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hervor, auf welchen er einen Blick voll unsäglichen Schreckens warf.

      »Herr Noirtier. Rue Coq-Héron. Nro. 13.« murmelte er immer mehr erbleichend.

      »Ja. mein Herr.« antwortete Dantes erstaunt. »Kennen Sie ihn?«

      »Nein,« versetzte Villefort lebhaft; »ein treuer Diener des Königs kennt die Meuterer nicht.«

      »Es handelt sich also um eine Meuterei?« sagte Dantes, der, nachdem er sich frei geglaubt hatte, von einer noch größeren Bangigkeit als zuvor erfaßt wurde. »Jeden Falls wußte ich, wie ich Ihnen vorhin sagte, durchaus nichts von der Depeche, deren Träger ich war.«

      »Ja,« versetzte Villefort, mit dumpfem Tone, »aber Sie wissen den Namen des Adressaten.«

      »Um ihm selbst den Brief zu überbringen, mußte ich ihn wohl wissen.«

      »Und Sie haben diesen Brief Niemand gezeigt?« fragte Villefort, während er las und immer mehr erbleichte.

      »Niemand, mein Herr, auf Ehre!«

      »Niemand weiß, daß Sie der Träger eines von der Insel Elba kommenden und an Herrn Noirtier adressierten Briefes waren?«

      »Niemand, mit Ausnahme desjenigen, welcher mit denselben zugestellt hat.«

      »Das ist zu viel, das ist noch zu viel!« murmelte Villefort.

      Die Stirne von Villefort verdüsterte sich immer mehr, je näher er dem Ziele kam. Seine bleichen Lippen, seine zitternden Händel, seine glühenden Augen erregten in dem Geiste von Dantes die traurigsten Befürchtungen.

      Nachdem Villefort vollends gelesen hatte, ließ er sein Haupt in seine Hände sinken und blieb einen Augenblick unbeweglich.

      »Oh mein Gott! was gibt es denn, mein Herr?« fragte Dantes schüchtern.

      Villefort antwortete nicht, aber nach einer Minute richtete er seinen bleichen, verstörten Kopf wieder auf und las den Brief zum zweiten Male.

      »lind Sie sagen, Sie wissen nichts von dem Inhalte des Briefes?« sprach Villefort.

      »Ich wiederhole Ihnen bei meiner Ehre, ich weiß nichts davon,« antwortete Dantes; »aber mein Gott was haben Sie denn? Sie sind unwohl! Soll ich läuten? Soll ich rufen?«

      »Nein mein Herr,« antwortete Villefort rasch aufstehend, »rühren Sie sich nicht, sprechen Sie kein Wort. Es ist meine Sache, hier Befehl zu geben, und nicht die Ihrige.

      »Mein Herr,« versetzte Dantes verletzt, »ich wollte.Ihnen nur beistehen.«

      »Ich brauche nichts, ein vorübergehender Schwindel nicht mehr: beschäftigen Sie sich mit sich selbst, und nicht mit mir. Antworten Sie.«

      Dantes erwartete das Verhör, welches diese Frage ankündigte, aber vergebens; Villefort fiel auf seinen Stuhl zurück, fuhr mit einer eisigen Hand über seine mit Schweiß übergossene Stirne und las den Brief zum dritten Male.

      »Ah, wenn er weiß, was dieser Brief enthält, und wenn er je erfährt, daß Noirtier der Vater von Villefort ist, so bin ich verloren, auf immer verloren.«

      Und von Zeit zu Zeit schaute er Edmond am als hätte sein Blick die unsichtbare Schranke durchbrechen können, welche in dem Herzen die Geheimnisse einschließt die der Mund bewahrt.

      »Wir dürfen nicht mehr daran zweifeln!« rief er plötzlich.

      »Aber in des Himmels Namen, mein Herr!« sprach der unglückliche junge Manne »wenn Sie an mir zweifeln, wenn Sie einen Verdacht gegen mich haben, so fragen Sie mich, und ich bin bereit zu antworten.«

      Villefort machte eine heftige Anstrengung gegen sich selbst und sagte mit einem Tone, dem er Sicherheit verleihen wollte:

      »Mein Herr, die schwersten Anschuldigungen entspringen für Sie aus Ihrem Verhöre. Es steht also nicht in meiner Gewalt, wie ich Anfangs gehofft hatte, Sie in Freiheit zu sehen. Ehe ich eine solche Maßregel nehme, muß ich mich mit dem Untersuchungsrichter berathen. Mittlerweile haben Sie gesehen, wie ich gegen Sie verfahren bin.«

      »Oh ja, mein Herr!« rief Dantes, »und ich danke Ihnen, denn Sie sind für mich eher ein Freund als ein Richter gewesen.«

      »Nun wohl, mein Herr! ich werde Sie noch einige Zeit, doch so kurz, als nur immer möglich, gefangen halten. Die Hauptanklage gegen Sie liegt in diesem Briefe, und Sie sehen . . . «

      Villefort näherte sich dem Kamin, warf ihn in das Feuer und blieb dabei stehen, bis er völlig in Asche verwandelt war.

      »Und Sie sehen,« fuhr er fort, »daß ich ihn vernichte.«

      »Oh, mein Herr!« rief Dantes, »Sie sind mehr als die Gerechtigkeit, Sie sind die Güte!«

      »Doch hören Sie mich,« sprach Villefort, »nach einer solchen Handlung müssen Sie natürlich Zutrauen zu mir haben, nicht wahr?«

      »Oh, mein Herr, befehlen Sieh ich werde Ihre Befehle befolgen!«

      »Nein,« sagte Villefort, sich dem jungen Manne nähernd, »nein, ich will Ihnen keinen Befehl, sondern einen guten Rath geben.«

      »Sprechen Sie, und ich werde mich ganz darnach richten.«

      »Ich will Sie bis diesen Abend hier im Justizpalaste behalten; vielleicht wird ein Anderer kommen, und Sie befragen. Sagen Sie ihm Alles, was Sie mir gesagt haben, aber kein Wort von diesem Briefe.«

      »Ich verspreche es Ihnen, mein Herr,«

      Villefort schien zu bitten: der Angeklagte beruhigte den Richter.

      »Sie begreifen,« sagte er, einen Blick auf die Asche werfend, die noch die Form des Papiers bewahrte und über den Flammen flackerte, »nun, da dieser Brief vernichtet ist, wissen nur Sie und ich allein, daß er bestanden hat, und man kann Ihnen denselben nicht vorlegen; verleugnen Sie ihn, wenn man davon spricht, verleugnen Sie ihn keck, und Sie sind gerettet.«

      »Seien Sie unbesorgt, ich werde leugnen,« sprach Dantes.

      »Gut, gut,« versetzte Villefort, und fuhr mit der Hand nach einer Klingelschnur. In dem Augenblicke aber, wo er läuten wollte, hielt er wieder inne und sprach:

      »Es war der einzige Brief, den Sie hatten?«

      »Der einzige.«

      »Schwören Sie!«

      Dantes streckte die Hand aus und sagte:

      »Ich schwöre.«

      Villefort läutete.

      Der Polizeikommissär trat ein.

      Villefort näherte sich dem öffentlichen Beamten und sagte ihm einige Worte in das Ohr. Der Commissär antwortete mit einem einfachen Zeichen des Kopfes.

      »Folgen Sie dem Herrn,« sprach Villefort zu Dantes.

      Dantes verbeugte sich, warf einen Blick der Dankbarkeit auf Villefort und ging ab.

      »Kaum war die Thüre hinter ihm geschlossen, als Villefort die Kräfte schwanden, und er fiel beinahe ohnmächtig auf einen Stuhl.

      Nach einem Augenblick aber murmelte er:

      »Oh mein Gott! woran hängen Leben und Glück. Wäre der Staatsanwalt in Marseille gewesen, hätte man den Untersuchungsrichter statt meiner gerufen, so wär ich verloren und dieses Papier, dieses verfluchte Papier stürzte mich in den Abgrund. Oh, mein Vater, mein Vater! wirst Du denn immer ein Hinderniß gegen mein Glück auf dieser Erde sein! Muß ich denn ewig mit Deiner Vergangenheit kämpfen!«

      Dann schien plötzlich ein unerwarteter Strahl seinen Geist zu durchzucken, sein Antlitz erleuchtete sich, ein Lächeln umspielte seine noch zusammengepressten Lippen; feine Augen gewannen wieder ihre Festigkeit und schienen auf einem Gedanken zu haften.

      »Ja, das ist es,« sagte er, »ja, dieser Brief, der mich zu Grunde richten sollte, wird vielleicht mein Glück machen. Auf, Villefort, an das Werk!«

      Und nachdem er sich versichert hattet daß der Angeschuldigte sich nicht mehr im Vorzimmer befand, entfernte sich der Substitut des Staatsanwaltes ebenfalls und ging rasch nach dem Hause seiner Braut.

       Achtes

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