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als wäre es ein Tag,« sprach Athos. »Seht Ihr, welche Freude es mir bereitet, mein Freund, zu denken, daß ich Euch hier habe, daß ich Eure Hand drücke, daß ich weit von mir weg Degen und Dolch werfen, daß ich ohne Mißtrauen diese Flasche Xeres berühren kann. Oh! diese Freude vermöchte ich Euch nur auszudrücken, wenn unsere beiden Freunde hier wären, hier an den zwei Ecken dieses Tisches, und wenn Raoul, mein vielgeliebter Raoul, auf der Schwelle mit seinen großen, so glänzenden und so sanften Augen uns zuschauen würde.«

      »Ja, ja,« sprach d’Artagnan sehr bewegt, »das ist wahr. Ich billige besonders den ersten Theil Eures Gedankens: es ist süß, da zu lächeln, wo wir so mit Recht schauerten, wenn wir bedachten, jeden Augenblick könnte Herr Mordaunt auf der Treppe erscheinen.«

      In diesem Augenblick öffnete sich die Thüre, und d’Artagnan, so brav er war, konnte sich einer leichten Bewegung des Schreckens nicht erwehren.

      Athos begriff ihn und sagte lächelnd:

      »Es ist unser Wirth, der mir einen Brief bringt.«

      »Ja, Mylord,« sagte der gute Bürgersmann, »ich bringe in der That Eurer Herrlichkeit einen Brief.«

      »Ich danke,« sprach Athos und nahm den Brief, ohne ihn anzuschauen. »Sagt mir, mein lieber Wirth, erkennt Ihr diesen Herrn nicht?«

      Der Greis hob den Kopf in die Höhe und schaute d’Artagnan aufmerksam an.

      »Nein,« erwiederte er.

      »Es ist einer von den Freunden, von denen ich gesprochen habe; er wohnte vor elf Jahren mit mir hier!«

      »Oh! es haben so viele Fremde hier gewohnt!«

      »Ja, aber wir haben am 31. Januar 1641 hier gewohnt,« fügte Athos bei, der durch diese Erläuterung das träge Gedächtniß des Wirthes aufzustacheln glaubte.

      »Es ist möglich,« erwiederte der Wirth lächelnd, »doch das ist schon so lange her.«

      Er verbeugte sich und ging hinaus.

      »Ich danke,« sprach d’Artagnan, »verrichtet Thaten, führt Revolutionen aus, versucht es, Euren Namen in Stein oder in Erz mit mächtigen Schwertern zu graben, es gibt etwas, was rebellischer, härter, vergeßlicher ist als das Eisen, das Erz und der Stein, das ist der gealterte Schädel eines Wirthes, der in seinem Gewerbe reich geworden; er erkennt mich nicht mehr! ich hätte ihn wahrhaftig wiedererkannt.«

      Lächelnd entsiegelte Athos den Brief.

      »Ah!« sagte er, »ein Brief von Parry.«

      »Oho!« rief d’Artagnan, »lest, mein Freund, lest, er enthält ohne Zweifel etwas Neues.«

      Athos schüttelte den Kopf und las:

      »Herr Graf,

      »Den König hat es sehr betrübt, daß er Euch heute bei seinem Einzug nicht in seiner Nähe sah; Seine Majestät beauftragt mich, dies Euch zu melden und sie in Euer Gedächtniß zurückzurufen. Seine Majestät wird Eure Ehren diesen Abend zwischen zehn und elf Uhr im Palast von Saint-James erwarten.

      »Ich bin mit aller Ehrfurcht, Herr Graf, Eurer Ehren

      »unterthäniger und gehorsamer Diener

      »Parry.«

      »Ihr seht, mein lieber d’Artagnan. »man darf an dem Herzen der Könige nicht verzweifeln.«

      »Verzweifelt nicht daran, Ihr habt Recht,« erwiederte d’Artagnan.

      »Oh! theurer, lieber Freund,« sagte Athos, dem die unmerkliche Bitterkeit von d’Artagnan nicht entgangen war, »verzeiht. Sollte ich, ohne es zu wollen, meinen besten Kameraden verletzt haben?«

      »Ihr seid ein Narr, Athos, und zum Beweis werde ich Euch bis ins Schloß, das heißt, bis an die Thüre begleiten, das ist ein Spaziergang für mich,«

      »Ihr geht mit mir hinein, mein Freund, ich will Seiner Majestät sagen . . . «

      »Laßt das!« unterbrach ihn d’Artagnan mit einer Mischung von wahrem und falschem Stolz; »wenn es etwas Schlimmeres gibt, als selbst zu lügen, so ist es, durch Andere lügen zu lassen. Brechen wir auf, mein Freund, der Spaziergang wird herrlich sein; ich zeige Euch im Vorübergehen das Haus von Herrn Monk, der mich bei sich aufgenommen hat. Meiner Treue, ein schönes Haus! Wißt Ihr, in England General sein trägt mehr ein, als in Frankreich Marschall sein.«

      Athos ließ sich ganz traurig über diese Heiterkeit, welche d’Artagnan heuchelte, wegführen.

      Die ganze Stadt war in freudiger Aufregung; die zwei Freunde stießen sich jeden Augenblick an Enthusiasten, welche sie in ihrer Trunkenheit aufforderten: Es lebe König Karl! zu rufen. D’Artagnan antwortete durch ein Knurren und Athos durch ein Lächeln. Sie kamen so bis zu dem Hause von Monk, an welchem man wirklich vorüber mußte, um zum Palast von Saint-James zu gelangen.

      Athos und d’Artagnan sprachen wenig unter Weges, gerade weil sie, wenn sie gesprochen hätten, sich zu viel zu sagen gehabt haben würden. Athos dachte, wenn er spräche, würde es den Anschein haben, als offenbarte er Freude, und diese Freude könnte d’Artagnan verletzen. Dieser befürchtete seinerseits, wenn er spräche, eine gewisse Bitterkeit durchblicken zu lassen, welche ihn für Athos lästig machen könnte. Es fand ein seltsamer Wetteifer des Stillschweigens zwischen der Zufriedenheit und der bösen Laune statt. D’Artagnan gab zuerst dem Jucken nach, das er gewöhnlich an seiner Zungenspitze fühlte.

      »Athos,« sagte er, »Ihr erinnert Euch der Stelle in den Denkwürdigkeiten von d’Aubigné, wo der treue Diener, ein Gascogner wie ich, arm wie ich und, ich hatte beinahe gesagt, brav wie ich, von den Knausereien von Heinrich IV. erzählt? Mein Vater sagte mir immer, wie ich mich erinnere, Herr d’Aubigné sei ein Lügner; doch seht selbst, wie alle Prinzen, welche vom großen Heinrich abstammen, diesen nachahmten.«

      »Ach! geht doch, d’Artagnan, die Könige von Frankreich geizig? Ihr seid ein Narr, mein Freund.«

      »Oh! Ihr gesteht nie die Fehler Anderer zu, Ihr, der Ihr vollkommen seid. Doch in der That, Heinrich IV. war geizig. Ludwig XIII., sein Sohn, war es ebenfalls; nicht wahr, wir wissen etwas davon zu erzählen? Gaston trieb diesen Fehler bis zum Uebermaß und zog sich in dieser Hinsicht den Haß von Allem zu, was ihn umgab. Henriette, die arme Frau! hat wohl daran gethan, geizig zu sein, sie, die nicht jeden Tag aß, sie, die sich nicht jedes Jahr wärmte, und sie hat dadurch ein Beispiel ihrem Sohn Karl II., dem Enkel des großen Heinrich IV., gegeben, der geizig ist wie seine Mutter und wie sein Großvater. Sprecht, habe ich die Genealogie der Geizigen gut aufgesagt?«

      »D’Artagnan, mein Freund,» rief Athos, »Ihr seid sehr hart gegen das Adlergeschlecht, das man die Bourbonen nennt.«

      »Und ich vergaß das Schönste! . . . den andern Enkel des Bearners, Ludwig XIV., meinen Exherrn. Doch der ist hoffentlich geizig, da er seinem Bruder Karl nicht eine Million leihen wollte! Ah! ich sehe, Ihr ärgert Euch. Zum Glück sind wir bei meinem Haus, oder vielmehr bei dem von meinem Freunde Monk.«

      »Lieber d’Artagnan, Ihr ärgert mich nicht, Ihr betrübt mich: es ist in der That grausam, einen Mann von Verdienst neben der Stellung zu sehen, die seine Verdienste ihm hätten verschaffen müssen; mir scheint, Euer Name, theurer Freund, ist so strahlend als die schönsten Namen des Kriegs und der Diplomatie. Sagt mir, ob die Luynes, ob die Bellegarde, ob die Bassompierre wie wir Glück und Ehre verdienten; Ihr habt Recht, hundertmal Recht, mein Freund.«

      D’Artagnan seufzte und ging seinem Freund unter die Vorhalle des Hauses von Monk voran, der mitten in der City wohnte.

      »Erlaubt,« sprach er, »ich lasse meine Börse zu Hause; denn wenn unter dem Gedränge die geschickten Spitzbuben von London, die man sogar in Paris so sehr rühmt, mir den Rest meiner armseligen Thaler stehlen würden, so könnte ich nicht mehr nach Frankreich zurückkehren. So zufrieden ich aber von Frankreich weggegangen bin, so freudetrunken kehre ich dahin zurück, insofern sich alle meine früheren Vorurtheile gegen Frankreich in Begleitung von vielen andern wieder in mir festgestellt haben.«

      Athos antwortete nichts.

      »Habt also einen Augenblick Geduld, und ich folge Euch,« sagte d’Artagnan; »ich weiß

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