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an Scandal gegen sie gewesen, und in seiner persönlichen und nationalen Eitelkeit, konnte Canolles mit einem gewissen Rechte glauben, Nanon habe sich vor seiner Ankunft unüberwindlich gezeigt. Wurde Canolles wirklich der erste Liebeserguß diesen bis dahin nur dem Ehrgeize zugänglichen Herzens zu Theil, oder hatte die Klugheit seinen Vorgängern eine unbegrenzte Discretion gerathen, Nanon mußte als Geliebte ein reizendes Weib, Nanon mußte beleidigt eine furchtbare Feindin sein.

      Die Bekanntschaft von Nanon und Canolles hatte sich auf die natürlichste Weise gebildet; Canolles, Lieutenant im Regimente Navailles, wollte Kapitän werden. Er mußte zu diesen Behufe an Herrn von Epernon, den commandirenden General der Infanterie, schreiben. Nanon las den Brief, sie antwortete wie gewöhnlich, im Glauben, sie behandle eine Geschäftsache, und bewilligte Canolles eine Zusammenkunft in diesem Sinne. Canolles wählte unter seinen Familienjuwelen einen prachtvollen Ring, der wenigstens fünfhundert Pistolen werth war. Es war dies immer noch minder theuer, als sich eine Compagnie zu kaufen, und begab sich sodann zu dem Rendezvous. Aber der Sieger Canolles, dem sein prunkables Geleite von gutem Glück voranging, brachte diesmal die Berechnungen und das Besteuerwesen des Fräulein von Lartigues in Verwirrung. Es war das erste Mal, daß er Nanon sah, es war das erste Mal, daß Nanon ihn sah. Sie waren beide jung, schön und geistreich. Die Zusammenkunft ging in gegenseitigen Artigkeiten hin, von dem Geschäfte war nicht mit einer Sylbe die Rede, und dennoch wurde das Geschäft abgemacht. Am andern Morgen erhielt Canolles sein Kapitänspatent, und als der kostbare Ring von seinem Finger, an den von Nanon überging, war es nicht mehr der Preis des befriedigten Ehrgeizes, sondern das Pfand glücklicher Liebe.

      Zu Erklärung den Aufenthaltes von Nanon in der Nähe des Dorfes Matifou wird die Geschichte genügen. Der Herzog von Epernon hatte sich, wie wir erwähnten, in Guienne verhaßt gemacht. Nanon, der man die Ehre erwies, sie in einen bösen Genius zu verwandeln, hatte sich verwünscht gemacht. Ein Aufstand verjagte Beide von Bordeaux und trieb sie nach Agen. In Agen aber begann der Aufruhr abermals. Eines Tage warf man auf einer Brücke den vergoldeten Wagen um, in welchem Nonen den Herzog einholen sollte. Nanon befand sich, ohne daß man wußte wie, im Flusse, und Canolles zog sie heraus. In einer Nacht brach in dem Hause von Nanon Feuer aus. Canolles drang bis in ihr Schlafzimmer und rettete sie aus den Flammen. Nanon dachte, ein dritter Versuch könnte den Bewohnern von Agen wohl gelingen. – Obgleich Canolles sich so wenig als möglich von ihr entfernte, so hätte er doch nur durch ein Wunder stets im bestimmten Augenblicke bei ihr sein können, um sie der Gefahr zu entziehen. Sie benutzte einen Abgang den Herzogs, der eine Runde in seinem Gouvernement versuchen wollte, und eine Eskorte von zwölfhundert Mann, von welcher ein Theil zu dem Regiment Navailles gehörte, um sich aus der Stadt zu gleicher Zeit mit Canolles zu entfernen, wobei sie aus dem Schlage, ihrer Carrosse den Pöbel verhöhnte, der gern den Wagen in Stücke geschlagen hätte, aber nicht den Muth dazu besaß.

      Dann wählten der Herzog und Nanon, oder Canolles hatte vielmehr insgeheim das kleine Landhaus gewählt, wo Nanon wohnen sollte, bis man ihr ein Haus in Libourne eingerichtet haben würde. Canolles erhielt einen Urlaub, scheinbar um einige Familienangelegenheiten in der Heimath abzumachen, in Wirklichkeit aber, um das Recht zu haben, sein Regiment zu verlassen, das nach Agen zurückgekehrt war, und um sich nicht zu weit von Matifou zu entfernen, wo seine beschützende Gegenwart nothwendiger wurde, als je. Die Ereignisse begannen wirklich einen beunruhigenden Ernst anzunehmen. Die Prinzen von Condé, von Conti und Longueville boten, am vorhergehenden 17. Januar verhaftet und in Vincennes eingesperrt, den vier oder fünf Parteien, welche Frankreich zu dieser Zeit theilten, ernten vortrefflichen Vorwand zum Bürgerkriege. Der Widerwille des Volkes gegen den Herzog von Epernon, von dem man wußte, daß er ganz und gar dem Hofe angehörte, Wuchs immer mehr, obgleich man vernünftiger Weise hätte hoffen sollen, er könnte nicht mehr zunehmen. Eine von allen Parteien, welche in der seltsamen Lage, in der sich Frankreich befand, nicht mehr wußten, woran sie waren, gewünschte Katastrophe stand nahe bevor. Nanon verschwand wie die Vögel, welche den Sturm kommen sehen, vom Horizont und kehrte in ihr Blätternest zurück, um dunkel und unbekannt das Ereigniß abzuwarten.

      Sie gab sich für eine Wittwe aus, welche die Einsamkeit sucht: so hatte sie, wie man sich erinnern wird, Meister Biscarros bezeichnet.

      Herr von Epernon war also am Tage vorher zu der reizenden Einsiedlerin gekommen und hatte ihr angekündigt, er würde zu einer Rundreise von acht Tagen abgehen. Sobald er sich entfernt hatte, schickte Nanon durch den Einnehmer, ihren Günstling, ein Wort an Canolles, der sich, seinen Urlaub benützend, in der Gegend aufhielt. Nur verschwand dieses kleine Wort im Original, wie wir erzählt haben, unter den Händen des Boten, und es wurde daraus eine Einladungsabschrift von der Feder von Cauvignac. Der sorglose Baron beeilte sich, dieser Einladung Folge zu leisten, als ihn der Vicomte von Cambes vierhundert Schritte von seinem Ziele zurückhielt.

      Das Uebrige wissen wir.

      Nanon erwartete also Canolles, wie eine liebende Frau wartet, das heißt, zehnmal in der Minute ihre Uhr aus der Tasche ziehend, jeden Augenblick sich dem Fenster nähernd, aus jedes Geräusche horchend und mit dem Blicke die rothe, glänzende Sonne befragend, welche hinter den Berg hinabsank, um dem ersten Schatten der Nacht Platz zu machen. Zuerst klopfte man an die Vorderthüre, und sie schickte hastig Francinette dahin. Aber es war nichts Anderes, als der vorgebliche Küchenjunge, welcher das Abendbrod brachte, wozu der Gast fehlte. Nanon tauchte ihre Blicke in das Vorzimmer und sah den falschen Boten von Meister Biscarros, welcher seinerseits in das Schlafzimmer schaute, wo ein kleiner Tisch mit zwei Gedecken bereit stand. Nanon empfahl Francinette die Fleischspeisen warm zu halten, schloß traurig die Thüre und kehrte an ihr Fenster zurück, das ihr, so viel man bei der ersten Dunkelheit sehen konnte, eine leere Straße zeigte.

      Ein zweiter Schlag, ein Schlag besonderer Art, erscholl an der Hinterthüre und Nanon rief: »Er ist es!« Aber befürchtend, er könnte es abermals nicht sein, blieb sie unbeweglich mitten im Zimmer stehen. Einen Augenblick nachher öffnete sich die Thüre, und Mademoiselle Francinette erschien, mit bestürzter Miene, stumm und das Billet in der Hand haltend, auf der Schwelle. Die junge Frau erblickte das Papier, lief auf die Zofe zu, entriß ihr dasselbe, öffnete es und las mit der größten Angst.

      Nanon war wie vom Blitze getroffen, Sie liebte Canolles in hohem Maße, aber bei ihr war der Ehrgeiz ein Gefühl, das der Liebe gleich kam, und wenn sie den Herzog verlor, verlor sie nicht nur ihr zukünftiges Glück sondern vielleicht auch Alles, was ihr das frühere Glück gebracht hatte. Doch es war eine Frau von Kopf; sie fing damit an, daß sie die Kerze auslöschte, welche ihren Schatten hätte zeigen können, und lief an das Fenster. Es war die höchste Zeit. Vier Männer näherten sich dem Hause, von dem sie nur noch etwa zwanzig Schritte entfernt waren. Der Mann mit dem Mantel ging voraus und in dem Mann mit dem Mantel erkannte Nanon ganz genau den Herzog. In diesem Augenblick trat Mademoiselle Francinette ein Licht in der Hand, ein. Nanon warf einen Blick der Verzweiflung auf den Tisch, auf die zwei Gedecke, auf die zwei Fauteuils, auf die zwei gestickten Kopfkissen, welche ihre freche Weiße auf dem carmoisinrothen Grund der Damastvorhänge ausbreiteten, auf das appetitliche Nachtnegligé endlich, das so gut mit allen diesen Vorbereitungen im Einklange stand.

      »-Ich bin verloren,« dachte sie.

      Aber beinahe in demselben Augenblicke kam diesem feinen Gedanke, und ein Lächeln umschwebte die Lippen von Nanon. Rasch wie der Blitz ergriff sie das für Canolles bestimmte einfache Kristallglas und warf es auf den Zufall in den Garten, zog aus einem Etui den goldenen Becher mit dem Wappen des Herzogs, legte neben den Teller sein Gedeck von Vermail, lief dann, zwar kalt vor Schrecken, aber mit einem in Eile gebildeten Lächeln, die Stufen hinab und gelangte in dem Augenblick zur Thüre, wo ein ernster, feierlicher Schlag daran ertönte.

      Francinette wollte öffnen, aber Nanon ergriff sie beim Arme, stieß sie auf die Seite und sagte mit dem raschen Blicke, welcher bei ertappten Frauen den Gedanken so gut ersetzt:

      »Es ist der Herr Herzog, den ich erwarte, und nicht Herr von Canolles.«

      Dann zog sie selbst die Riegel zurück und warf sich dem Manne mit der weißen Feder, der eines seiner wildesten Gesichter bereit hielt, um den Hals.

      »Ah!« rief Nanon, »mein Traum hat mich also nicht getäuscht. Kommt, mein lieber Herzog, Ihr sollt bedient werden, wir speisen sogleich zu Nacht.«

      Epernon war ganz verblüfft; da jedoch die Liebkosung einer hübschen

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