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Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Die Zwillingsschwestern von Machecoul
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Er erklärte, nichts gesehen oder gehört zu haben, denn er sey von dem Baron durch eine Ecke des Waldes getrennt gewesen. Es wurde überdies bewiesen, daß das Gewehr des Angeklagten den ganzen Tag nicht abgeschossen worden war; er hätte den Baron auch nur von der rechten Seite treffen können, und die Kugel war ihm in die linke Seite gedrungen.
Die Untersuchung wurde eingestellt; man vermuthete, er sey von einer abgeprallten Kugel getroffen worden.
Allein es ging in der Umgegend lange das Gerücht, der Baron Michel sey ein Opfer der Rache geworden. Man munkelte, einer der alten Soldaten Jolly’s oder Charette’s habe den unglücklichen Lieferanten zur Strafe für seine Verrätherei erschossen; aber es waren zu viele Leute an dieser Angelegenheit betheiligt und es wurde nie eine Anklage erhoben.
Die Baronin Michel de La Logerie war also Witwe. Sie besaß, wie so viele Frauen der höheren Stände, weder Tugenden noch Laster, noch Leidenschaften. Sie war im Alter von siebzehn Jahren an den Ehestandspflug gespannt worden und in der Furche gegangen, ohne an eine Ausschreitung zu denken, ja ohne sich zu fragen, ob es einen andern Weg gebe. Als sie des Joches entledigt war, fürchtete sie sich vor ihrer Freiheit und sah sich instinctmäßig nach neuen Fesseln um.
Diese neuen Fesseln fand sie in einer übertriebenen, irregeleiteten, wenn auch aufrichtigen Frömmigkeit. Sie hielt sich für eine Heilige, weil sie sehr regelmäßig die Kirche besuchte und gewissenhaft fastete; wer ihr gesagt hätte, daß sie täglich siebenmal sündige, würde sie sehr in Erstaunen gesetzt haben. Und doch wäre dieser Vorwurf vollkommen gegründet gewesen: sie sündigte unaufhörlich gegen das Gebot der christlichen Demuth; denn wie wenig Ursache sie auch dazu hatte, so trieb sie doch den Adelstolz bis zur Verrücktheit.
Diese Schwäche war dem schlauen Courtin wohlbekannt; wir haben gesehen, daß er ihren Sohn schlechtweg »Monsieur Michel,« sie aber »Frau Baronin« nannte.
Die Baronin de La Logerie hatte natürlich einen Abscheu vor dem Zeitgeiste und dem Fortschritte. So oft als sie die Gerichtsverhandlungen in der Zeitung las, gab sie dem Zeitgeist die tiefste Sittenverderbniß schuld. Nach ihrer Behauptung hatte das eiserne Zeitalter mit dem Jahre 1800 begonnen. Es war daher ihre größte Sorge, ihren Sohn gegen die verderblichen Wirkungen des Zeitgeistes zu schützen und jede Berührung mit der bösen Welt zu meiden. Zu dem Besuche öffentlicher Lehranstalten wollte sie ihre Zustimmung durchaus nicht geben, und selbst die Anstalten der Jesuiten schienen ihr nicht genügend abgesperrt gegen die äußere Welt. Sie selbst wollte seine Studien leiten und seine Ideen in eine Bahn lenken, welche nach ihrer Meinung allein heilbringend war, und der nothwendige Unterricht in Wissenschaften und Künsten durfte nur in ihrer Gegenwart und nach einem von ihr gutgeheißenen Programme ertheilt werden.
Es bedurfte wirklich einer starken Dosis gesunden Verstandes, um das jugendliche Gehirn aus dieser zehn Jahre langen Tortur gesund und frisch hervorgehen zu lassen.
Aber ganz ohne Folgen war diese Tortur doch nicht geblieben: es fehlte dem jungen Baron die Willenskraft und Entschlossenheit, die des Mannes Würde zeigt.
IX.
Salon d’or und Allegro
Wie Michel erwartet und gefürchtet hatte, war er von seiner Mutter tüchtig ausgezankt worden.
Sie hatte sich durch die Erzählung Courtin’s nicht täuschen lassen; die Kopfwunde ihres Sohnes war keine von einem Dorne geritzte Schramme.
Da sie nicht wußte, was ihren Sohn bewegen könne, die Ursache dieser Verwundung zu verbergen, und in der Ueberzeugung, daß sie die Wahrheit nicht herausbringen würde, warf sie nur von Zeit zu Zeit einen Blick auf die räthselhafte Wunde und schüttelte dabei seufzend den Kopf.
Der junge Mann fühlte sich bei Tische sehr unbehaglich; er schlug die Augen nieder und murrte kaum; aber die scharfe Beobachtung, die er von seiner Mutter zu ertragen hatte, war keineswegs die einzige Ursache seiner Befangenheit.
Zwischen seinen gesenkten Augenlidern und dem Auge seiner Mutter sah er fortwährend gleichsam zwei Schatten schweben: die Erinnerung an Bertha und an Mary.
An Bertha dachte er allerdings mit einer gewissen Ungeduld. Wer war sie denn, die Amazone die mit dem Gewehre umzugehen wußte, wie ein echter Jäger, die eine Wunde verband, wie ein Chirurg, und den widerstrebenden Patienten mit ihren zarten weißen Händen so festhielt, wie es nur Jean Oullier mit seinen derben schwieligen Fäusten vermocht hätte?
Aber wie reizend war auch Mary mit ihrem langen: blonden Haare und ihren großen blauen Augen! Wie sanft und einschmeichelnd war der Ton ihrer Stimme! Mit welcher Leichtigkeit hatte sie die Wunde berührt, das Blut abgewaschen, die Binde umgelegt!
Im Grunde war Michel gar nicht böse über seine Wunde, wenn er bedachte, daß die beiden Mädchen sonst nicht die mindeste Ursache gehabt haben würden, ihn anzureden und sich mit ihm zu beschäftigen.
Weit bedenklicher als die Wunde war freilich die Verstimmung seiner Mutter, welche ihre Zweifel und Besorgnisse nicht ganz zu verbergen vermochte. Aber der Aerger seiner Mutter konnte nicht von langer Dauer seyn; unvergänglich hingegen war der Eindruck, den der Händedruck Mary’s in seinem Herzen zurückgelassen hatte.
Er sehnte sich, wie jeder junge Mann, der mit seinen Gefühlen noch nicht im Klaren ist, nach Einsamkeit. Nach Tische benutzte er einige Augenblicke, wo seine Mutter mit einem Diener sprach, und entfernte sich, ohne ihre Worte zu beachten.
Die Worte der Baronin de La Logerie waren indeß nicht ohne Bedeutung: sie verbot ihrem Sohne, sich in die Nähe von St. Christoph zu begeben, weil daselbst, nach der Aussage des Dieners ein bösartiges Fieber ausgebrochen sey.
Sie wünschte sogar um La Logerie einen Sanitätscordon ziehen zu lassen, um den Bewohnern des Dorfes den Zutritt in das Schloß unmöglich zu machen.
Der Befehl sollte sogleich vollzogen werden, in Bezug auf ein Mädchen, welches für den fieberkranken Vater bei der Baronin um Hilfe bitten wollte.
Wäre Michel nicht so zerstreut gewesen, so würde er den Worten seiner Mutter gewiß einige Aufmerksamkeit geschenkt haben; denn der Kranke war der Pächter Tinguy, und die Botin war seine Milchschwester Rosine für die er noch immer eine große Zuneigung hatte.
Aber seine Augen waren gegen Souday gewandt, und er dachte an die reizende Mary.
Bald war er in dem einsamsten, schattigsten Theile des Parkes. Er hatte, um sein einsames Umherirren nicht auffallend zu machen, ein Buch genommen; aber er hätte nicht einmal den Titel des Buches nennen können, obschon er zu lesen schien, bis er das Ende des Parkes erreicht hatte.
Er setzte sich auf eine Bank und fing an nachzusinnen.
Woran er dachte? Die Antwort ist leicht zu geben: er dachte, wann er wohl Mary und ihre Schwester wieder sehen würde.
Der Zufall war ihm günstig gewesen, aber er hatte sie erst sechs Monate nach seiner Rückkehr gesehen. Der Zufall hatte sich also Zeit genommen; auf eine zweite Begegnung konnte der junge Baron unmöglich so lange warten.
Andererseits war es keineswegs leicht, mit dem Schlosse Souday Verbindungen anzuknüpfen. Der Marquis von Souday, ein Emigrant von 1790, war dem Baron Michel von La Logerie, dessen Adel aus dem Kaiserreiche stammte, nicht sehr gewogen.
Ueberdies hatte sich Jean Oullier in der kurzen Unterredung eben nicht geneigt gezeigt, die Bekanntschaft des jungen Barons zu machen.
Bertha und Mary hatten ihm allerdings ihre Theilnahme zu erkennen gegeben; aber wie konnte er sich den Mädchen nähern? Sie ritten wohl zwei- oder dreimal wöchentlich auf die Jagd, aber nie ohne die Begleitung ihres Vaters und Jean Oulliers.
Michel nahm sich vor, alle in der Bibliothek des Schlosses befindlichen Romane zu lesen: er hoffte, aus einem derselben irgend ein sinnreiches Mittel herauszulesen, welches seine eigene Erfindungsgabe wahrscheinlich nicht entdecken würde.
Während er so nachsann, fühlte er einen leisen Schlag auf seiner Schulter. Er sah sich etwas erschrocken um.
Es war Courtin.
Das Gesicht des braven Meiers drückte eine Zufriedenheit aus, die er gar nicht zu verhehlen suchte.
»Nichts