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als Deine klaren Augen, Aleidis – sie sind glänzender, als der blaue Atlas meines Gewandes.

      »Welch’ schöne Lippen und rosige Wangen Du hast, Bernhard. Sie sind wie die rosenfarbige Feder auf Deinem Barette.

      »O nicht so schön, als die Deinen, Aleidis – sie sind wie die Korallen an Deinem Halse.«

      »Aleidis schien an diesem Gespräche großen Gefallen zu finden; doch sprang sie rasch auf, zog mich vom Stuhle auf und sprach:

      »Bernhard, Du mußt immer bei mir bleiben, nicht wahr? Du darfst nicht gehen, hörst Du? Denn sonst bin ich wieder so traurig, verlassen, so allein! Du bleibst immer, nicht wahr? Du sollst mein Bruder sein, und wir werden immer mit einander spielen.«

      »Wir begannen auch sogleich herumzulaufen, zu hüpfen und zu tanzen, bis die Ermüdung uns auszuruhen zwang; dann blies ich auf meinem silbernen Jagdhorn, oder ich erzählte das Unglück, das mein Haus betroffen; ich machte das Mädchen bald lachen, bald weinen . . . Mit einem Worte, sie unterhielt sich so gut, daß sie Mittags zu essen weigerte, bis man mir erlaubte, neben ihr zu sitzen. Abends weinte sie unaufhörlich, weil der Tag nicht lang genug war, und sie sich von ihrem Spielgenossen trennen mußte, um schlafen zu gehen.

      »Was soll ich Euch weiter sagen, Albrecht? Aleidis hatte die ganze Neigung ihres Herzens mir zugewandt; ich wurde ihr theurer, als der blaue Apfel ihrer Augen. Was mich betrifft, ich hatte nun eine Schwester, so gut, so liebreich, als der Sonnenschein, – so schön und leiblich, als ein Maßliebchen! Damals konnte man nie eins ohne das andere sehen, als wären eins des Andern Schatten gewesen; zwei Lämmer einer und derselben Mutter folgten einander nicht treuer, als wir.

      »Ohne Nebengedanken überließ ich mich ganz meinem seligen Loose und bemerkte Anfangs nicht, daß mein Glück nur allzufrüh Neider fand, obwohl ich selbst die Mißgunst verursachte. – Du mußt wissen, daß mein Beschützer, Graf Arnold von Craenhove, nie zu sehen war; die Gemächer des Schlosses, welche er bewohnte, blieben stets für uns und allen Dienern verschlossen, ausgenommen eine Person, welche ebenso tiefsinnig und sprachlos, wie er, sein unbegränztes Vertrauen zu genießen schien. – Es war ein sonderbarer Mann, dessen Antlitz über mich eine unwiderstehliche Gewalt ausübte; seine Gegenwart allein schon machte mich zittern, und oft erschrak ich vor ihm, wie vor einem Teufel. Die Natur hatte ihm keine angenehmen Gesichtszüge geschenkt. Meine Angst vermehrte noch seine ernste Unfreundlichkeit und gab ihm in meinen Augen die gräßlichste Gestalt. Hast Du bemerkt, Albrecht, daß eine Eule gelbe und trübe Augen hat? So waren die seinen. – Du siehst Deinen Hund mit seinen rauhen Haaren, die emporstehen, wie die Nadeln einer Tanne? So war sein Haar. Dein Buch ist gebunden zwischen zwei eichenen Brettchen, schmutzig und fahl? So war sein Gesicht. – Hast Du je einen Fuchs gesehen, der in einem Strick gefangen ist, wie er den Jäger angrinzt und zu beißen droht? Dies war sein süßestes Lächeln. Falkner kommen manchmal hierher; Du hast doch vielleicht einen Falken gesehen? Gleich den Klauen dieses Raubvogels waren seine Hände – mit magern Fingern und gekrümmten Nägeln. – Hast Du je eine Gotteslästerung gehört, Albrecht? So war sein Name; er hieß: Abulfaragus!«

      »Dieser Mann, der auf dem Schlosse und in der Umgegend für einen Sterndeuter und Wahrsager galt, begegnete mir nie, ohne einen mißtrauischen und forschenden Blick auf mich zu werfen. Oft, wenn ich mit meiner Schwester Aleidis unter den Bäumen spielte, sah ich sein gelbes und furchtbares Auge hinter dem Stamme eines Baumes blitzen. Mehr als einmal kroch er wie ein Jagdhund unter dem Gesträuche durch, um unsre Worte zu belauschen. Obwohl ich mich damals nicht darum bekümmerte, glühte doch in meinem Innern ein tiefer Haß gegen diesen feindlichen Spionen. Ich war es nicht allein, der ihn fürchtete: alle Bewohner des Schlosses zitterten vor seiner Stimme, theils weil man wußte, daß der unsichtbare Graf Arnold durch seinen Mund sprach, theils weil man von ihm befürchtete, er könne durch übernatürliche Mittel sich wegen des geringsten Ungehorsams rächen.

      »Auf dem Laternenhof war ein kleines Wäldchen von Ulmen, unter deren schwarzen und undurchdringlichen Blättern ein Grabstein mit eingemeißelter Schrift stand. Dort hielt Abulfaragus sich gewöhnlich auf, wenn er nicht um Graf Arnold von Craenhove sein mußte. Niemand wußte, was der Wahrsager in dem Ulmenhaine that, noch warum er so lange dort verweilte; ängstlich vermied Jeder den Ort; wo sich der Grabstein befand und wir selbst durften auf jener Seite nicht spielen. Aleidis wußte aber wohl, daß der Stein das Grab ihrer Aeltern bedeckte, war aber noch nie in dem Ulmenhaine gewesen.

      »Außer bei Sachen von großer Wichtigkeit hatten alle Diener von dem Wahrsager selbst den Befehl erhalten, Aleidis nie etwas zu verweigern, und sie schien wirklich trotz ihrer Jugend allein Herrin auf dem Schlosse zu sein. Denn wenn sie etwas verlangte oder einen grillenhaften Befehl geben wollte, war es immer ihr guter Bruder Bernhard, den sie als Bote zu den Dienern sandte. Ich gebot als Herr in ihrem Namen, und ohne daß ich die Ursache davon ahnen konnte, sah ich oft bei solchen Gelegenheiten das Feuer der Betrübniß auf den Gesichtern der alten Diener des Hauses von Craenhove. Ein leichtsinnig Kind, wie ich damals war, achtete ich nicht darauf und beantwortete mit spöttischem Lächeln ihren Verdruß, während ich, mein silbern Jagdhorn ergreifend, Freude daran fand, meine Neider mit einem Spottstückchen zu begrüßen. – Welchen Eindruck konnte auch auf mich die Mißgunst einer ganzen Welt machen, da ein einziger Sprung mich nach meinem Himmel zurückbrachte, wo meiner immer ein liebereich Engelchen wartete?

      »Du weißt, Albrecht, dem Unglücklichen schleicht die Zeit hinkend weiter; aber für den Glücklichen, der die Freude aus vollen Kelchen trinkt, fliegt die Zeit mit mächtigeren Schwingen, als denen des Adlers. Auch ich war dreizehn Jahre geworden, ohne einen Tag gezählt zu haben, so rein war stets unsre Bruderliebe geblieben. – Während dieser Zeit hatte ich von Aleidis und den Dienern genauere Auskunft über die sonderbare Lebensweise und den unbegreiflichen Gemüthszustand meines Beschützers bekommen. Vernimm, was ich erfuhr:

*                   **

      »Zwei Jahre vor meiner Ankunft auf dem Laternenhofe bewohnte der gegenwärtige Herr Arnold von Craenhove dasselbe mit seinem älteren Bruder Hugo; obwohl dieser letztere allein Graf genannt wurde und von Geburt wegen der Herr von allen Gütern von Craenhove war, so lebte er doch ganz gleichgestellt mit seinem Bruder; ja so weit ging ihre gegenseitige Zuneigung, daß sie, um sich nicht zu trennen, und die Erziehung ihrer fünfjährigen Schwester zu sichern, einander gelobten, nie zu heirathen, noch die Bekanntschaft irgend einer Frau zu machen. Während der vier ersten Jahre nach dem Tode ihrer Aeltern blieben sie ihrem Versprechen treu. Wie ich Dir so eben sagte, sie lebten glücklich bis zwei Jahre vor meiner Ankunft auf dem Schlosse. Dann aber hoben sie, mit gegenseitiger Zustimmung, ihre Verbindlichkeit auf und begaben sich fast täglich nach einem nahe gelegenen Landgute, das von einer wälschen Edelfrau bewohnt war. Diese hieß sich selbst Gräfin von Merampré. Niemand wußte, welcher Mittel sie sich bediente, um alles, was sich ihr nahte, von Sinnen zu bringen; viele Menschen glaubten, sie gebrauche schwarze Künste und Liebestränke. Was auch daran sein mag, man sagt, daß mehr als zwölf Ritter um ihretwillen im Kampfe umgekommen und daß nie zwei Personen ihr nahen konnten, ohne einander nach dem Leben zu trachten. Es scheint, daß die beiden Brüder von Craenhove sich durch ihre List nicht fangen ließen, denn sie blieben bei ihrer früheren Zuneigung. – Aber ein anderes Unglück traf sie.

      »Eines Tages, gegen Abend ritt der jüngere Arnold aus dem Schlosse und schlug den Weg nach dem Landgut der Gräfin de Merampré ein. Kurze Zeit darauf ritt sein Bruder Hugo, begleitet von Abulfaragus denselben Weg. Diese Nacht blieben die Herren von Craenhove lang, sehr lang weg; schon begann der Schlaf die Wachen zu übermannen, als plötzlich vor der Zugbrücke ein Ruf erscholl, gleich dem Schrei eines Raubvogels. Die Wächter erkannten Abulfaragus Stimme. Man ließ die Brücke nieder und’ öffnete das Thor. Ohne jemanden anzusehen oder etwas zu sprechen, lief der alte Wahrsager nach dem Theile des Hofes, wo die Herren von Craenhove ihre Schlafgemächer hatten. Er kam ebenso schnell wieder zurück mit einem schwer beladenen Reisesack, ließ aufs neue die Brücke niedersenken und verschwand im Dunkeln. – Ihr könnt Euch denken, wie ängstlich und neugierig die Wächter auf die Lösung dieser räthselhaften Handlungsweise harrten. Während sie einander ihre Vermuthungen und Gedanken mittheilten, hörten sie nochmals den Schrei von Abulfaragus und ließen ihn ein. Diesmal sprach der Wahrsager; er erzählte nämlich mit wenigen Worten, daß die Herren von Craenhove von Räubern angefallen worden

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