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für den reichen Schatz, den er mir bot, mit meinem armen Scherflein Freundschaft zu danken vermochte. Der treue Mann war ein gebrochener Mensch! Wie freute ich mich für ihn, daß er seine Kunst hatte, diese Heilerin vieler Wunden. Er konnte seine Verbindung mit dem Hoftheater nicht sofort lösen und ich war noch um vieles strenger gefesselt. Noch ein ganzes halbes Jahr mußte er bleiben und viele, viele Abende spielten wir zusammen. Wie oft mußte er mich beglückt in seine Arme reißen, wie oft neigten unsere Lippen sich zum scheinbaren Kusse zusammen! Gott im Himmel, wie der Mann spielte! Ein vortrefflicher Künstler war er immer gewesen – in jenem halben Jahre ward er ein großer Künstler! Jawohl hatte der Freund recht! Das Haus jubelte ihm zu, der Hof, die Residenz; die Intendanz wollte ihn nicht fortlassen – und ich mußte alles sehen, alles wissen, alles fühlen! Manchmal glaubte ich, es nicht ertragen zu können. Ich bat Gott, mich krank werden zu lassen, um ihm und mir die Qual jener Spielabende zu sparen. Wenn ich ihn anlächeln mußte, zärtlich gegen ihn sein und dabei in seinen Blicken las, dann war mir zumute, daß ich mich oft bezwingen mußte, ihm nicht mitten im Spiel vor die Füße zu stürzen, ihm den grausamen Hohn abzubitten, den ich seinem Herzen antun mußte. Was waren es für Augenblicke, wenn ich in meiner Rolle um ihn verzweifelte und starb! So der letzte Akt in Kabale und Liebe, wo er den Ferdinand spielte, so in Emilia Galotti, wo er den Prinzen gab, so in Romeo und Julie, in Egmont, Othello und vielen anderen Stücken.

      Unsere Szenen waren daher das Ereignis des Abends; denn auch ich spielte, wie ich niemals früher gespielt hatte. – – Wohl hatte Fernow recht.

      Ich durfte diesem nichts sagen und mußte nun erleben, wie er immer verwunderter, immer betroffener ward. Endlich mochte er's erraten. Wie soll ich meine Empfindung ausdrücken, als ich eines Tages erfuhr, daß die beiden Freunde geworden. Auch jetzt sprachen wir nicht darüber. Ich bat die Mutter, ihm alles zu sagen. Da ich es nicht ändern konnte, waren Worte überflüssig gewesen.

      Endlich kam das Schwerste, die Abschiedsvorstellung – Faust. Er war grausam gegen sich und mich, trotzdem bestand er darauf. Das Haus war ausverkauft, der ganze Hof anwesend, die Aufführung selbst eine Festvorstellung. Und er und ich, Faust und Gretchen, Held und Heldin des Abends! Ehe begonnen ward, kam er in meine Garderobe und nahm Abschied von mir. Dann ging er hinaus und spielte. In der Gartenszene konnte ich plötzlich nicht weiter: es war bei der Stelle, wo Faust meine Hände faßte:

      O schaud're nicht! Laß diesen Blick

       Laß diesen Händedruck Dir sagen,

       Was unaussprechlich ist!

      Das Publikum hielt meine halbe Besinnungslosigkeit für Spiel und wollte in seinem Beifall nicht enden. Dann kam die Kerkerszene. Ich wollte nicht mit ihm fort, er wollte mich nicht lassen. Diesmal spielte ich das Gretchen als Wahnsinnige. Als er mich nicht küßte, aber ich es wußte, gab ich ihm den Abschiedskuß. Das war ein Abend! Das war ein Spiel! Wie er einst mich, so mußte jetzt ich ihn immer wieder und wieder vorführen; mit seiner Hand in der meinen stand ich da, nicht wagend, aufzublicken, um nicht sein totenbleiches Gesicht sehen zu müssen. Als er unter dem Tusch des Orchesters seinen schönsten Lorbeerkranz mir gab und dann, immer sein Auge auf mich geheftet, immer seine Hand in der meinen, dem Publikum mit erstickter Stimme dankte und sagte: wie glücklich er in der Hauptstadt als Künstler und Mensch gewesen sei; da war mir's, als müsse das ganze Haus mir meine Schuld gegen ihn auf der Stirn ablesen können.

      Nach der Vorstellung gab ihm die Intendanz ein großes Bankett; ich überreichte ihm im Namen aller ein Prachtalbum.

      Bei der Tafel saß ich neben ihm, reich geschmückt, Blumen im Haar, daß ich hätte als seine Braut gelten können.

      Meiner Mutter mußte ich bei meinem gesellschaftlichen Leben ihre häusliche Ruhe erhalten, und konnte ihr nicht zumuten, ihre Tochter als deren Chaperonne in die Salons zu begleiten. Ich hörte, wie mir das von verschiedenen Seiten verübelt wurde, dachte jedoch die Sorge für meine Moral selbst bewachen, nötigenfalls beschützen zu können.

      In meiner Harmlosigkeit hatte ich dann und wann Fernow aufgefordert, mich zu begleiten.

      »Wollen Sie als meine Geliebte gelten?« fragte er in seiner rauhen Offenheit.

      Ich hätte beinahe erwidert: »Und ich bitte Sie dennoch.«

      Wie ich später die Welt kennen lernte, muß ich zu ihrer Ehre bezweifeln, daß ich dann nirgendwo empfangen worden wäre. Später sollte ich auch erfahren, daß es nicht erst seiner Begleitung bedurft hätte, um mich und ihn zu verleumden.

      Ich sprach davon, daß auch ich meinen ›Salon‹ eröffnete. Sonnabend war gewöhnlich Lustspielabend, Sonnabends empfing ich also.

      Erst nach acht Uhr kamen die erstern. Allmählich füllten sich die Zimmer: Gelehrte, Künstler, Schriftsteller, wenig Aristokraten, mehr Männer als Frauen. Man kam und ging mit größter Ungezwungenheit. Die Gesellschaft sonderte sich in wechselnde Gruppen; nur wenn ein Musiker eine Komposition, ein Dichter ein Gedicht vortrug, versammelte man sich im Salon. Hier präsidierte die Mutter. Sie hatte ihren bestimmten Sitz am Teetisch und war so liebenswürdig! Nie waren die Stühle um sie her leer; alle Besseren drängten sich zu ihr, so daß mein kleines, sanftes Mütterchen förmlich Hof hielt.

      Später begab man sich in das Speisezimmer, wo ein Büfett aufgestellt war.

      Fernow erschien jeden Sonnabend; aber gewöhnlich nur auf Augenblicke. Er war dann überaus schweigsam und zurückhaltend und hielt sich fast nur im Kreise der Mutter. Diese behandelte ihn nicht wie einen Hausfreund, sondern wie einen Sohn. Und ich – solange er nicht da war, suchten ihn meine Augen bei jedem Öffnen der Tür. Kam er endlich, so merkte er – alle, wie sehnlich er erwartet worden war.

      Einmal saß Fernow bei mir, zerstreut in die Schale greifend, welche mit Visitenkarten gefüllt, vor ihm stand. Er las mechanisch Namen auf Namen, bei einem schien ihm etwas aufzufallen. Mir die Karte reichend, sagte er: »War diese Dame bei Ihnen?«

      »Wahrscheinlich, da ihre Karte hier liegt.«

      »Haben Sie sie empfangen?«

      »Sie war zweimal hier und verfehlte mich jedesmal. Ich war so unartig, ihren Besuch bis heute noch nicht zu erwidern.«

      »Wissen Sie, wer sie ist?«

      »Wie wunderlich Sie sind! Es ist die Gräfin A...«

      »Sie ist Pariserin.«

      »Wirklich?«

      »O, es ist eine merkwürdige Frau!«

      »Sie interessieren sich für sie? Also werde ich hingehen.«

      Ich lachte laut auf.

      »Lachen Sie nicht, die Sache ist ernsthaft.«

      »Das scheint mir auch so. Der Zufall hat mich doch nicht etwa mit einer Dame zusammengeführt, deren Namen allein Ihnen Herzklopfen verursacht!«

      »Die Gräfin? Welcher Verdacht!«

      »Pfui, wer wird eine Dame verleugnen wollen! Oder ist es Diskretion?«

      »Bei der Gräfin ist Diskretion keine Ehrensache.«

      »Aber Fernow!«

      »Sie sind doch nicht etwa neugierig?«

      »Ich sage nicht nein.«

      »Haben Sie Mut?«

      »Ich spiele Heldinnen, mein Herr.«

      »Also über jeden Zweifel erhaben. – – Wollen Sie mich heute abend zu dieser Dame begleiten?«

      »Wie kann ich das? Ich habe ihr noch keinen Besuch gemacht.«

      »Durchaus nicht notwendig, wäre höchst überflüssig.«

      »Sie machen mich verwirrt. Sind Sie so intim mit ihr?«

      »Intim mit der Gräfin?! – – Ich bin heute abend zu einem thé dansant bei ihr eingeladen. Da ist dieses Billetdoux! Sehen Sie: Feinstes englisches Papier, wunderbarstes Parfüm, geniale Schriftzüge, liebenswürdiger, schmeichelhafter Inhalt. Wenn Sie der Dame das Glück gönnen wollen, mich heute abend bei sich zu sehen, so müssen Sie mit mir

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