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Gesammelte Werke von Stefan Zweig. Стефан Цвейг
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke von Stefan Zweig
Год выпуска 0
isbn 9788027209583
Автор произведения Стефан Цвейг
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
ZEDEKIA (aufschreiend und sich an die Augen greifend, wie ein Geblendeter):
Weh!
JEREMIAS:
Doch eh
Dir noch in einer brennenden Gischt
Von Blut und Tränen dein Blick verlischt,
Mußt du noch sehn
Deine Söhne, die drei, vor dem Henker stehn!
Doch dich halten die Knechte, dich halten die Ketten,
Du kannst sie nicht lösen, du kannst sie nicht retten,
Du kannst nur aufschrein, wie jetzt das Schwert
In den ersten! den zweiten! den letzten fährt!
Du siehst,
Wie ihr Blut, ihr junges, im Kote fließt,
Und siehst,
Eh der rote Stahl dich für immer blendet,
Wie Israels Stamm und Königtum endet.
ZEDEKIA (der, wie ein Blinder tappend, auf das Ruhebett gesunken ist, die Hände flehend aufhebend): Erbarmen! Erbarmen!
JEREMIAS:
So wirst du ins ewige Dunkel schrein,
Doch dir wird kein Helfer im Himmel sein,
Denn Gott erhört
Nie den, der frevelnden Übermutes
Seine Stadt vertan und sein Haus zerstört.
Er wirft dich nieder zu den Würmern und Schlangen,
Die blind am Bauche der Erde hinlangen,
Er wirft dich zum Abhub, zu den Siechen, Verschwärten,
Den Unreinen, zu den Aussatzverzehrten,
Er wirft dich in Abseits, zu Räude und Grind,
Wo die Ausgestoßenen des Volkes sind.
Ein blinder Bettler, der Ärmste der Armen,
Durchstreifst du fremd dein eigenes Land,
Und tritt einer nah
Und sieht unter dem aschenwirrichten Haar
Das, was einstens König zu Zion war,
Dann hebt er die Hand
Und flucht dir, König Zedekia!
ZEDEKIA (ist wie zerschmettert von den Worten stöhnend auf dem Lager liegen geblieben. Jetzt richtet er sich langsam auf und sieht Jeremias mit einem wirren Blicke schauernd an): Was für eine Macht ist dir gegeben, Jeremias! Die Kraft hast du gebrochen in meinen Gliedern, und das Mark steht starr mir im Leibe. Furchtbar sind deine Worte, Jeremias!
JEREMIAS (die Ekstase ist von ihm gefallen, der Glanz in seinen Augen erloschen): Arm sind meine Worte, Zedekia, Ohnmacht meine Macht. Nur wissen kann ich und nicht wenden!
ZEDEKIA (erschüttert):
Warum bist du nicht früher vor mich getreten?
JEREMIAS:
Ich war immer zur Stelle. Doch du fandest mich nicht.
ZEDEKIA:
Es muß so Gottes Wille gewesen sein! (Schweigen. Dann steht Zedekia langsam auf und geht auf Jeremias zu): Jeremias, höre mich an – ich… glaube dir! Furchtbareres hast du gekündet, denn je gekündet ward einem König in Israel, und doch – ich glaube dir. Mit Schauer hast du mein Herz geschlagen, und doch, ich ward dir nicht gram. Es möge kein Streit mehr sein zwischen uns im Schatten des Todes. Geh hinab, woher du gekommen, nicht soll es dir fehlen an Zehrung, das letzte Brot meines Tisches will ich teilen mit dir. Und niemand wisse um unsere Zwiesprache denn Gott allein.
(JEREMIAS wendet sich zum Gehen.)
ZEDEKIA (gequält):
Jeremias! Muß es denn sein? Oh, Jerusalem, mein Jerusalem! Kannst du es nicht wenden?
JEREMIAS (düster):
Es muß sein! Nichts vermag ich zu wenden. Verkünden ist mein Amt. Wehe den Ohnmächtigen!
ZEDEKIA (schweigt, dann von innen):
Jeremias, ich habe es nicht gewollt! Ich mußte Krieg künden, aber ich liebte den Frieden. Und ich liebte dich, weil du ihn gekündet hast. Nicht leichten Herzens hab ich den Harnisch genommen, es war Krieg vor mir unter Gottes Angesicht und wird auch nachdem sein. Viel habe ich gelitten, sei dessen Zeuge zu seiner Zeit. Und sei bei mir, wenn dein Wort sich erfüllt.
JEREMIAS (ergriffen):
Ich werde bei dir sein, mein Bruder Zedekia!
(JEREMIAS wendet sich langsam, abgekehrten Gesichtes von ihm. Er ist schon bei der Türe, da ruft noch einmal:)
ZEDEKIA:
Jeremias!
(JEREMIAS wendet sich.)
ZEDEKIA:
Tod ist über mir, und ich sehe dich zum letztenmal. Du hast mir geflucht, Jeremias – nun segne mich auch, ehe wir scheiden.
JEREMIAS (zögert, dann schreitet er feierlich zurück und hebt die Hände über des Königs Stirn): Der Herr segne dich und behüte dich auf allen deinen Wegen. Er lasse dir leuchten sein Angesicht und gebe dir den Frieden.
ZEDEKIA (träumerisch verworren nachsprechend):
Und… gebe… uns… den Frieden…
VII. Die letzte Not
»Ich hielt meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Spott und Speichel.«
Jer. L, 6.
Auf dem großen Tempelplatze am Morgen des nächsten Tages. Eine gewaltige Menge, meist Frauen mit Kindern, drängt sich wild vor dem Palaste die Stufen empor und wird eine einzige, lärmende Flut, überschäumt von einzelnen gellen Rufen und Schreien. Die Vordersten sind bis zu der Tür gelangt und hämmern an das Tor.
DER TÜRHÜTER (erscheint):
Was wollt ihr noch? Ich habe euch schon gesagt, es wird heute kein Brot mehr gegeben!
EIN WEIB:
Aber ich habe Hunger! Ich habe Hunger!
EINE ANDERE:
Ein Brot haben sie mir gegeben für meine drei Kinder, klein wie die Spanne meiner Hand! Sieh her: ganz dürr ist das Mädchen, wie Bast ihre Finger. (Sie hebt ein Kind empor.)
EINE ANDERE:
Das meine sieh! Das meine! (Sie hebt ihr Kind empor.)
STIMMEN (wild durcheinander):
Ich habe Hunger… Gib Brot… Brot… Brot… Wir verhungern… Brot… Brot…
EINER (ist bis zur letzten Stufe emporgeklettert):
Her mit den Schlüsseln, sage ich.
STIMMEN (durcheinander):
Ja… her mit den Schlüsseln… Sperrt auf… Die Schlüssel… Ja… ja…
DER TÜRHÜTER (den Emporgeklommenen vor die Brust stoßend): Zurück! Befehl des Königs, jedem ein Brot zu geben bei Tagesanbruch, und dann die Speicher zu schließen.
EINE STIMME:
Mir hat man keines gegeben!
ANDERE STIMMEN:
Mir auch nicht… mir auch nicht… Man hat mich vergessen… mich auch… warum mir keines?
EINE FRAU:
Wie ein Goldstück war meines, und ich habe ein Kind an der Brust. Gerechtigkeit!