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in der noch fremd wirkenden Wohnung vor, einsam und verlassen. In der Villa wird jetzt die Abendtafel gedeckt. Hildegard wird servieren. Die Mutter wird mit eisigem Gesicht und in einem kostbaren Kleid den Zwillingen gegenübersitzen. Sie werden voller Hast essen, denn irgendwohin wird Mama die beiden bestimmt schleppen.

      »Wie nett du das gemacht hast.« Sie schreckt zusammen. Sie hat den Vater weder die Tür aufschließen noch kommen hören. Sie lächelt ihn schwach an, zweifelnd, und hält den Kopf etwas schräg dabei.

      »Wirklich, Papa? Gefällt es dir?«

      »Aber sehr, Kind«, bestätigt er.

      »Ich mache uns schnell Tee, Papa«, sagt sie eilig.

      Rudolf Hermann schaut sich um. Ob es für ihn ein wirkliches Zuhause werden wird? Für ihn und Cornelia?

      Gedankenvoll legt er seinen Arm um ihre Schulter. »Ab morgen werde ich nur zu den Mahlzeiten heimkommen. Wirst du dich allein zurechtfinden?«

      »Sind deine Pläne schon fertig?«

      »Ja! Sie waren schon fertig, als ich dich hierherbrachte, liebes Kind. So ganz ins Ungewisse konnte ich dich doch nicht führen. Ich wünsche wirklich sehr, daß du dich bei mir wohl fühlst. Ich weiß, es wird dir zuerst sehr schwerfallen, der Haushalt, die ungewohnte Arbeit. Doch vorläufig kann ich keine Hilfe für dich halten, nicht wahr, das siehst du ein?«

      »Es ist gar nicht so schwer, Papa, glaube mir. Und etwas habe ich bei Madame Etienne doch gelernt. Ich werde alles tun, damit du zufrieden mit mir bist.«

      »Liebes Kind, meine Cornelia«, sagt er so weich, wie sie ihn noch nie gehört hat. Sie glaubt das erste Mal in ihrem bisherigen Leben richtig glücklich zu sein, weil sie weiß, wie sehr sie gebraucht wird.

      *

      Die Zeit geht dahin. Mit ihr der Sommer. Auf der Hauptstraße ist ein neuer Modesalon eröffnet. In großen Buchstaben steht darüber:

      »Salon Christian«.

      Er ist äußerst modern eingerichtet. Man sieht sofort, daß nicht gespart worden ist.

      Stefanie Hermann hat zur Eröffnung Einladungen an alle Bekannten verschickt, und sie sind alle gekommen, teils aus Neugier, teils aus alter Anhänglichkeit.

      Christian spielt den Chef. Er küßt die Hände der Damen, macht Komplimente am laufenden Band und fühlt sich ganz in seinem Element.

      Christiane, mit ihrem verwuschelten Haarschopf, den feuchtglänzenden Augen, in ein bauschiges kleines Abendkleid gehüllt, bewegt sich wie eine kleine Prinzessin zwischen den geladenen Gästen.

      Alles scheint eitel Glück und Sonnenschein. Auch Cornelia hat eine Einladung erhalten, und häufig gleiten Stefanies Augen zum Eingang. Wie attraktiv würde ihre schöne Tochter in diesen Räumen wirken. Es kränkt ihre Eitelkeit, daß sie gerade heute mit Cornelias seltsamer Schönheit nicht glänzen kann.

      Seufzend widmet sie sich weiterhin ihren Pflichten. Sie beobachtet dabei aus den Augenwinkeln scharf Chri­stian. Sie ist zufrieden.

      Christian geht von einer Dame zur anderen. Alles Bekannte, die er häufig im Salon seiner Mutter begrüßt hat. Er verschwendet sich förmlich mit seinen im Grunde nichtssagenden Redewendungen und Komplimenten.

      In hauchdünnen, kostbaren Tassen wird Mokka gereicht, dazu feines Gebäck und ein leichter Wein. Mädchen in dezenten schwarzen Kleidern tragen die Tabletts herum und kommen den Wünschen der Anwesenden flink nach.

      Eine Dreimann-Kapelle spielt im Hintergrund, und ein eigens dazu engagierter Conferencier ergeht sich in witzigen Bemerkungen über das Gezeigte und noch Kommende.

      »Großartig, Mama«, flüstert Christian seiner Mutter einmal zu und tupft sich die Schweißperlen von der Stirn. Er denkt an die Bestellungen, die gemacht worden sind.

      Als nach endlos langer Zeit der Salon von den Gästen verlassen war und nur noch die Mädchen aufräumten, waren alle drei ziemlich erschöpft.

      »Uff!« macht Christian und streckt ungeniert die langen Beine von sich. »So schwer hätte ich mir den Umgang mit den ›alten Schachteln‹ nicht vorgestellt. Geht das nun immer so weiter?«

      Stefanie Hermann ist pikiert. »Was für ein Ton«, verweist sie ihn streng. »Es handelt sich um Geschäfte, da darf man nicht wählerisch sein. Ich finde, du hast deine Sache ganz gut gemacht.«

      Das klingt wieder versöhnlich, und Christian wirft ihr einen raschen Blick aus seinen wirklich hübschen dunklen Augen zu. »Dann bin ich ja zufrieden.« Er wendet sich an Christiane, die aus den hochhackigen Schuhen geschlüpft ist, die Beine hochgezogen hat und wie ein Äffchen auf ihrem Sessel hockt.

      »Es war doch ganz nett, nicht, Kleines?«

      »Ach ja«, gibt sie wenig interessiert zurück. »Ich finde es albern, daß man die schönen Kleider nur vor Frauen vorführt. Warum waren denn so wenig Männer da? Das würde doch erst Spaß machen.«

      Stefanie Hermann zieht die Brauen hoch. Ein Zeichen, daß sie höchst ungnädig ist. »Was haben dich Männer zu interessieren? Vorläufig wirst du überhaupt noch keine Kleider vorführen.«

      »Was soll ich denn dann tun?« mault das Küken.

      »Es genügt, daß du da bist, die Damen begrüßt und freundlich lä­chelst.«

      Christiane hebt stumm die Schultern. Etwas wie Aufsässigkeit liegt in dieser Bewegung.

      »Du hast mir aber doch versprochen –«, wagt sie einen neuen Vorstoß.

      »Was versprochen?« kommt es scharf zurück.

      »Nun, daß ich Kleider vorführen darf?«

      »Damit hat es noch Zeit«, schneidet Stefanie Hermann das Thema ab, und Christiane macht ein beleidigtes Gesicht. Sie wechselt mit Christian noch ein paar Worte, dann verschwindet sie im Hintergrund, um das Büro aufzusuchen.

      *

      Seit Wochen kehrt Rudolf Hermann erst abends heim. Er ist in Geschäften unterwegs, wie er seiner Tochter erklärt. Und sie fragt nicht weiter. Seit Wochen ist Cornelia sich selbst überlassen. Ihre Tage sind angefüllt mit Arbeit. Zunächst versorgt sie mit Liebe und Sorgfalt den kleinen Haushalt. Auch trägt die Wohnung nunmehr den Stempel ihrer Persönlichkeit. Längst stehen die Fenster voller Blumen, von ihr selbst gezogen und liebevoll betreut. Von ihrem Haushaltsgeld ist es ihr gelungen, Kleinigkeiten anzuschaffen, die Ge­mütlichkeit und eine gewisse Gepflegtheit verraten.

      Der Nachmittag gehört ihrem Bruder Lothar, dessen Wunden und Brüche überraschend schnell verheilt sind und der jetzt schon in seinem Zimmer mühsam an Stöcken umhergehen kann.

      Cornelia betrachtet ihn oft mit Besorgnis. »Du grübelst zuviel«, verweist sie ihn oft sanft, und er tastet unbeholfen nach ihrer Hand und drückt sie dankbar.

      »Ich kann nicht genug über mein bisheriges Leben nachdenken, Cornelia«, setzt er seine Gedanken in Worte.

      Die Mußestunden, die in die Zwischenzeit fallen, füllt sie mit einer neuen Tätigkeit aus, der sie sich mit großer Hingabe widmet. Sie hat sich von ihrem Vater eine Schreibmaschine ausgebeten, und er hat sie ihr auch gebracht. Sie hat sich Bücher gekauft und studiert, ganz auf sich selbst angewiesen, Kurzschrift. Auch mit kaufmännischen Dingen, die bisher ein Buch mit sieben Siegeln für sie waren, beschäftigt sie sich. Nein! Langeweile hat sie nicht. Hinter dem Rücken ihres Vaters müht sie sich mit diesen Studien ab.

      Sie hat das Gefühl, das jeder Mensch hat, der weiß, daß er etwas zu leisten vermag, das schöne Gefühl der Befriedigung.

      Mitunter kommt ihr der Gedanke, daß ihr Vater schwere körperliche Arbeit verrichtet. Sie sieht Spuren an seinen Händen, die früher nicht gewesen sind. Aber sie fragt nicht. Sie will ihm nicht weh tun, denn sie kennt den unbändigen Stolz. Und sie weiß, daß sie etwas von diesem Stolz geerbt hat, denn auch sie könnte kein Mitleid vertragen. Deshalb meidet sie auch alle einstigen Freunde und jedes Zusammentreffen mit ihnen.

      Sie braucht

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