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ein Lichtstrahl in diesen tiefen Abgrund, den man ein Frauenherz nennt, und der noch tiefer ist, wenn er das Herz einer Königin ist?«

      Und als Philipp diese zwei Namen genugsam in seinem Geiste hin- und hergeworfen hatte, erblickte er am Ende des Tisches die Herren von Coigny und Vaudreuil, die durch eine seltsame Laune des Zufalls, die Augen auf einen andern Punkt gerichtet, als den, wo sich die Königin befand, sorglos, um nicht zu sagen vergeßlich, neben einander saßen.

      Philipp sagte sich, diese zwei Menschen können unmöglich geliebt haben und so ruhig sein, geliebt worden sein und so vergessen haben. Oh! wenn die Königin ihn liebte, er würde vor Glück wahnsinnig werden; wenn sie ihn vergäße, nachdem sie ihn geliebt, er würde sich vor Verzweiflung tödten.

      Von den Herren von Coigny und Vaudreuil ging er zur Königin Marie Antoinette über.

      Und beständig träumend befragte er diese so reine Stirne, diesen so gebieterischen Mund, diesen so majestätischen Blick; er verlangte von allen Schönheiten dieses Weibes die Enthüllung des Geheimnisses der Königin.

      »Oh! nein! Verläumdungen, nichts als Verläumdungen können alle diese schwankenden Gerüchte sein, die beim Volk in Umlauf zu kommen anfangen, und denen die Interessen, die Gehässigkeiten oder die Intriguen des Hofes allein ihre Haltbarkeit verleihen.«

      Philipp war so weit in seinen Betrachtungen gekommen, als es drei Viertel auf acht Uhr im Saale der Garden schlug.

      In diesem Saale erschollen hastige Schritte. Die Gewehrkolben stießen auf die Platten. Ein Geräusch von Stimmen erregte, durch die ein wenig geöffnete Thüre eindringend, die Aufmerksamkeit des Königs, der, um besser zu hören, den Kopf zurückwarf und dann der Königin ein Zeichen machte.

      Diese begriff die Andeutung und hob die Sitzung sogleich auf.

      Jeder Spieler raffte, was er vor sich hatte, zusammen, und wartete, um einen Entschluß zu fassen, bis die Königin den ihrigen errathen ließ.

      Die Königin ging in den großen Empfangsaal.

      Der König war vor ihr dahin gekommen.

      Ein Adjutant des Marineministers, Herr von Castries, näherte sich dem König und sagte ihm ein paar Worte in's Ohr.

      »Gut,« erwiderte der König, »gehen Sie.«

      Dann fügte er gegen die Königin gewendet bei:

      »Alles geht gut.«

      Jeder befragte seinen Nachbar mit dem Blick, denn das »Alles geht gut« gab den sämmtlichen Anwesenden viel zu denken.

      Plötzlich trat der Marschall von Castries in den Saal und sprach laut:

      »Geruht Seine Majestät den Herrn Bailli von Suffren, der von Toulon ankommt, zu empfangen?«

      Bei diesem mit lauter, triumphirender, freudiger Stimme ausgesprochenen Namen entstand ein unaussprechlicher Tumult in der Versammlung.

      »Ja, mein Herr, mit großem Vergnügen,« antwortete der König.

      Herr von Castries ging hinaus.

      Es fand beinahe eine Massenbewegung gegen die Thüre statt, durch welche Herr von Castries verschwunden war.

      Um die Sympathie Frankreichs für Herrn von Suffren zu erklären, um das Interesse begreiflich zu machen, das ein König, eine Königin, Prinzen von königlichem Geblüt in den Genuß der Erstlinge eines Blickes von Herrn von Suffren setzten, werden wenige Worte genügen. Suffren ist ein eigentlich französischer Name, wie Turenne, wie Catinat, wie Jean Bart.

      Seit dem Kriege mit England, ober vielmehr seit der letzten Periode der Kämpfe, die dem Frieden vorhergegangen waren, hatte der Herr Commandant von Suffren sieben große Seeschlachten geliefert, ohne eine Niederlage zu erleiden; er hatte Trinquemale und Gondelour genommen, die französischen Besitzungen gesichert, das Meer gesäubert und den Nabob Hander Ali gelehrt, daß Frankreich die erste Macht Europa's sei. Er hatte mit der Ausübung des Seemannsgewerbes die ganze Diplomatie eines feinen und redlichen Unterhändlers, die ganze Tapferkeit und die ganze Tactik eines Soldaten, die ganze Routine eines Administrators zu vermählen gewußt. Kühn, unermüdlich, stolz, wenn es sich um die Ehre der französischen Flagge handelte, hatte er zu Wasser und zu Land die Engländer dergestalt ermüdet, daß diese hoffärtigen Seeleute es nie wagten, einen begonnenen Sieg zu vollenden, oder einen Angriff auf Suffren zu versuchen, wenn der Löwe seine Zähne zeigte.

      Dann, nach dem Treffen, in dem er sein Leben mit der Sorglosigkeit des letzten Matrosen preisgegeben, hatte man ihn menschlich, großmüthig, mitleidig gesehen; das seit Jean Bart und Duguay-Trouin ein wenig in Vergessenheit gerathene Urbild eines ächten Seemanns war es, was Frankreich im Bailli von Suffren wieder fand.

      Wir wollen es nicht versuchen, die geräuschvolle Begeisterung zu schildern, welche seine Ankunft unter den zu dieser Gesellschaft in Versailles zusammenberufenen Edelleuten hervorrief.

      Suffren war ein Mann von sechsundfünfzig Jahren, stark, kurz, mit feurigem Auge und leichter, edler Geberde. Behend trotz seiner Beleibtheit, majestätisch trotz seiner Geschwindigkeit, trug er stolz seine Frisur oder vielmehr seine Mähne; wie ein Mensch, der gewohnt ist, aller Schwierigkeiten zu spotten, hatte er das Mittel gefunden, sich in seiner Postchaise ankleiden und frisiren zu lassen.

      Er trug einen blauen, goldgestickten Rock, eine rothe Weste, blaue Beinkleider, und hatte den militärischen Kragen beibehalten, auf dem sich sein mächtiges Kinn wie die notwendige Ergänzung seines kolossalen Kopfes rundete.

      Als er in den Saal der Garden eintrat, sagte Jemand ein Wort zu Herrn von Castries, der ungeduldig auf- und abging, und alsbald rief dieser:

      »Herr von Suffren, meine Herren!«

      Sogleich sprangen die Garden nach ihren Mousquetons und stellten sich von selbst in Linie auf, als hätte es sich um den König von Frankreich gehandelt, und sobald der Bailli vorüber war, formirten sie sich in guter Ordnung zu vier und vier, gleichsam um ihm als Geleite zu dienen.

      Er drückte Herrn von Castries die Hand und suchte ihn zu umarmen; doch der Marineminister schob ihn sanft zurück und sprach:

      »Nein, mein Herr, nein, ich will des Glücks, Sie zuerst zu umarmen, den Mann, der dessen würdiger ist, als ich, nicht berauben.«

      Und auf diese Art fühlte er Herrn von Suffren bis zu Ludwig XVI.

      »Herr Bailli,« rief der König ganz strahlend, sobald er ihn erblickte, »seien Sie in Versailles willkommen. Sie bringen dahin den Ruhm, Sie bringen Alles, was die Helden ihren Zeitgenossen auf Erden geben. Ich spreche nicht von der Zukunft, das ist Ihr Eigenthum. Umarmen Sie mich, Herr Bailli.«

      Herr von Suffren hatte das Knie gebeugt, der König hob ihn auf und umarmte ihn so herzlich, daß ein langes Beben der Freude und des Triumphes die ganze Versammlung durchlief.

      Ohne die dem König schuldige Achtung würden alle Anwesenden in Bravos und Beifallsrufe ausgebrochen sein.

      Der König wandte sich gegen die Königin und sprach:

      »Madame, das ist Herr von Suffren, der Sieger von Trinquemale und Gondelour, der Schrecken unserer Nachbarn, der Engländer, mein Jean Bart.«

      »Mein Herr,« sagte die Königin, »ich habe Ihnen kein Lob zu spenden. Erfahren Sie nur, daß Sie keinen Kanonenschuß für den Ruhm Frankreichs gethan haben, ohne daß mein Herz vor Bewunderung und Dankbarkeit für Sie geschlagen.«

      Die Königin hatte kaum geendigt, als der Graf von Artois mit seinem Sohne, dem Herzog von Angoulême, sich näherte und zu diesem sagte:

      »Mein Sohn, Du siehst einen Helden. Schau ihn wohl an, das ist etwas Seltenes.«

      »Monseigneur,« antwortete der junge Prinz seinem Vater, »kürzlich las ich die großen Männer von Plutarch, aber ich sah sie nicht. Ich danke Ihnen, daß Sie mir Herrn von Suffren gezeigt haben.«

      Es erhob sich ein Gemurmel um den Prinzen. Der Knabe konnte wahrnehmen, daß er ein Wort gesagt hatte, das bleiben würde.

      Der König nahm Herrn von Suffren nun beim Arm und schickte sich an, ihn in sein Cabinet zu nehmen, um mit ihm über seine Reise und seine Expedition zu sprechen.

      Herr

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