Скачать книгу

»Herrn Prinzen« von »ihrer Rolla«, der jetzigen »Frau Prinzessin«, erzählen. Mein erster Laut, mit dem ich die Welt begrüßt, ward ihm ebenso treulich berichtet, wie meine erste große Deklamation als Lukrezia und Horatia. Mit feuriger Beredsamkeit schilderte ihm Luise mein kindliches Wundertum. Ich höre noch sein herzliches Lachen, als er vernahm, wie ich es nur Luisens Prophezeiung zu danken habe, Frau Prinzessin geworden zu sein.

      Die Fürstin hatte mich beauftragt, mit Fernow zu reden und diesem in ihrem und des Prinzen Namen eine Stellung in seiner nächsten Umgebung anzubieten. Fernow schlug es aus.

      »Als Arzt hat er mich nicht nötig und im übrigen besitzt er Sie. Ich habe andere Pflichten zu erfüllen.«

      Er schied von uns, und ich war es nicht allein, die über sein Scheiden trauerte. Seine letzte Stunde verbrachte er bei dem Prinzen; dann kam er zu mir.

      »Ich habe Abschied von ihm genommen,« sagte er mit bewegter Stimme. »Sie brauchen es noch nicht. Leben Sie wohl.«

      Zweites Kapitel

       Auf nach Rom!

       Inhaltsverzeichnis

      Es war bestimmt worden, daß wir den Winter in Rom zubringen sollten. Die Fürstin begleitete uns, vom Hofstaat ging nur der Leibarzt mit. Wir reisten sehr langsam: durch die Schweiz, über Mailand und Florenz.

      In der schönsten Stadt der Erde fanden auch wir keine Ruhe. Der Name, der solchen Donnerklang hat, zog auch uns nach jener einzigen Stätte hin, wie Glockengeläute den Gläubigen zur Kirche. Auf der alten klassischen Straße hörten auch wir den berühmten Ruf: Eccola, Roma! Wir ließen die Pferde halten. – Mitten in der erhabenen Öde der Campagna stieg es vor uns auf: die Peterskuppel.

      Wir bezogen eine Villa in der Nähe der Laterans. Das Landhaus war in die Aquädukte des Nero sozusagen hineingebaut. Zu beiden Seiten türmte sich das gewaltige Gemäuer empor; aber man gewahrte nur einen riesigen Wall von Efeu. Hölzerne Treppen führten zur Höhe hinauf. Wo einst ein Strom von Appennin gefangen nach Rom geführt wurde, saßen wir unter Efeubäumen und blickten rings auf Stadt und Land herab.

      Ein köstlicher Garten umgab Ruinen und Haus. Über immergrüne Rasenflächen hinweg, auf denen das ganze Jahr hindurch die Blumen nicht verblühten, sah man die alte aurelianische Stadtmauer, mit der Kirche Santa Croce und der Ruine des Rundtempels der Minerva Medica; sah man das esquilinische Trümmerfeld und den wunderbarsten Platz: wo vor dem königlichen Palast des Heiligen auf grüner Wiese Pinien und Eichen stehen, darunter Herden weiden. Über die Mauer hinweg führte es sodann den entzückten Blick in die schimmernde Ferne zum Appenin hinüber und dem schönen Albanergebirge. Am Monte Gennaro glänzte Tivoli auf, an dem tuskulanischen Bergrücken die Palaststadt Frascati. Aus den Vignen und Gärten hervor stiegen die bunten Landhäuser, inmitten der unübersehbaren Weideplätze erhoben sich die braunen Ruinen – inmitten der Wüsteneien lagen wie Oasen die Ölwälder und Pinienhaine mit vereinzelten Tenuten. Darüber hinaus ward die Landstraße immer freier, immer erhabener. Worte sagen es nicht.

      Unser Landhaus ward berühmt durch seine Rosen, Es schien in der Tat ein in Rosen versenktes Märchen zu sein. Rosen umrankten das Haus, Rosen durchschlangen die Lorbeergänge und die Efeumassen, Rosen umwanden die Säulen, die Statuen, die Trümmer.

      Der Garten war ein Museum. Jeder Blick fiel auf antike Marmorreste, jeder Schritt stieß auf eine Bildsäule, einen Sarkophag, ein Kapitäl, eine Kaiserbüste, eine Inschriftstafel. Sogar ein kleines Kolumbarium befand sich bei dem Besitz.

      Der Prinz reiste im strengsten Inkognito unter dem Namen eines Grafen von Fürstenstein. Der Gesandte machte seine Aufwartung, sonst wurde in der ersten Zeit niemand empfangen. Jeden Vormittag brachten wir eine Stunde in einer Galerie zu, jeden Nachmittag fuhren wir in die Campagna hinaus. Abends wurden am Kaminfeuer die Eindrücke des Tages besprochen, von mir aufgezeichnet und Goethes italienische Reise gelesen. Außerdem las mein Gemahl uns Frauen an besonders guten Tagen aus Tacitus vor.

      Erst als der Prinz sich allmählich mehr und mehr erholte, sahen wir etwas Welt bei uns; ausgezeichnete Männer und Frauen aller Nationen, die sich in Rom jeden Winter zusammenfanden. Auch viele Künstler kamen. Es war ein Salonleben, von dem liebenswürdigsten Geiste durchdrungen.

      Eines Abends sah ich die Ristori spielen.

      So verging uns der Winter – traumhaft genug. Plötzlich läuteten über Rom die Osterglocken. In jeder der dreihundert Kirchen Roms war dem Herrn ein Grab bereitet worden. Unter den Klängen des Miserere ward der gekreuzigte Gottessohn begraben – unter Posaunengeschmetter und Jubelchören erstand er wieder.

      Wir hatten am Charfreitag in der Sistinischen Kapelle den berühmten Lamentationen beigewohnt. Als unter Palästrinas herzdurchwühlenden Klängen eine Kerze nach der andern erlosch und in der Dämmerung über Papst und Kardinälen die Riesenleiber von Michelangelos Auferstandenen sich zu dem gewaltigen Christus hinaufrangen – da mußte ich einen Schrei des Grausens ersticken. Ich faßte den Arm meines Gemahls und hätte ihn am liebsten sogleich hinausgeführt, wo die Sonne schien und das Leben war. Weh, in der Welt war der Tod – auch Christus war gestorben.

      Und nun läuteten sie in Rom die Auferstehung.

      Aus den Kirchen hatte die düstere Pracht des Todes weichen müssen, von den Leibern der Heiligen war der Trauerflor herabgesunken, in Kerzenglanz und Goldschmuck erstrahlten die hohen Hallen wie Festsäle. Über die Gruft des Heilands waren Blumenhügel geschüttet und Knabenstimmen jubelten wie Engelchöre.

      Im Sankt Peter las der Papst die Ostermesse. Umgeben von der ganzen Majestät der Kirche thronte er auf goldenem Stuhl mit umleuchtetem Haupt. Es war die Sonne, die ihn beschien, aber das Volk, das zu Tausenden die marmornen Weiten erfüllte, hielt es für Glorie. Ich sah Pius IX. am Ostersonntag den großen Segen austeilen und staunte über die erhabene Komödie. Mit dem Bewußtsein, daß es ein Schauspiel sei, ward ich, die Schauspielerin, davon hingerissen.

      Auferstehung! – – Selig, selig die, so da glauben können.

      Wir fuhren am Ostersonntag auf der Via Appia in die Campagna hinaus. Nach dem festlichen Gewühl in der Stadt wirkte die feierliche Öde um uns desto mächtiger. Nur in Rom sind solche Gegensätze möglich.

      Wir ließen den Wagen halten und schritten über das einsame Feld. Meinen Gemahl führte seine Mutter. Als ich die beiden vor mir wandeln sah: die Mutter ihren Sohn stützend, der, fast noch ein Jüngling, so bald sterben sollte – da überkam mich, einer Offenbarung gleich, jene Glückseligkeit der Hoffnung, die von allen Religionen nur das Christentum als Glück und Segen ohnegleichen zu geben vermag: Sei getrost, Mutter, dein Sohn lebt.

      Meine Seele stammelte ein Dankgebet: nicht für mich, sondern für sie, die da glauben konnte.

      Noch nie hatte mir der Gesang der Lerchen ein so überirdischer, wahrhaft himmlischer gedünkt wie an diesem Osternachmittag. Diese Jubeltöne, hoch über uns in den Lüften, waren die Melodien, die der auferstehenden Natur erklangen. Und siehe: auch hier war das Grab, aus dem das erwachte Leben stieg, mit Blumen geschmückt.

      Die Fürstin und ich pflückten große Sträuße. Mein Gemahl sah uns zu und wollte wie ein Knabe immer mehr haben. Wir blieben bis zum Sonnenuntergang.

      Als Himmel und Erde in einem Farbenspiel erglühten, welches kein Maler malen, kein Dichter dichten kann, flüsterte mein Gemahl mir zu: »So wird auch mein Tag in Glanz und Gluten erlöschen. Die Sonne, die mir den Tag brachte, warst du und deine Liebe. Die Nacht, welche meiner wartet, mag kommen.«

      In den nächsten Tagen weilten wir viel auf einem Lieblingsplatz meines Gemahls. Es war dies San Onofrio. Wenige Schritte von der Lungara entfernt, umgibt den Spaziergänger tiefste, klösterliche Stille.

      Nichts Eigentümlicheres, als der nahe Anblick der Stadt dicht unter sich bei dieser Weltentrücktheit des Ortes.

      Noch vor dem Kloster stehend, glaubt man sich bereits von dessen Mauern umschlossen. Von den Gärten der stolzen Lungara steigen die schwarzen trauernden

Скачать книгу