      »Nein! Nein!« weinte Lorchen auf. »Ich gehe nicht mit dir… ich

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