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Brüssel eroberten und ganz Brabant in Besitz nahmen. Mein Vater war einer von denen, die es mit Eberhard ’t Serelaes versuchten, Brüssel zu befreien. Bei Nacht gelangten sie in die Stadt und vom Volke unterstützt, vertrieben sie die Vlamingen. Mein Vater war’s, der das triumphierende Banner von Brabant auf die Wälle pflanzte; aber ein Pfeil traf ihn in die Seite und er starb schon am andern Tage an seiner Wunde.

      »Inzwischen lebte ich mit meiner Mutter auf dem Schloß bei Grimberghe; wir hatten schon die Kunde der Befreiung Brüssels empfangen und freuten uns über die wahrscheinliche Erhaltung unseres Vaters. Getrosten Muthes und fröhlichen Herzens sprach meine Mutter mit mir über ihre Hoffnung aus bessere Zukunft: Herzog Wencelyn, dem nun Brabant gehörte, würde zweifelsohne die wenigen Ritter belohnen, denen er seinen Thron verdankte. Diese schönen Aussichten in unserer Phantasie ausmalend, stiegen wir die Treppe hinauf, um uns schlafen zu legen; meine Mutter küßte mich zu wiederholten Malen, bekreuzte mich öfters und ich sah in jedem ihrer Augen eine Thräne der Hoffnung und Liebe glänzen. So glücklich und zufrieden über unser Loos, schlossen wir unsere Augen und sanken in süßen Schlaf.

      »Mitten in der Nacht höre ich plötzlich ein schreckliches Geschrei; ich erwache . . . aber, o Gott ich sehe nichts als Flammen, der Rauch erstickt mich, ich höre die Stimme meiner Mutter, die um Hilfe ruft . . . und außerhalb des Schlosses Waffengerassel und Jauchzen vielen Volkes. Alles dreht sich vor meinen Augen, ich fühle Leben und Athem schwinden. Da sehe ich plötzlich ein schwarzes Menschenbild die Flammen durchschneiden und sich meinem Bette nähern. – Ich fühle; daß seine beiden Arme mich umfassen, mit Gewalt aufheben und wie er mit mir durch das Feuer springt . . . Jetzt verlor ich mein Bewußtsein und Gefühl . . . «

      Ergriffen von seinen trüben Erinnerungen, schwieg Bernhard nach diesen Worten. Thränen flossen über seine Wangen, doch kein Seufzer, kein schwerer Athem begleitete sie. Sein alter Kamerade sprach gleichfalls nicht, so daß eine seltsame Stille der Ausdruck ihrer gegenseitigen Rührung ward.

      Endlich fragte Albrecht:

      »Nun Bernhard, und Deine Mutter?«

      »Meine Mutter, nicht wahr? meine arme Mutter? . . . Verbrannt, zu Asche verbrannt! Man hat nichts von ihr gefunden, als das verkohlte Gebein!«

      Der alte Hirte schrie laut auf, und aus seinen Augen begannen die Schmerzensthränen zu fließen; sein junger Kamerade drückte ihm die Hand und fuhr, als er sich wieder gefaßt hatte, also fort:

      »Die Anführer der Vlamingen, die aus Brüssel vertrieben waren, hatten meinen Vater im Streite erkannt. Bei ihrem Rückzuge kamen sie des Nachts an unserer, Wohnung vorüber und erinnerten sich, daß mein Vater ihr Feind war; sie legten Holzhaufen um das Schloß, und steckten es an, um uns zu tödten . . .

      »Nun war ich eine arme Waise, von Allem entblößt und noch zu jung, um im Kriege meine Zukunft zu finden. Das väterliche Schloß lag zerstört – und doch, wäre es auch nicht beschädigt gewesen, was hätte es geholfen, da es gänzlich den Wechslern verpfändet war? Ich war so ohne alles Erbe, ohne Eltern, ohne Verwandtschaft. Ein einzig Mittel blieb mir übrig: ich konnte mich als Hofjunker bei dem einen oder dem andern Landesherrn annehmen lassen, und so in einen Stand treten, der meinen Jahren und meinem Adel ziemte.

      »In der Erwartung, daß es mir glücken werde, blieb ich in einer Bauernwohnung, bei dem edelmüthigen Laet, der mich mit Lebensgefahr aus den Flammen gerettet hatte. Am zehnten Tage kam ein Ritter, der eine Wallfahrt nach Unsrer Lieben Frau von Halle mitgemacht, an den noch rauchenden Trümmern des Schlosses vorüber. Er beklagte unser Urglück sehr und sagte, daß er früher ein Freund meines Vaters gewesen; und in der That, erschien ein Kriegsmann zu sein, denn es zog sich über seine Stirne eine tiefe und lange Narbe, wie von einem Schwerthiebe. Ich wurde ihm als einziges Ueberbleibsel vom Hause derer von Reedale vorgestellt. Meine rothgeweinten Augen und mein trauriges Gesicht machte Eindruck auf sein Gemüth; er nahm mich als Hofjunker mit, den guten Leuten, die mich gerettet und beherbergt hatten, gelobend, daß er mich sein Leben lang wie ein eigenes Kind behandeln werde.

      »Das Benehmen des Ritters war mir unbegreiflich: am ersten Tage sprach er zehn Stunden lang nichts, ließ den Zaum seines Pferdes gleichgültig hängen, und hatte den Kopf wie ein schläfriger Mensch vorwärts gebeugt. Seine Augen, die er selten auf mich richtete, waren halb unter seinen schweren Brauen eingesunken, und schienen ohne Leben, wie angelaufenes Glas. Oft beschlich mich Angst und Furcht, ich träumte mehr als einmal von den schrecklichsten Dingen; aber die Stimme des Ritters, wenn ich sie hörte, war so sanft und traurig, daß ich zuletzt mehr Mitleid als Angst fühlte.

      »Nach zwei Reisetagen ritten wir die Stadt Antwerpen vorbei und standen eine Stunde später vor der Brücke eines großen Schlosses, das mit vier schweren Thürmen und hohen Festungsmauern umgeben war. Kaum hatte uns der Wächter über dem Thore bemerkt, als sein Jagdhorn ertönte; das Gatter ging in die Höhe, die Zugbrücke fiel nieder und die Pforte ächzte in ihren Angeln.

      »Eine Anzahl Diener, eben so schweigsam und vielleicht noch geheimnißvoller, als mein Wohlthäter, empfingen meinen Beschützer mit tiefer Ehrfurcht, und ich begriff leicht an der gebietenden Sprache, daß dies seine Wohnung war.

      »Ich hatte kaum etwas gegessen, als Graf Arnold von Craenhove, dieß war der Name meines Herrn, einem alten Diener befahl, zwei Pferde zu satteln und mit mir nach Antwerpen zu reiten, um mich in seine Farben kleiden zu lassen. Wir blieben fünf Tage in der Stadt, bis ich meine Dienstkleidung erhielt. – O was war ich schön, Albrecht: ich wurde halbleibs gekleidet, die rechte Hälfte in himmelblaue, die linke in rosenfarbige Seide; auf meinem Kopfe wehte eine rosenfarbene Feder auf einem braunsammtenen Barette; um meinen Hals hing eine silberne Kette, und an dieser auf meiner Brust ein kleines Jagdhorn vom selben Metall. – O, ich war so schön und o vergnügt, daß man mich mit Gewalt von meinem stählernen Spiegel entfernen, und mit der Wegnahme des Jagdhorns drohen mußte, um mich am unaufhörlichen Blasen zu hindern. Am sechsten Tage kehrten wir wieder zum Laternenhof zurück, dessen Namen mir der alte Diener mitgetheilt hatte.«

      »Bei unserer Ankunft wurde ich zu Graf Arnold von Craenhove gebracht. Er schien sehr zufrieden mit meinem Anzuge und mit meiner stolzen Haltung; doch, was ich schon während unsrer Reise bemerkt hatte, machte mich auch jetzt wieder sinnend. Seine Stimme war dumpf und traurig, sein Lächeln erzwungen und peinlich; ja, als ich aus Dankbarkeit seine abgemagerte Hand küßte, ließ er mich machen und blieb gleichgültig gegen die Beweise meiner Liebe zu ihm. Nach einigen Augenblicken des Stillschweigens stand er von seinem Stuhle auf, nahm mich, ohne etwas zu sprechen, bei der Hand und brachte mich durch zwei oder drei Säle, bis in ein schönes Gemach, worin ein Mädchen von ungefähr sieben Jahren, gerade meinem Alter, an dem Fenster saß und verdrießlich hinausblickte. Sobald wir einander sahen, erleuchtete dasselbe Lächeln unsre Züge. Graf Arnold sprach indeß mit dumpfer Stimme:

      »Aleidis, meine Schwester, ich bringe Dir einen Gesellschafter, einen Bruder.Nun wirst Du nicht mehr trauern, nicht wahr? Unterhaltet Euch gut . . . «

      »Und mit diesem Befehle ließ er mich stehen, und ging weg. Verschämt, und keinen Schritt vorwärts wagend, blieb ich stehen und schlug die Augen nieder. Aber das Mädchen eilte ungeduldig auf mich zu, ergriff meine Hände und zog mich an das Fenster, in lebhaftem, aber freundlichem Tone fragend:

      »Wie ist Dein Name? Von wannen kommst Du? Bleibst Du immer hier? Kannst Du auf dem Horne blasen?«

      »Ich antwortete, so gut ich konnte, auf die Fragen meiner Spielgenossin, obwohl sie mir kaum die Zeit dazu ließ, und ebenso schnell mir einen Sessel vor den ihrigen rückte und mir befehlend sagte:

      »Setz’ Dich da vor mich hin!«

      »Und als ich niedergesessen war, begann sie mit sonderbarer Neugierde, meine Gesichtszüge und Kleider zu betrachten. Nachdem diese Prüfung einige Zeit gedauert hatte, sprach sie, während sie eine Locke von meinem Haare um ihren Finger rollte:

      »Welch schöne blonde Haare hast Du, Bernhard! sie sind wie Silberfäden.«

      »Ich, der ich bewußtlos mit meinen Augen an ihr hing, antwortete:

      »Nicht so schön, als Deine blonden Haare, Aleidis – sie sind so schön, wie das Gold, das in Dein Samaer gewebt ist.«

      »Sie lächelte, wie

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