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Ich glaube dir, ich laß dich nicht.

      JEREMIAS:

       Du glaubest mir… noch immer… dann hör mein Wort… So du mir glaubest, verlaß mich! Denn du verderbest dich. Geh zu den andern, die Süße predigen und triefen von Verheißung, geh zu Hananja, der Sieg sagt, und nicht spotte ihrer mehr, denn wisse, sie sind besser denn ich. Ihre Lüge, sie zeuget noch Kühnheit, doch schlaff sind die Lenden meines Worts, sie wecken keinen Samen des Sieges. Ohnmacht nur zeugt meine Ohnmacht. Oh und sage, wer ist unnützer, denn der Friede schreit zwischen den Schwertern, wer törichter als der Weisheit Verkünder in der Trunkenen Mitte? Ist denn nicht Freude der Menschen Brot und die Hoffnung ihre Speise? Gesegnet, wer tröstet, verflucht, wer nur fluchet… daß ihm darre die Zunge… daß auslösche, der Anstoß ist und Ärgernis…

      BARUCH:

       Nein, ich weiche nicht von dir… Du bist der Große… Dich hab ich erwählt um deines Leidens willen.

      JEREMIAS:

       Nicht lobe mich, nicht lobe mich… mich verbrennet die Scham… was hab ich denn Jerusalem zum Heile getan… hab ich gebeugt des Königs Starrnis, hab ich zum Rechten geführt das irrend Volk, hab ich erweckt den Boten des Friedens mit meiner Rede Stachel? Nur geschrien habe ich und gefluchet, doch mein Geschrei war ein Blitz, der in Wasser fährt, und mein Fluch ein Wind, der nicht wehet… wo ist meine Tat… wem brachte ich Segen… wo schuf ich den Frieden… wo weckte ich den Boten zum Wege, da ich selber gestrauchelt…

      BARUCH:

       Wie sagtest du… einen Boten müßtest du schaffen, daß er gehe von Nabukadnezar zum Könige?

      JEREMIAS:

       Will er denn als erster sprechen zum andern. Wie die Knaben warten die Könige, daß einer anhübe mit dem Wort.

      BARUCH (heiß):

       Aus deinem Atem, sagtest du, müßtest du einen Boten erschaffen… aus deinem Atem… siehe, Jeremias, wisse… du heilig Verzagter… nicht dürr und fruchtlos ist dein Wort… fruchtend ist es mir in die Seele gefallen… in mir nun keimet Gottes Geheiß… ich danke dir, Meister, Erwecker… aus dem Dunkel hast du mich gehoben… meine Tat mir gewiesen… oh, Jeremias, der du Kraft zeugest aus deinem Schmerze… ich danke dir… ich danke dir.

      JEREMIAS:

       Was erglühest du so… Ich fasse dich nicht…

      BARUCH:

       Meine Tat… Sie ist es, die mir entglüht… Du hast mich befeuert… ich weiß den Weg, nachbarlich geht er dem Tode wie der deine… doch ich will ihn gehen für Jerusalem… lebe wohl, Meister… ich will würdig sein deines Rufes, lebe wohl.

      JEREMIAS:

       Wohin willst du?

      BARUCH:

       Lebe wohl, Meister… lebe wohl und segne mich, wenn ichs vollbringe, und fluche mir nicht, so ichs versäume… lebe wohl… lebe wohl… es gilt Jerusalem…

      (BARUCH schwingt sich zur Mauer und beginnt hinabzuklettern.)

      JEREMIAS:

       Was willst du an der Mauer… Baruch… wohin…

      BARUCH:

       Deinen Weg… lebe wohl… lebe wohl…

      (BARUCH verschwindet jenseits der Mauer.)

      JEREMIAS (sich über die Mauer beugend):

       Baruch, wohin gehest du… halt ein… sie werden dich fassen… die Späher Chaldäas sind schon rege um die Wege… Baruch… Baruch… Was fliehst du von mir… Was lässest du mich allein… Baruch… Baruch… bleib bei mir in dieser Stunde…

      DER ERSTE KRIEGER (ist herbeigeeilt):

       Was rufst du da… was schreist du in die Nacht…

      JEREMIAS (sich aufrichtend):

       Ich rufe… ich rufe, und doch hört keiner auf mich…

      DER ERSTE KRIEGER:

       Was geht hier vor? Was treibst du noch da? Mir war, als glitte ein Schatten die Mauer hinab. Ist einer mit dir?

      JEREMIAS:

       Keiner ist mit mir… keiner ist mehr mit mir…

      (JEREMIAS geht langsam, mit schwerem Schritt, von der Mauer stadtwärts hinab. Der Krieger sieht ihm starr nach, bis er im Schatten der Mauer verschwindet, dann rafft er sich auf und schreitet im harten Mondlicht schweigend auf und ab. Es ist ganz still, nur sein schwerer Schritt hallt über die mondblanken Quadern, und von ferne tönt aus dem Unsichtbaren heranklingend wieder der Wachtruf: »Simson über sie«… »Simson über sie« durch die weiße Nacht…)

      V. Die Prüfung des Profeten

       Inhaltsverzeichnis

       »Doch der Herr wollte ihn mit Leiden zermalmen.«

      Jes. LIII.

      Das enge Schlafgemach der Mutter Jeremias in seinem Hause. Die Türen des schmalen Raumes sind mit Vorhängen überhängt, ebenso die Fenster, so daß Licht und alle Laute nur gedämpft von außen in die Düsterheit der Stube dringen und kaum mehr als der Umriß der Gestalten und Dinge wahrnehmbar wird. Im Hintergrunde glänzt weiß aus der Dunkelheit das breite bettartige Pfühl, auf dem die alte Frau regungslos liegt. Neben ihr aufrecht stehend ACHAB, der alte Diener.

      JOCHEBED (eine Anverwandte, hebt vorsichtig den Vorhang des Einganges): Achab… hör, Achab…

      ACHAB:

       Leise!… Tritt leise heran! Wie Flaum liegt der Schlummer über ihr, eines Wortes Windhauch schon bläst ihn fort. Nicht störe ihre Ruhe!

      JOCHEBED:

       Wohl dem, der noch ruhen kann, indes die Tore schüttern und die Festen beben der Stadt!

      ACHAB:

       Nicht sprich davon, nicht erwähne des Feindes! So du sie liebst, schone der Kranken.

      JOCHEBED:

       Wie meinest du? Was soll ich nicht sagen?

      ACHAB:

       Nicht nenn unsere Not! Fremd ist ihr Jerusalems Schicksal.

      JOCHEBED:

       Nicht fasse ich dich. Sie weiß nicht, daß Krieg unsere Stadt umfährt?

      ACHAB:

       Wozu ihrs verraten, woran sie verginge? Ein Ahnen schon wäre ihr Tod.

      JOCHEBED (in höchstem Erstaunen):

       Sie weiß nicht, daß Assur über uns gefallen? Es ist noch ein Lebendiger in den Mauern, der unwissend blieb unseres Elends? Wie konnte solch Wunder geschehen? Sind ihre Sinne verschlossen denn, daß sie die Posaunen nicht hört, meint sie noch Frieden, da schon Widder die Mauern anrennen?

      ACHAB:

       Ihre Sinne sind dunkel geworden. Was sie hört, vermeinet sie Traum. Die Türen hab ich vertan und die Spalten verschlossen, daß nichts Eingang finde von Lärmen und Licht!

      JOCHEBED:

       Sie weiß es nicht? Sie weiß es nicht? Wunder ist dies und grausam zugleich. Nichts, sagst du, Achab, weiß sie, auch kein Ahnen rührt ihren Sinn?

      ACHAB:

       Manchmal flog Ahnen sie an, doch traumhaft nur, und mit Worten scheucht ich es fort. Nur gestern, als das Volk schrie bei des ersten Widders Prall, da schreckte sie auf. Die Decken warf sie im Fieber von sich und reckte die Hände, sie müsse hinaus, sie müsse zu Walle, Krieg sei im Land, Feind in der Stadt, Zion vergehe, Jerusalem falle. Das Wort sei erfüllt, ihr Sohn, er habe es wahrgesagt, der König sei gekommen, der König von Mitternacht. Und sie reckte sich auf und brach in die Knie, doch ehe

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