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andern Tag verließ der Doktor Villers-Cotterets, nachdem er einige Rechnungen mit seinem Pächter geordnet hatte. Und Mademoiselle Pitou, die wie ein Geier über die genannten, zum voraus zahlbaren zweihundert Livres herfiel, schloß acht schöne Louisd'or in ihren Lehnstuhl ein.

      Was die übrig bleibenden acht Livres betrifft, so warteten sie in einer kleinen Unterschale von Porzellan, die seit dreißig bis vierzig Jahren eine Menge Münzen von allen möglichen Sorten hatte durchziehen sehen, bis die Ernte von einigen Sonntagen die Summe von vierundzwanzig Livres vervollständigte, eine Zahl, bei der immer die genannte Summe eine Verwandlung in Gold durchmachte und von der Schale in den Lehnstuhl überging.

       III.

      Ange Pitou bei seiner Tante

      Wir haben gesehen, wie wenig Sympathie Ange Pitou für einen zu langen Aufenthalt bei seiner guten Tante Angélique hegte; mit einem, dem der Tiere gleichen oder ihm vielleicht überlegenen Instinkte begabt, hatte der arme Knabe zum voraus erraten, was bei diesem Aufenthalt seiner harrte an Verdrießlichkeiten, Plackereien und Widerwärtigkeiten.

      Einmal, sobald der Doktor Gilbert abgereist – und das hatte Pitou nicht am meisten gegen seine Tante mißgestimmt – war nicht einen Augenblick mehr davon die Rede gewesen, das Kind in die Lehre zu bringen. Wohl hatte der Notar mit einem Worte die förmliche Uebereinkunft berührt; aber Mademoiselle Angélique antwortete, ihr Neffe sei noch zu jung und besonders von zu zarter Gesundheit, um Arbeiten unterworfen zu werden, die vielleicht seine Kräfte übersteigen würden. Bei dieser Bemerkung bewunderte der Notar das gute Herz von Mademoiselle Pitou und verschob die Lehre auf das nächste Jahr. Dabei war keine Zeit verloren, denn der Knabe hatte erst sein zwölftes Jahr erreicht.

      Sobald er bei seiner Tante war, und während sie darüber nachsann, wie sie den besten Nutzen aus ihrem Neffen ziehen könnte, hatte Pitou, der sich wieder in seinem Walde befand, auch schon alle seine topographischen Anordnungen getroffen, um in Villers-Cotterets dasselbe Leben zu führen, wie in Haramont. Denn eine Wanderung in der Runde hatte ihn in der That gelehrt, die besten Tränkherde wären die am Wege nach Dampleux, am Wege nach Compiègne und am Wege nach Vivieres, und der wildreichste Bezirk sei der der Wolfsheide.

      Nachdem er diese Rekognoszierung vorgenommen, traf Pitou demgemäß seine Vorkehrungen.

      Das, was er sich am leichtesten verschaffen konnte, insofern es keine Anlage von Kapitalien erforderte, war der Leim und die Leimruten. Die Rinde der Stechpalme, mit einer Mörserkeule zermalmt und im heißen Wasser gewaschen, verschaffte den Leim; die Ruten aber wuchsen zu tausenden auf den Birken der Umgegend. Pitou verfertigte sich, ohne einem Menschen ein Wort davon zu sagen, ein tausend Leimruten und einen Topf Leim erster Qualität, und an einem schönen Morgen, nachdem er tags zuvor auf Rechnung seiner Tante einen vierpfündigen Laib Brot beim Bäcker genommen hatte, ging er in der Dämmerung weg, blieb den ganzen Tag auswärts und kehrte erst bei sinkender Nacht wieder zurück.

      Pitou hatte einen solchen Entschluß nicht gefaßt, ohne die Folgen davon zu berechnen. Er hatte einen Sturm vorhergesehen. Ohne die Weisheit von Sokrates zu besitzen, kannte er doch die Laune seiner Tante Angélique ebensogut, als der berühmte Lehrer von Alcibiades die seiner Frau Xantippe.

      Pitou hatte sich in seiner Vorhersehung nicht getäuscht, doch gedachte er dem Sturme dadurch die Stirne zu bieten, daß er der alten Frömmlerin den Ertrag seines Tagewerkes überreichen würde. Nur hatte er den Platz nicht erraten können, wo ihn der Blitzstrahl treffen würde.

      Der Blitzstrahl traf ihn bei seinem Eintritt.

      Mademoiselle Angélique hatte sich hinter der Thür in den Hinterhalt gelegt, um ihren Neffen beim Vorübergehen nicht zu verfehlen, so daß er in dem Augenblick, wo er den Fuß in die Stube setzte, einen Schlag an das Hinterhaupt erhielt, an dem er, ohne einer andern Belehrung zu bedürfen, vollkommen die dürre Hand der Betschwester erkannte.

      Zum Glück hatte Pitou einen harten Kopf, und obgleich ihn der Schlag kaum erschütterte, gab er sich doch, um seine Tante zu rühren – deren Zorn sich dadurch vermehrte, daß sie sich durch ein maßloses Schlagen an den Fingern sehr wehe gethan – den Anschein, als fiele er stolpernd an das andere Ende der Stube. Sobald er hier angelangt war und seine Tante, ihren Rock in der Hand, auf sich zukommen sah, zog er hastig aus seiner Tasche den Talisman, auf den er gerechnet hatte, um sich Verzeihung für sein Ausbleiben zu verschaffen.

      Das waren zwei Dutzend Vögel, worunter ein Dutzend Rotkehlchen und ein halbes Dutzend Drosseln.

      Mademoiselle Angélique riß ihre Augen ganz erstaunt auf und fuhr der Form wegen fort zu zanken; aber während sie schalt, bemächtigte sich ihre Hand des Jagdertrags ihres Neffen, sie machte drei Schritte gegen die Lampe und fragte:

      »Was ist das?«

      »Sie sehen es wohl, mein gutes Tantchen Angélique erwiderte Pitou, es sind Vögel.«

      »Gut zum essen?« sagte rasch die alte Mademoiselle, welche in ihrer Eigenschaft als Betschwester natürlich eßgierig war.

      »Gut zum essen!« wiederholte Pitou, »entschuldigen Sie; Rotkehlchen und Drosseln, ich glaube wohl.«

      »Und wo hast du diese Tiere gestohlen, kleiner Unglücklicher?«

      »Ich habe sie nicht gestohlen, ich habe sie gefangen.«

      Wie?«

      »Am Tränkherd.«

      »Was ist das, ein Tränkherd?«

      Pitou schaute Tante mit erstaunter Miene an; er konnte nicht begreifen, daß es in der Welt eine Person gebe, die in ihrer Erziehung vernachlässigt genug sei, um nicht zu wissen, was der Tränkherd bedeute.

      »Der Tränkherd?« erwiderte er. »Bei Gott! das ist der Tränkherd.«

      »Ja, kleiner Schlingel, aber ich weiß nicht, was das ist.«

      Da Pitou voll Mitleid gegen alle Unwissenheiten war, so antwortete er:

      »Der Tränkherd ist eine kleine Lache, es finden sich solche ungefähr dreißig im Wald; man legt Leimruten rings umher, und wenn die Vögel, die das nicht kennen, die Dummköpfe, kommen, um zu trinken, so fangen sie sich.«

      »Woran?«

      »Am Leim.«

      »Ah! ah!« sagte die Tante Angélique, »ich begreife; doch wer hat dir Geld gegeben?«

      »Geld?« erwiderte Pitou, erstaunt, daß man glauben konnte, er habe je einen Pfennig besessen; »niemand.«

      »Mit was hast du denn den Leim gekauft?«

      »Ich habe den Leim selbst gemacht.«

      »Und die Leimruten?«

      »Auch.«

      »Diese Vögel kosten dich also nichts?«

      »Die Mühe, mich zu bücken und sie zu nehmen.«

      »Und kann man oft an den Tränkherd gehen?«

      »Man kann alle Tage dahin gehen, nur muß man nicht . . .«

      »Was muß man nicht?«

      »Alle Tage dahin gehen.«

      »Aus welchem Grunde?«

      »Weil das ruiniert.«

      »Was ruiniert das?«

      »Den Tränkherd. Sie begreifen, Tante Angélique, die Vögel, die man gefangen hat  . . .«

      »Nun?«

      »Sie sind nicht mehr da.«

      »Das ist richtig, erwiderte die Tante.«

      Zum ersten Mal, seitdem er sich in ihrem Hause befand, gab die Tante Angélique ihrem Neffen recht; diese ungewohnte Billigung entzückte auch Pitou.

      »Doch,« sagte er, »an den Tagen, wo man nicht an den Tränkherd geht, geht man anderswo hin. An den Tagen, wo man keine Vögel fängt, fängt man etwas anderes.«

      »Und was fängt man denn?«

      Man fängt Kaninchen.«

      »Kaninchen?«

      »Ja,

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