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flickte die Netze ihres Mannes; sie begleitete ihn auf dem Fluß, sie lenkte das Schiff wie ein echter Fischerknabe, und zwar mit solcher Geschicklichkeit, daß ihre Ruder so wenig Lärm auf dem Wasser machten, als eine Breitjungfer die über die Seeblumen hin hüpft, und daß Franz Guichard, wenn seine Leinen sich irgendwo verfingen, niemals genöthigt war nach dem letzten Mittel, zum Messer zu greifen. Ueberdieß wußte sie es trotz all ihrer Geschäfte immer so einzurichten, daß er, wenn er nach Hause kam, eine Suppe oder einen Ragout fertig vorfand, was dem Fischersmann in seiner Hütte auf der Inselspitze eine Idee von den gastronomischen Genüssen der Bürger Direktoren im Luxembourg beibrachte.

      Mit all diesen Vorzügen verband Luise noch einen anderen, der sich bei armen Weibern die neben schwerer Handarbeit die Schmerzen der Mutterschaft durchzumachen haben sehr selten vorfindet: sie blieb schön. Allerdings hatte die Sonne ihren einst so weißen Armen, ihrem ehemals so frischen Gesichte die Farbe des florentinischen Erzes verliehen, aber ihre Züge blieben rein, und diese warme, männliche Färbung stand ihr vortrefflich zu Gesichte.

      Zwanzig Jahre hindurch war Franz Guichard gewiß der glücklichste Mann seines Departements, obschon dieß das Departement der Seine war, das diverse Millionäre unter seinen Bewohnern zählte.

      Aber das Glück gleicht jenen Wucherern die den reichen Söhnen ihre Casse öffnen, deren habgierige Gefälligkeit und eigennützige Beeiferung aber bei der Berechnung der Zinsen grell zu Tage kommen.

      Der Verfalltag nahte für die arme Familie in Varenne.

      Im Jahr 1813 besaßen Franz Guichard und Luise Pommereuil drei schöne Kinder: zwei Söhne und eine Tochter.

      Die Conseciption nahm ihnen die beiden Jungen weg.

      Der Fischer ertrug diese erste Prüfung ziemlich gut, denn seine Erinnerungen an die Belagerung von Mainz verliehen ihm Kraft: er gedachte des Orcans von Eisen und Blei in dessen Mitte er drei Monate lang gelebt hatte; er sprach mit einer gewissen Verachtung davon und behauptete die Canone mache mehr Lärm als nöthig sei.

      Luisens Herz blutete und ihre Augen weinten, Sie hätte gerne ihre zwei Kinder loskaufen mögen, aber in jenen Zeiten war das Menschenblut theuer, und mit den Mitteln der armen Familie war es schlecht bestellt. Aus Rache für den Ungehorsam seiner Tochter hatte der alte Pommereuil wieder geheirathet, und trotz seiner sechzig Jahre hatte ein neuer Nachwuchs die Zahl seiner Erben vermehrt, so daß bei seinem Tod der Antheil seiner ältesten Tochter auf die Hälfte herabgeschmolzen war. Inzwischen konnte man durch Verkauf der Weinberge vielleicht für einen der beiden Söhne einen Ersatzmann erschwingen; aber nun entstand ein Wettstreit an Edelmuth unter den Brüdern, und da der eine nicht ohne den andern bleiben wollte, so war die Folge daß beide abzogen. Franz Guichard und seine Frau blieben allein im Hause, denn ihre Tochter war schon seit einem Jahr verheirathet.

      Sie hatte einen alten Soldaten dem man nach der Schlacht bei Wagram ein Bein abgenommen, und welcher der Busenfreund von Franz Guichard geworden war.

      Dieser Veteran hatte als Invalidenlohn die Aufseherei über die Staatswaldungen von Varenne erhalten.

      Kraft des traditionellen Rückstoßes jagte Franz Guichard nicht, sah aber gerne zu. Mehrere Male hatte der Fischer, wenn Peter Maillard – so hieß der alte Kriegsmann – dem Federvieh seiner Herren zu Leibe ging, ihn als Liebhaber begleitet. Der Forstmann hatte ein Kaninchen angeboten, der Wassermann hatte sich mit einer Platte Fische revanchirt, und Plaudereien hatten vollendet was kleine Geschenke begonnen. Peter Maillard war hoch erfreut gewesen in den Einöden von Varenne einen Mann zu treffen der zum Handwerk gehört hatte und mit dem er über die edle Kriegskunst plaudern konnte; Franz Guichard seinerseits, der sich noch immer auf seine Anwesenheit bei der Belagerung von Mainz viel zu gut that, blieb ihm keine Antwort schuldig.

      Mitten in der Erzählung des egyptischen Feldzugs, nach einer malerischen Schilderung der geheimnißvollen Harems der Paschas, war Peter Maillard auf diese Idee einer Verbindung gekommen welche die Bande zwischen den beiden Freunden noch fester knüpfen würde.

      Der Fischer hatte ihn mit Enthusiasmus, Luise mit einer gewissen Kälte, das junge Mädchen mit Ergebung angenommen, denn er stand nicht mehr in der ersten Jugend, und trotz fünf oder sechs Narben die ihm, wie er behauptete, ein gewisses Etwas verliehen, war er niemals schön gewesen.

      Trotz einigem Widerwillen von Seiten der beiden Frauenzimmer kam die Heirath zu Stande, und keine von ihnen hatte sie zu bereuen, denn die Herzensgüte des Aufsehers bot reichlichen Ersatz für seine physischen Unvollkommenheiten.

      Gegen Anfang des Jahres 1814, an demselben Tag wo die Tochter des Franz Guichard ihn zum Großvater gemacht hatte, im Augenblick wo seine Frau ihm das arme kleine Wesen darbot damit er es küssen sollte, erschien ein verwundeter Soldat der in sein Dorf zurückkehrte und in demselben Regiment gedient hatte wie die zwei Söhne des Fischers, vor dem Hause Peters und meldete der unglücklichen Familie daß bei Montmirail eine und dieselbe Kugel beide Brüder weggerafft habe.

      Franz Guichard ließ beinahe das kleine Mädchen fallen das Luise aus seine Arme gelegt hatte. Er gab es dieser zurück und brach in Schluchzen, in Verwünschungen in Schmerzensschreie aus. Dieser gegen sich selbst so harte, an schwere und rauhe Arbeit gewohnte Mann hatte herzzerreißende Töne, als er nach seinen beiden Söhnen rief; er wälzte sich auf dem Boden, er zertrümmerte was ihm unter die Hand kam, er flehte zum lieben Gott um Gnade und Erbarmen; man glaubte er würde ein Narr werden.

      · Dieser Zustand ihres Mannes riß Luise aus dem Schmerz welchem sie sich selbst hingegeben hatte; sie suchte ihn zu beruhigen und verschwendete die zärtlichsten Worte an ihn. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren stieß der Fischer diejenige zurück die er so heiß geliebt hatte.

      Jetzt hatte die arme Mutter eine Eingebung: sie bot ihrem Manne das neugeborne Kind zum zweiten Mal hin und schaute Franz mit so flehenden Augen an, daß diese verzweifelte Wuth aufhörte, wie der Regen aufhört wenn der Wind die Wolken in die Ferne jagt. Der Fischer drückte das kleine Mädchen, an sein Herz und verhielt sich bis zum Abend stumm und unbeweglich; nur rollten über seine Wangen dicke Thränen hinab die auf die Windeln und auf das Gesicht des Kindes fielen.

      Diese Thränen waren die erste Taufe des kleinen Mädchens das in unserer Erzählung eine bedeutende Rolle spielen soll.

      Franz Guichard war untröstlich; er blieb düster und schweigsam: er floh seine Frau, er konnte ganze Tage zubringen ohne ein Wort zu ihr zu sprechen; er hatte die Gewohnheiten seiner Jugend wieder angenommen· Um das arme Zimmer nicht wiedersehen zu müssen wo seine todten Kinder geboren worden« verbrachte er manche Nacht in seinem Schiffe. Wenn er zufällig mit Luise seine Mahlzeiten einnahm, wenn dann die Blicke von Mann und Frau sich kreuzten, dann begannen alle beide in Thränen auszubrechen, ohne einander ihre Gedanken mitgetheilt zu haben.

      Eines Morgens wurde der Fischer in seiner Barke durch ein außerordentliches Getöse geweckt.

      Es war Kanonendonner.

      Er kam nicht regelmäßig und in kleinen Zwischenzeiten wie bei den Uebungen von Vincennes, sondern dumpf und anhaltend wie fernes Donnergerolle.

      Franz Guichard saß auf der Bank seines Nachens und horchte. Eine Minute genauer Achtsamkeit bewies ihm daß dieses Kampfgetöse nicht aus dem Fort kam; der Wind führte es von der Seite von Saint-Denis her.

      Tags zuvor hatten Flüchtlinge, als sie auf der Fähre von Varenne über die Marne setzten, gemeldet daß die preußischen Plänkler in der Gegend von Maux herumstreiften.

      Frankreich sollte jetzt, wie Franz Guichard, seine zwanzig Jahre des Glückes und Ruhmes büßen.

      Der Fischer richtete sich in seinem Boote empor. Seine Augen waren mit Blitzen geladen, seine Brauen gerunzelt, seine Nasenflügel weit geöffnet um den Schlachtengeruch einzuathmen der bis zu ihm zu gelangen schien; der Schmerz der seine Seele schwelte verwandelte sich in Zorn: der alte Soldat der Republik fühlte seinen furchtbaren Haß gegen die Ausländer neu erwachen, der Vater fühlte daß die Mörder seiner Söhne herannahten.

      Zum ersten Mal vielleicht in seinem Leben hing er sein Schiff nachlässig ein und schritt auf das Haus zu. Er traf hier Peter Maillard, der mit einer Flinte auf der Schulter und einer andern in der Hand ihn erwartete.

      Als der Waldaufseher seinen Schwiegervater erblickte,

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