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zwischen Machecoul und La Billardière die Hunde mit der Wölfin und hinter ihnen den unermüdlichen Jean Oullier. Das verfolgte Thier lief noch immer in gerader Richtung fort.

      »Zehn Tage von meinem Leben würde ich geben,« sagte der Marquis in seinem Eifer, »wenn ich jetzt drüben wäre und der Wölfin eine Kugel durch den Leib jagen könnte.«

      Die beiden Mädchen machten einige Gegenvorstellungen, waren indeß bereit, ihrem Vater zu folgen.

      »Also vorwärts,« sagte der Marquis und gab seinem Pferde die Sporen.

      Der Weg, aus welchem der Marquis fortsprengte, war steinig und von tiefen Geleisen und Rinnen durchschnitten. Die Pferde, welche keinen festen Fuß fassen konnten, stolperten oft und würden gestürzt seyn, wenn sie nicht von geschickten Händen gehalten worden wären. Auf Nebenwegen war indes; der »Heidewald«, auf welchen die Wölfin mit der Meute zueilte, nicht zeitig genug zu erreichen.

      Der Marquis, der ein kräftigeres Pferd ritt als seine Töchter war einige hundert Schritte voraus. Er bemerkte ein offenes Feld, und ohne seinen Töchtern einen Wink zu geben, verließ er die Straße und ritt querfeldein.

      Bertha und Mary, die ihrem Vater immer zu folgen glaubten, ritten auf dem holperigen Wege fort.

      Als sie wohl seit einer Viertelstunde von ihrem Vater getrennt waren, kamen sie in einen tiefen Hohlweg, dessen Seiten mit Hecken besetzt waren. Sie hielten hier plötzlich an, denn sie glaubten das Bellen ihrer Hunde in geringer Entfernung zu hören.

      Gleich darauf fiel ein Schuß; ein Hase mit blutrothen, zerschossenen Ohren huschte aus der Ecke in den Hohlweg, und oben auf dem Felde trieb eine laute Stimme die Hunde zum Verfolgen des Hasen an.

      Die beiden Schwestern, welche in die Jagd eines Nachbars gerathen zu seyn glaubten, wollten sich schnell entfernen; da sahen sie an der Stelle, wo der Hase hindurchgeschlüpft war, den wohlbekannten Rustaud, einen von ihres Vaters Hunden, und gleich darauf Faraud, dann Bellande, dann Domino, endlich Fanfare aus der Hecke hervorstürzen. Die Rüden verfolgten den angeschossenen Hasen so eifrig, als ob sie an diesem Tage kein edleres Wild gewittert hätten.

      Aber kaum war der sechste Hund aus der schmalen Heckenöffnung hervorgekommen, so schaute ein Menschenantlitz aus derselben hervor.

      Es war ein jugendliches Gesicht, bleich und verstört, mit verworrenem Haar und wild starrenden Blicken. Der junge Mann gab sich alle Mühe, durch die enge Oeffnung der Hecke hindurchzuschlüpfen, und während er sich durch das Gestrüpp arbeitete, rief er den Hunden unaufhörlich nach. Bertha und Mary erkannten die Stimme, welche sie fünf Minuten zuvor unmittelbar nach dem Schusse gehört hatten.

      VI.

      Der angeschossene Hase

      Aber die Hecken in Niederpoitou wie in der Bretagne bestehen gemeiniglich aus jungen Eichen, welche gebogen und in einander geflochten werden. Wenn daher ein Hase und sechs Hunde durch eine Oeffnung geschlüpft sind, so folgt daraus noch nicht, daß die Oeffnung ein bequemer Durchgang für Menschenkinder seyn müsse. Der junge Mann steckte mit dem Halse in dem Loche fest, und vergebens bot er alle seine Kräfte auf, um sich durchzudrängen, vergebens ritzte er sich Hände und Gesicht blutig, er kam keinen Zoll vorwärts.

      Der junge eifrige Jäger verlor indeß den Muth nicht, er arbeitete mit verzweifelter Anstrengung, um die Lücke zu erweitern. Da hörte er auf einmal ein lautes Gelächter.

      Er sah sich um und bemerkte die beiden reizenden Amazonen, welche, auf den Hals ihrer Pferde gebeugt, ihrer Heiterkeit freien Lauf ließen.

      Ganz beschämt über die lächerliche Figur, die er den beiden schönen Mädchen gegenüber spielte, wollte der junge Jäger den Kopf zurückziehen; aber die fatale Hecke ließ ihn nicht los, die Dornen hielten Kleider und Waidtasche fest, er konnte nicht zurück, er saß in der Hecke fest, wie in einer Falle. Das Gelächter der beiden Zuschauerinnen wurde immer lauter und ausgelassener.

      Der arme Gefangene, der seine Anstrengungen verdoppelte, machte dabei ein so verzweifeltes Gesicht, daß Mary Mitleid mit ihm bekam.

      »Still, Bertha!« sagte sie zu ihrer Schwester, »Du siehst ja, daß wir ihm durch unsere Schadenfreude weh thun.«

      »Es ist wahr,« antwortete Bertha, »aber wer könnte dabei wohl ernsthaft bleiben!«

      Sie sprang, immerfort lachend, vom Pferde, und eilte dem Gefangenen zu Hilfe.

      »Mein Herr,« sagte sie zu ihm, »ich glaube, daß Ihnen einige Hilfe nicht unnütz seyn würde. Wollen Sie meinen und meiner Schwester Beistand annehmen?«

      Die Eigenliebe des unglücklichen Jägers war durch das Gelächter der beiden Mädchen noch empfindlicher verletzt worden, als durch die Dornen, welche ihm die Haut blutig geritzt, hatten; er vergaß daher über der höflichen Anrede keineswegs die lächerliche Rolle, zu der er sich verurtheilt sah.

      Er gab keine Antwort, er wollte sich selbst ohne fremde Hilfe aus der Klemme ziehen. Er machte noch einen verzweifelten Versuch, sich vorwärts zu drängen; aber zum Unglücke stieß er mit der Stirne gegen den schräg abgehauenen Stumpf eines Astes. Die scharfe Kante des harten Holzes drang wie ein Messer in die Stirnhaut; der Verwundete schrie laut auf, und sogleich strömte ihm das Blut über das Gesicht.

      Die beiden Schwestern erschraken über diesen Unfall, dessen unfreiwillige Ursache sie waren, eilten auf den Verwundeten zu, faßten ihn bei den Schultern, bogen einige Zweige zurück, zogen ihn aus der Ecke hervor und setzten ihn auf die Böschung des Hohlweges.

      Mary, welche die starkblutende Wunde für gefährlicher hielt, als sie wirklich war, zitterte vor Schrecken; Bertha hingegen verlor keinen Augenblick die Besonnenheit.

      »Laufe hinunter an den Bach,« sagte sie zu ihrer Schwester, »und tauche dein Sacktuch ein, damit wir dem Verwundeten das Blut abwischen.«

      Während Mary sich entfernte, wandte sie sich wieder zu dem jungen Jäger und fragte:

      »Haben Sie viele Schmerzen?«

      »Ich weiß in der That nicht, mein Fräulein,« erwiderte er, »ob mir der Kopf innen oder außen weh thut. Ich habe in diesem Augenblicke gar viel zu denken – O, mein Gott! warum habe ich den Rath meiner Mutter nicht befolgt!«

      Der verwundete Jäger war erst zwanzig Jahre alt, aber diese letzten Worte klangen doch gar zu sonderbar in dem Munde des hübschen, kräftigen, jungen Mannes. Die beiden Mädchen fanden das große, stattliche Muttersöhnchen so unwiderstehlich komisch, daß sie wieder in ein lautes Gelächter ausbrachen.

      Der arme junge Nimrod sah die beiden Schwestern bittend an, und zwei Thränen quollen aus seinen Augen. Zugleich aber riß er das nasse Schnupftuch, welches Mary ihm auf die Stirn gelegt hatte, mit einer hastigen, ungeduldigen Geberde ab.

      »Was machen Sie da,« fragte Bertha.

      »Lassen Sie mich!« erwiderte er anmuthig, »Sie wollen sich für Ihre Bemühung durch Spöttereien bezahlt machen. Jetzt bereue ich, daß ich nicht, wie ich anfangs wollte, die Flucht genommen habe – selbst auf die Gefahr hin, mich noch schwerer zu verletzen.«

      »Aber da Sie einmal so vernünftig waren, es nicht zu thun,« entgegnete Mary, »so seyen Sie jetzt wieder vernünftig und lassen Sie diese Binde wieder auf Ihre Stirne legen.«

      Sie hob das Schnupftuch auf und näherte sich mit so unverkennbarer Theilnahme, daß der Verwundete keinen Widerstand mehr leistete.

      »Thun Sie was Sie wollen,« antwortete er.

      »Mein lieber Herr,« sagte Bertha, die ihn unterdessen beobachtet hatte, »für einen Jäger sind Sie ein bisschen zu empfindlich.«

      »Ich bin kein Jäger, mein Fräulein, und seit diesem Anfalle bin ich weniger als je geneigt, es zu werden.«

      »Ich bitte um Entschuldigung,« versetzte Bertha mit demselben spöttischen Tone, der den jungen Mann schon vorhin verletzt hatte, »aus dem Eifer mit welchem Sie den Hasen verfolgten und unsere Hunde antrieben, glaubte ich schließen zu dürfen, daß Sie ein Jäger sind – oder wenigstens werden wollen.«

      »O nein, mein Fräuleins ich folgte nur einer leidenschaftlichen Aufwallung, die mir jetzt

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