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Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Als Tante Angélique, die unendlich eifrig sich bei einer Erziehung benahm, von der man glaubte, sie koste sie so große Opfer, Pitou um Mittag zurückkommen sah, fragte sie ihn, was er gelernt habe. Pitou antwortete, er habe schweigen gelernt. Die Antwort wäre eines Pythagoräers würdig gewesen. Nur hätte sie ein Pythagoräer durch Zeichen gegeben.
Der neue Schüler kehrte um ein Uhr ohne zu großen Widerwillen in die Klasse zurück. Die Morgenklasse war von den Schülern zur Prüfung des Äußeren von Pitou angewendet worden; die Abendklasse wurde vom Professor zur Prüfung des Innern angewendet. Als das Examen vorüber war, blieb der Abbé Fortier überzeugt, Pitou habe alle möglichen Anlagen, um ein Robinson Crusoe zu werden, aber sehr geringe Aussichten, dereinst ein Fontenelle oder ein Bossuet zu sein.
Während der ganzen Dauer dieser Klasse, die für den zukünftigen Seminaristen noch viel ermüdender war, als die am Morgen, wiesen ihm die seinetwegen bestraften Schüler zu wiederholtem Malen die Faust. In allen Ländern, zivilsierten oder nicht zivilisierten, gilt diese Demonstration als ein Zeichen der Drohung. Pitou war also auf seiner Hut.
Unser Held hatte sich nicht getäuscht: als er wegging oder vielmehr, sobald man außerhalb der Zubehör des Schulhauses war, wurde Pitou durch die sechs Schüler, die zur Strafe hatten zurückbleiben müssen, bedeutet, er habe ihnen die zwei Stunden Gefangenschaft mit Kosten, Zinsen und Kapital zu bezahlen.
Pitou begriff, es handle sich um einen Zweikampf auf die Fäuste. Er erklärte also, er sei bereit sich in einen Kampf mit demjenigen von seinen Gegnern einzulassen, welcher beginnen wolle, und hintereinander seinen sechs Feinden standzuhalten. Durch diese Erklärung erwarb sich der neue Schüler schon ein ziemlich großes Ansehen.
Die Bedingungen wurden festgestellt, wie sie Pitou vorgeschlagen. Es bildete sich ein Kreis um den Kampfplatz, und die Streiter rückten, nachdem sie, der eine sein Wams, der andre seinen Rock abgelegt hatten, gegeneinander an.
Wir haben von den Händen von Pitou gesprochen. Diese Hände, die nicht angenehm anzusehen waren, waren noch minder angenehm zu fühlen. Pitou ließ am Ende jedes Armes eine Faust so groß wie ein Kindskopf baumeln, und obgleich das Boxen in Frankreich noch nicht eingeführt war und folglich Pitou kein Elementarprinzip von dieser Kunst erhalten hatte, gelang es ihm doch, seinem ersten Gegner einen so hermetisch angepaßten Faustschlag auf das Auge zu geben, daß es sich auf der Stelle mit einem schwarzen Kreise umzog.
Der zweite trat vor. Hatte Pitou gegen sich die Anstrengung eines zweiten Kampfes, so war sein Gegner seinerseits sichtbar minder stark, als der erste. Der Kampf dauerte daher nicht lange. Die furchtbare Faust senkte sich auf die Nase, und die zwei Nasenlöcher zeugten sogleich für die Gültigkeit des Schlages, indem sie einen doppelten Blutbach entströmen ließen.
Der dritte kam mit einem zerbrochenen Zahn davon; dieser war am wenigsten von allen beschädigt. Die andern erklärten sich für befriedigt.
Pitou durchschritt die Menge, die sich vor ihm mit der einem Triumphator schuldigen Achtung öffnete, und zog sich gesund und wohlbehalten nach seinem Herde, d.h. nach dem seiner Tante, zurück.
Als am andern Morgen die drei besiegten Schüler ankamen, wurde eine Untersuchung vom Abbé Fortier angestellt. Doch die Schüler haben auch ihre gute Seite. Nicht einer von den Verstümmelten war schwatzhaft, und auf mittelbarem Wege, nämlich durch einen Zeugen des Streites, der der Schule völlig fremd, erfuhr der Abbé Fortier am andern Tag, Pitou habe auf den Gesichtern seiner Zöglinge den Schaden angerichtet, durch den am Tage vorher seine Besorgnis erregt worden war.
Der Abbé Fortier bürgte in der That den Eltern nicht nur für das Moralische, sondern auch für das Physische seiner Schüler. Der Abbé Fortier hatte eine dreifache Klage von den drei Familien erhalten. Eine Genugthuung war unerläßlich. Pitou mußte drei Tage zurückbleiben. Einen Tag für das Auge, einen andern Tag für die Nase, einen Tag für den Zahn. Diese drei Tage Schulstubenarrest gaben Mademoiselle Angélique eine geistreiche Idee ein, nämlich die, Pitou sein Mittagessen zu entziehen, so oft ihm der Abbé Fortier den Ausgang entziehen würde. Dieser Entschluß mußte notwendig zum Nutzen der Erziehung von Pitou ausfallen, weil er sich zweimal besinnen würde, ehe er Fehler beginge, die eine doppelte Strafe nach sich zögen.
Nur begriff Pitou nie recht, warum er Anzeiger genannt und warum er bestraft worden war, weil er diejenigen geschlagen, die ihn hatten schlagen wollen; doch wenn man alles in der Welt begriffe, so würde man dadurch einen von den Hauptreizen des Lebens, den des Geheimnisses und des Unvorhergesehenen, verlieren.
Pitou blieb seine drei Tage in der Schule zurück und begnügte sich während dieser drei Tage mit seinem Frühstück und seinem Nachtessen, war jedoch mit dieser Entbehrung nicht gerade zufrieden.
Die Strafe, die Pitou erstanden, ohne daß es ihm nur entfernt einfiel, den Angriff zu verraten, den er nur erwidert hatte, trug ihm indessen die allgemeine Achtung ein. Es ist nicht zu leugnen, die drei majestätischen Faustschläge, die man ihn hatte erteilen sehen, waren vielleicht von einigem Gewicht bei dieser Achtung.
Von diesem Tage an war das Leben von Pitou ungefähr das der andern Schüler, nur mit dem Unterschied, daß die andern Schüler die Wechselfälle der Komposition durchmachten, während Pitou beharrlich unter den fünf bis sechs Letzten blieb, und beinahe immer eine Summe von Schulstubenarresten doppelt so groß, als die seiner Mitschüler, anhäufte.
Doch eines, was in der Natur von Pitou lag, was von der ersten Erziehung herrührte, die er erhalten, oder vielmehr nicht erhalten hatte, eines, was man wenigstens für ein drittel bei seinen zahlreichen Schulstubenarresten rechnen mußte, war seine Neigung für die Tiere.
Die erwähnte Truhe, die seine Tante Angélique mit dem Namen Pult geschmückt hatte, war infolge ihres Umfangs und der zahlreichen Fächer, mit denen Pitou ihr Inneres bereicherte, eine Art von Arche Noah geworden, welche alle Arten von kletternden, kriechenden und fliegenden Tieren enthielt. Es fanden sich darin Schlangen, Eidechsen, Ameisenlöwen, Käfer und Frösche, welche Tiere Pitou um so teurer wurden, als er ihretwegen, mehr oder minder harte Strafen zu erdulden hatte.
Bei seinen Spaziergängen in der Woche sammelte Pitou für seine Menagerie. Er hatte sich Salamander gewünscht, die in Villers-Cotterets als das Wappen von Franz I., das dieser an allen Kaminen hatte anbringen lassen, sehr populär sind: es war ihm gelungen, sich solche zu verschaffen. Ein Umstand nahm ihn hierbei sehr in Anspruch, und er setzte dies am Ende unter die Zahl der Dinge, die seinen Verstand überstiegen: er hatte nämlich diese Reptile immer im Wasser gefunden, von denen die Dichter behaupteten, sie leben im Feuer. Dieser Umstand erregte in Pitou, der ein genauer Geist war, eine tiefe Verachtung gegen die Dichter.
Als Pitou Eigentümer von zwei Salamandern war, suchte er das Chamäleon auf. Doch diesmal waren alle seine Forschungen vergeblich, und kein Resultat krönte seine Bemühung. Pitou schloß am Ende aus diesen fruchtlosen Versuchen, das Chamäleon existiere nicht, oder es existiere wenigstens unter einer andern Breite.
Die zwei andern drittel der Arreste von Pitou rührten von den verdammten Solécismen und den verfluchten Barbarismen her, die in den Aufgaben von Pitou wuchsen, wie die Trespe in den Kornfeldern wächst.
Was die Donnerstage und Sonntage betrifft, an denen er frei hatte, so wurden sie auf den Tränkherd und die Wilderei verwendet; nur, da Pitou immer mehr wuchs und sechszehn Jahre zählte, kam ein Umstand hinzu, der Pitou ein wenig von seinen Lieblingsbeschäftigungen ablenkte.
An dem Wege nach der Wolfsheide lag das Dorf Pisseleu. In diesem Dorf war der Pachthof des Vaters Billot, und auf der Schwelle dieses Pachthofs stand beinahe jedes Mal, wenn Pitou daran vorbeiging, ein hübsches, frisches, lebendiges heiteres Mädchen, das man nach seinem Taufnamen Katherine, viel öfter aber noch nach dem Namen ihres Vaters, die Billotte nannte.
Pitou fing damit an, daß er die Billotte grüße. Allmählig faßte er sich sodann ein Herz und grüßte sie lächelnd; dann an einem schönen Tag, nachdem er gegrüßt, nachdem er gelächelt hatte, blieb er stehen und wagte errötend die Worte, die er als eine große Kühnheit betrachtete:
»Guten Morgen, Mademoiselle Katharine.«
Katharine war ein gutes Mädchen, sie empfing Pitou als einen alten Bekannten. Es war in der That ein alter Bekannter, denn