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Aufregung einen ganz roten Kopf.

      »Hier!« erwiderte Franz mit einer Stimme, die recht dünn klang, und wies auf einen Wickeltisch, auf dem die beiden Neugeborenen friedlich nebeneinander lagen.

      Leo stürzte an den Tisch.

      »Wa . . .?« rief er, »Zwillinge?«

      Emma, die es hörte, erschrak.

      »I Gott bewahre!« entgegnete Franz. »Eins davon gehört uns.«

      »Welches?« fragte Leo.

      Und Franz wies ziemlich resigniert auf das siebeneinhalb Pfund schwere Mädchen und sagte:

      »Das sind wir.«

      »Bravo!« rief Leo, »dann gehört der Junge also uns! Ein strammer Kerl!«

      »Neun Pfund!« sagte das Mädchen, das daneben stand.

      »Schade!« dachte Emma in ihrem Bette, rief mit schwacher Stimme »Franz!«, nahm seine Hand und sagte: »Macht nichts! Wir sind ja noch jung!«

      Franz nickte und sagte:

      »Jewiß! Hauptsache, daß es ʼn ordentlicher Mensch wird.«

      Leo ging triumphierend durch das ganze Haus. Der Diener stand bis zum Abend am Telephon und meldete allen Bekannten, das Günther, neun Pfund schwer, angelangt sei. Dasselbe berichteten am nächsten Morgen in Sperrschrift sämtliche Blätter.

      Auch Cäcilie erholte sich nach ein paar Stunden. Sie schmunzelte, als Leo ihr sagte: Ein Junge! Und als er mit besonderer Wichtigkeit hinzufügte: Neun Pfund schwer! – strahlte sie und dachte: prima.

      Daß Linkes ein Mädchen hatten, das siebeneinhalb Pfund wog, fanden sie natürlich. Sie sahen darin so etwas wie den Takt der Natur, die Distanz wahrte.

      Als die beiden Mütter sich völlig erholt hatten, die beiden Neugeborenen bei Emma lagen und die ersten Züge ins Leben taten, erschien der Sanitätsrat.

      Er fühlte mit Würde den Puls und stellte fest, daß der Verlauf normal sei; dann drückte er Leo die Hand, und in seinem Blick lag so etwas wie Anerkennung. Leo erfüllte es mit Stolz, und er beschloß, dem Sanitätsrat »anläßlich der Geburt seines Erstgeborenen« eine Extragratifikation zu senden.

      Drittes Kapitel

      Mutter und Kind

      Günther entwickelte sich alle Tage mehr zu jener Gattung von Wunderkind, dem man in den Häusern der oberen Zehntausend auf Schritt und Tritt begegnet und dessen hervorragende Eigenschaften man mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmen kann.

      Allein die Affenliebe von Eltern und Tanten verleiht die Gabe, in Häßlichkeit verborgene Schönheit, in Widerspenstigkeit den Ausdruck starken Willens und in unbekümmertem und ohne Rücksicht auf Zeit und Ort geübtem Nässen die Äußerung einer schönen Seele zu erblicken.

      Der Gast hingegen, dem man dies Wunder vorsetzt, wendet sich mit Grausen – es sei denn, daß Rücksichten und gesellschaftlicher Takt ihn zwingen, zu loben und zu bleiben.

      Cäcilie empfing jetzt viel Rekonvaleszensbesuche. Und Günther wurde bald jeden Nachmittag von halb fünf bis halb sieben zum Tee gereicht. Alle bestaunten ihn, und bei vielen hinterließ er einen schwer verwischbaren Eindruck.

      Cäcilie fand, schon als er sechs Wochen alt war, daß er einem alten spanischen Granden aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, dessen Porträt in der Gemäldegalerie dem Ruhebett unmittelbar gegenüber hing, unverkennbar ähnlich sah.

      Und als er nach weiteren vier Wochen das erste Mal unartikulierte Laute von sich gab, die anders klangen als das gewöhnliche Geplärre und einem abgerissenen Lallen glichen, rief Cäcilie begeistert:

      »Hast du gehört, Leo, was er gesagt hat?«

      Leo und Emma sahen sich erstaunt an.

      Da lallte der spanische Grande von neuem.

      »Hört ihrʼs nicht? Tarantella! ruft er ganz deutlich!« – Und sie fiel Leo um den Hals und rief:

      »Ich bin ja so stolz! Es ist ein Wunderkind!«

      Emma schüttelte den Kopf und dachte:

      »Ist das eine verrückte Mutter!«

      Cäcilie war wie ein Spürhund hinterher, daß Günther bei Emma stets einen Platz an der Sonne hatte. Oft zum Nachteil des andern Säuglings, dem Linkes den Namen Frida gaben. Aber Emma stellte, sobald Cäcilie draußen war, das Gleichgewicht wieder her und sorgte dafür, daß keins zu kurz kam.

      Trotzdem blieb Günther stets um ein paar Kilo voraus. Und Franz dachte, so oft er vor Emma stand und seine Augen auf den beiden Kindern ruhten:

      »Strammer ist ja der Junge. Aber das Mädel ist auch nicht übel.«

      Aber er sprach es nicht aus, um Emma nicht zu kränken.

      Für Cäcilie hingegen war Frida eine ständige Ursache des Stolzes und der Freude.

      Kam Besuch, so versäumte sie nie, Günther gegen Frida auszuspielen.

      »Soll man es für möglich halten,« fragte sie regelmäßig, »daß die beiden Kinder am selben Tage und zur gleichen Stunde geboren sind?«

      Alle sagten, daß sie es nicht für möglich hielten, obgleich nicht jedem gleich der Gewichtsunterschied in die Augen fiel.

      Und wenn sie dann aus der Kinderstube heraus waren und wieder im Salon saßen, dann sagte Cäcilie, falls es ihr nicht einer der Besucher vorweg nahm:

      »Und da gibt es noch immer Leute, die für die allgemeine Gleichheit sind. Wo sich die Klassenunterschiede doch rein äußerlich so deutlich zeigen.« —

      Einen Tanz gab es, als eines Morgens eine Probierdame von Gerson in Begleitung eines Laufjungen erschien, der auf seinem Rücken keuchend einen Berg von Kartons schleppte.

      Emma wurde nach vorn gerufen. Die Kartons wurden geöffnet.

      »Wat soll das?« fragte Emma drohend, stemmte die Fäuste in die Hüften und sah in die Kartons, die offen ringsum auf der Erde standen.

      »Echte Spreewälder Kostüme!« sagte Cäcilie.

      »Wollen die Jnädige aufʼn Maskenball jehn?«

      »Aber nein. Emma, die sind für Sie!«

      »Für mich? – Das wärʼ jelacht!«

      »Das gehört sich so!« suchte Cäcilie sie zu belehren.

      »Für wen?«

      »Nu, überhaupt.«

      »Für Sie! Das mag sein. Für mich nich! Warum haben Se sich da nich jleich so ʼne wendische Unschuld jenommen? Da hätten Sie das teure Kostüm gespart.«

      »Aber Emma, bedenken Sie, Sie schonen Ihre Sachen!«

      »Ausjeschlossen!« widersprach Emma. »Und denn überhaupt, im Tiergarten, mang die echten Spreewälderinnen! Ich werʼ mich blamieren! Fällt mir nich ein! Können Sie wendisch? Ich sagʼ Ihnen, das is, wie wenn Sie ʼn Frosch breitquetschen. Da verstehn Se kein Wort.«

      »Das haben Sie ja nicht nötig.«

      »Ich bittʼ Sie, man will doch auch mal ʼn Wort reden!«

      »Schließlich, es lernt sich alles.«

      »Ne, ne, da gibtʼs nichts! – Erzählen Sie das ʼmal meinem Mann, daß Se ʼne Spreewälder Amme aus mir machen wollen.«

      »Das ist doch nur äußerlich.«

      »Innerlich krempelt mich auch keiner um!« rief Emma.

      Jetzt mischte sich auch die Probierdame in die Unterhaltung.

      »Das Kostüm ist doch so kleidsam!« sagte sie. »Ich glaube, daß es Sie vorzüglich kleiden würde.«

      »Sehn Se ʼmal an! Was Se nich sagen!« erwiderte Emma. – »Na, wie wärʼs denn, wenn Sie mal ʼn paar Monate darin rumliefen? – Wennʼs doch so kleidsam is! Der Jnädigen kommtʼs nich drauf an. Selbstredend troddele ich nebenher. Für alle Fälle! Und in Anspruch werden Se von dem Kind weiter nich jenommen.«

      »Das

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