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Sie schlossen, der eine sein Weib und seine Tochter, der andere seine Schwiegermutter und sein Weib, in ihre Arme; dann zogen sie, Hand in Hand, dem Kanonendonner entgegen, der offenbar immer näher an die Stadt kam.

      Die beiden Frauen blieben, knieten nieder und beteten für die beiden Männer ihrer Liebe.

      Aber die Frau Peters besaß weder die Seelenstärke noch die Willenskraft womit das Beispiel und die Liebe des wackeren Fischers Luise Pommereuil begabt hatten.

      Allmählig wuchs und steigerte sich ihre Verzweiflung; sie verlor den Kopf; halb toll benützte sie einen Augenblick wo ihre Mutter sie nicht sehen konnte, entwischte auf das Feld und lief, ohne ihr Kind niederzulegen das sie auf den Armen hatte, in der Richtung fort welche sie die geliebten Männer einschlagen gesehen hatte.

      Der Kanonenschall leitete sie übrigens wie er diese geleitet hatte; er kam eben jetzt klar und deutlich von den Höhen von Montmartre und Romainville herab.

      Die Tochter des Fischers stieß bei ihrem Lauf querfeldein auf kein Hinderniß; aber die Schnelligkeit womit sie dahineilte, sowie das Bewußtsein der Gefahr welcher ihr Vater und ihr Gatte entgegengingen, steigerten ihre Verzweiflung noch mehr.

      Sie flog durch den Wald von Vincennes, kam bei Montreuil hinter diejenigen von unsern Soldaten die dem Schwarzenbergischen Corps Stand hielten, und gelangte nach Belleville in dem Augenblick wo die Preußen von allen Seiten hereinbrachen.

      Zum ersten Mal hörte die Frau des Waldaufsehers das Geknister des Flintenfeuers in die feierliche Stimme der Kanonen sich mischen; jeder Schuß fand ein Echo in ihrem Herzen, es war ihr als müßte die Flinten- oder Kanonenkngel deren Bote er war einen ihrer Theuern getroffen haben.

      Aus allen ihren Stellungen vertrieben, von einem zwanzigfach überlegenen Feind erdrückt, wichen die Soldaten und Bürger welche für die Ehre der Fahne Frankreichs hatten sterben wollen zwar zurück, kämpften aber fortwährend mit einer Entschlossenheit die sich während dieses ganzen Unglückstages nicht einen einzigen Augenblick verleugnete.

      Zu der letzten Reihe ging der Marschall Marmont mit zerrissenen, pulvergeschwärzten Kleidern, barhäuptig, eine Soldatenflinte in seiner verstümmelten Hand, Schritt für Schritt die Rue de Paris hinab. Als er sich umwandte, als er einen jener Rufe: Vorwärts! ausstieß die man aus der Brust eines der Helden der Ilias hervorgekommen glaubte, als er zuerst sich auf die Preußen losstürzte die ihm auf hundert Schritt folgten, wichen diese entsetzt zurück. Wie ein von der Meute bedrängter Eber warf er sich dann mit der Handvoll Tapferer die ihn umgab über die Feinde her; Leichenhaufen bezeichneten jeden dieser Kämpfe; einen Augenblick hörte die Verfolgung auf und die Besiegten waren die Sieger. Aber die Massen die hinter den ersten kamen, waren so zahlreich und dicht daß die Arme der Helden vom Dreinschlagen ermüdeten, und daß sie, diesen unaufhörlich neuerstehenden Feinden gegenüber, an den Rückzug denken mußten.

      Die Tochter des Fischers kam, im Augenblick eines dieser Handgemenge, durch eine Seitengasse in die Hauptstraße von Belleville.

      Sie hatte das Bewußtsein der Gefahr so gänzlich verloren, daß sie, trotz der Kugeln die sie von allen Seiten her umpfiffen und an die Wände fuhren, bis an die Ecke des Gäßchens vorschritt.

      Ganz nahe bei dem Mann in gestickter Uniform welcher die Kämpfer gegen einander trieb und durch Beispiel und Zuruf aufmunterte, bemerkte sie durch diesen dicken, von Blitzen durchzuckten Rauch hindurch Franz Guichard und seinen Schwiegersohn.

      Der Invalide schoß mit seiner Jagdflinte aus nächster Nähe auf die Preußen; der Fischer, der seine Munition erschöpft hatte, gebrauchte seine Flinte umgekehrt und hatte so eben mit einem Kolbenschlag einen feindlichen Offizier zu Falle gebracht.

      Die junge Frau stürzte mit einem furchtbaren Schrei auf sie los; bei diesem Schrei drehte Peter Maillard sich um und erkannte sein Weib; er bemerkte sein Kind das sie ihm hinbot, gleich als wollte sie ihn im Namen dieses unschuldigen Geschöpfes anflehen sich nicht weiter auszusetzen; und siehe da, dieser Mann der seit fünf Stunden mit der heldensinnigsten Tapferkeit gekämpft hatte, verlor jetzt auf einmal seine Kraft und seinen Muth. Die Waffe entfiel seinen erschlaffenden Händen; wahnsinnig vor Angst um Alles was er in dieser Welt liebte, stürzte er, so schnell seine Schwäche es ihm gestattete, gegen seine Frau und sein Kind zu.

      In diesem Augenblick marschirten die Preußen, hinter denen fortwährend Andere nachdrängten, vorwärts; sie befanden sich in bedeutender Anzahl zwei Schritte von Peter Maillard hinweg; zehn Bajonette kreuzten sich zumal über dem flüchtigen Invaliden; er fiel von Stichen durchbohrt, indem er seinem Schwiegervater zurief:

      – Rette Deine Tochter! rette mein Kind! Diese Scene war Franz Guichard, der seinerseits vollan mit dem Feind zu thun hatte, gänzlich entgangen.

      Bei dem Zuruf seines sterbenden Schwiegersohnes schaute er voll Entsetzen nach der Richtung welche der letzte Blick des armen Invaliden ihm anzeigte, und durch den Rauch und Staub hindurch die sich spiralförmig drehten und in dichten Wirbeln kreuzten, glaubte er, mitten unter den dunkeln Uniformen der Feinde verloren, eine weiße Gestalt zu bemerken.

      Er stürzte in dieser Richtung fort, indem er mit seiner Flinte ein so wüthendes Rad schlug, daß das ganze dichte Gemenge sich vor ihm öffnete.

      – An der Ecke dieses Gäßchens fand er seine Tochter.

      Sie saß mit dem Rücken gegen den Weichstein.

      Obschon sie ohnmächtig schien, drückte sie doch ihr schreiendes kleines Kind kräftig an ihre Brust.

      Franz Guichard that was Peter Maillard gethan hatte: er warf seine Flinte weg, nahm seine Tochter in seine Arme, lud sie auf seine Schulter und entfloh, ohne rückwärts zu schauen, in der Richtung von Varenne.

      Erst im Walde von Vincennes machte er Halt.

      Jetzt erst bemerkte er daß sein Hals und seine Schultern ganz feucht waren.

      Er griff darnach und überzeugte sich daß diese Feuchtigkeit Blut war.

      Er legte seine Tochter auf den Rasen, und nun sah er daß alle Kleider der armen jungen Frau damit beschmutzt waren.

      Er blieb stumm, unbeweglich stehen; er wagte es nicht mehr sie zu berühren, er fürchtete sich eine Bewegung zu machen, es schien ihm als ob der Himmel, die Bäume, Alles sich um ihn drehte, als ob die Erde unter seinen Füßen wankte.

      Endlich entschloß er sich zu einer letzten Anstrengung die seinem Muth weit schwerer wurde als alle Kämpfe des Morgens; er öffnete das Mieder des jungen Weibes und legte seine Hand an ihr Herz.

      Das Herz hatte aufgehört zu schlagen.

      Das Kind lag noch immer in den Armen seiner Mutter, nur war es zuletzt eingeschlafen.

      Franz Guichard nahm seine Last wieder und kehrte nach Hause zurück.

      Dort legte er seine Tochter auf sein Bett, befreite sachte die arme Kleine aus der Umschlingung der Todten, und ohne ein Wort zu sagen, ohne in seinen vertrockneten Augen eine Thräne zu finden, raffte er seine Geräthschaften zusammen und kehrte nach seinem Boote zurück.

       IV.

      Wo, in Folge der Einmischung der Großen der Erde, sehr wenig dazu fehlt daß im Jahr der Gnade 1817 Franz Guichard seinen kleinen Roman ebenso endigt wie wie kleinen Romane seiner Ahnen geendigt hatten

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      Wenn ein Wilderer Hasenpfeffer essen will, so sucht er, er mag nun den berühmten Lehrsatz der bürgerlichen Köchin kennen oder nicht, vor allen Dingen einen Hafen zu erbeuten.

      Als Franz Guichard auf den Einfall gerathen war Hausbesitzer zu werden, hatte er sich, bevor er Bruchsteine in der Ebene gesammelt, ferner auf den Inselchen der Marne sein bisschen Bauholz geholt und die Binsen an den Ufern des Flusses abgeschnitten hatte, einen Grund und Boden erwildert.

      Er hielt es für lächerlich Dinge zu kaufen die er sich umsonst verschaffen konnte.

      Die Republik confiscirte die Güter der Feinde des Vaterlands; unserem Franz Guichard bewies eine Logik daß er sich als vortrefflicher Bürger erweisen würde wenn er sich bei dem Verfahren der Republik betheiligte.

      Der Prinz von Condé befehligte das Emigrantencorps

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