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Ein Kichern erhob sich als Antwort unter den jüngeren Zuschauern, wurde aber sofort erstickt durch großmüthigen Applaus. Die Temperatur des Hauses erhob sich zur Wärme des Blutes, allein der volksthümliche Geschmack für Gewähren lassen war noch nicht aus ihm herausgetrieben.

      Mitten in dieser Kundgebung trat Magdalene ganz ruhig zum ersten Male als »Julie« auf. Sie war sehr einfach in dunkle Farben gekleidet und trug ihr eigenes Haar; alle Bühnenkniffe und Kunstmittel (ausgenommen jedoch rothe Schminke, von der sie jetzt nicht ein Tüpfelchen auf den Wagen duldete) wurden in Bereitschaft gehalten, um sie desto wirksamer in ihrer zweiten Rolle zu verkleiden. Die Einfachheit und Schönheit ihres Costüms, die sichere Selbstbeherrschung mit der sie über die dichten Reihen von Angesichtern vor ihr hinsah, rief ein leises erwartungsvolles Beifallsgemurmel hervor. Sie trug – nachdem sie ein augenblickliches Zittern überwunden hatte, ihre Worte mit einer ruhigen Deutlichkeit der Aussprache vor, welche für jedes Ohr verständlich war, und welche zugleich den günstigen Eindruck befestigte, den ihre Erscheinung hervorgerufen hatte. Die einzige Seele im Publicum, die mit Kälte auf sie sah und lauschte, war ihre ältere Schwester. – Ehe noch die Schauspielerin des Abends fünf Minuten auf der Bühne war, entdeckte Nora zu ihrem unbeschreiblichen Erstaunen, daß Magdalene die schwächliche Milde des Charakters der Julie mit einem kühnen Griffe individualisiert hatte, indem sie sich dazu keine geringere Person, als – sie selbst zum Muster genommen hatte, um ihre Rolle darnach zu gestalten. Sie sah alle ihre persönlichen äußerlichen Eigenheiten in Bewegung und Haltung ohne Scheu nachgeahmt und sogar von Zeit zu Zeit den Ton ihrer Stimme so genau copirt daß die Worte sie erschreckten, als hätte sie selbst gesprochen und hätte ein Echo auf der Bühne. Die Wirkung dieser rücksichtslosen Aneignung von Noras Persönlichkeit zu theatralischen Zwecken, äußerte sich beim Publikum, das natürlich nur die Erfolge sah, in einem Beifallssturme, als Magdalene abtrat. Sie hatte ganz unbestreitbar zwei Triumphe gleich in ihrer ersten Scene. Durch einen geschickten Staatsstreich der Mimik hatte sie aus einem der albernsten Charaktere im englischen Drama eine lebensvolle Gestaltung gemacht und hatte ein Publicum von zweihundert armen Menschen zu Begeisterung erhoben, welche verurtheilt waren, der Segnungen der Ventilation zu entbehren und Alle in ihrer eigenen animalischen Wärme zu verbraten. Wo ist eine Schauspielerin von Beruf, welche viel mehr zu leisten im Stande gewesen wäre – unter solchen Umständen?

      Aber das Ereigniß des Abends sollte erst noch kommen. Magdalenens Wiedererscheinen in Verkleidung am Ende des Actes in der Rolle der »Lucie«, Haar und Augenbrauen falsch, mit frisch rothem Gesicht und Schönheitspflästerchen auf den Wangen, mit den heitersten Farben in ihrer Kleidung und der kecksten Lebendigkeit in Stimme und Gebärden… machte das Publikum richtig stutzig. Man sah auf die Programme, auf denen die Darstellerin der Lucie unter einem angenommenen Namen aufgeführt war, sah wieder auf die Bühne, durchschaute endlich die Verkleidung und machte nun seinem Erstaunen in einer neuen Salve von Applaus Luft, lauter und herzlicher als die erste. Nora selbst konnte dies Mal nicht leugnen, daß der Tribut des Beifalls ein wohlverdienter war. Hier lag ein seltenes Talent für dramatische Gestaltung vor, das sich fest seinen Weg bahnte durch all seine Versehen aus Mangel an Bühnenerfahrung, das sich in jedem Blick und jeder Bewegung dieses Mädchens von achtzehn Jahren, das die Bretter zum ersten Male in seinem Leben betrat, klar und offenkundig für den blödesten Zuschauer aussprach. Wenn sie sich auch in manchen kleinen Erfordernissen ihrer Doppelaufgabe, die sie übernommen, vergriff, so hatte sie doch in der Hauptsache das Rechte getroffen, der Geltendmachung der scharfen Unterschiede beider Charaktere. Jedermann fühlte, daß hierin die Schwierigkeit lag, Jedermann sah, daß die Schwierigkeit überwunden war, Jedermann stimmte nun auch ein in den Enthusiasmus des Regisseurs in der Probe, der sie als geborene Schauspielerin begrüßt hatte.

      Als die Zwischencourtine zum ersten Male fiel, hatte Magdalene das ganze Interesses und die Zugkraft des Stückes in ihrer Person vereinigt. Das Publikum applaudierte aus Höflichkeit Miss Marrable, wie es sich für die Gäste geziemte, die in ihres Vaters Hause versammelt waren, und ermunterte mit Humor die übrigen Mitglieder der Gesellschaft, um ihnen über eine Aufgabe hinwegzuhelfen, welcher sie allzumal offenbar mehr oder weniger nicht gewachsen waren. Aber wie das Stück vorrückte, konnte Nichts mehr die Zuschauer zu einem aufrichtigen, selbständigen Zeichen von Theilnahme veranlassen, als Magdalene nicht mehr auf den Brettern war. Das ließ sich nicht verhehlen. Miss Marrable und ihre Busenfreunde waren alle insgesamt von diesem angeworbenen Neuling, den sie erst inständig aufgefordert hatten ihnen zu helfen, in den Schatten gestellt, herabgedrückt zu der Rolle als verlorene Posten! Und Dies an Miss Marrables eigenem Geburtstage! Und Dies in ihres Vaters Hause! All dem häuslichen Mißgeschick, welche die undankbare Theaterunternehmung über die Familie Marrable verhängt hatte, ward nunmehr die Krone aufgesetzt durch Magdalenens sieghaften Erfolg.

      Mr. Vanstone und Nora am Schlusse des Stückes unter den Gästen im Speisesaale lassend, ging Miss Garth hinter die Scene, scheinbar als ob sie nachsehen wolle, sich irgendwie nützlich zu machen, in Wahrheit aber forschend, ob sich Magdalene durch die Triumphe des Abends nicht etwa habe den Kopf verdrehen lassen. Es würde Miss Garth nicht überrascht haben, wenn sie ihren Schützling dabei getroffen hätte, wie sie mit dem Regisseur wegen ihres demnächstigen Auftretens auf einem öffentlichen Theater unterhandelte. Wie es sich aber in Wahrheit verhielt, fand sie Magdalenen auf der Bühne, indem sie mit einem anmuthigen Lächeln eine Karte entgegennahm, welche ihr der Regisseur mit einer schulgerechten Verbeugung überreichte. Als der kleine Herr Miss Garths stumm fragenden Blick bemerkte, beeilte sich derselbe zu erklären, daß diese Karte seine eigene wäre und daß er nur um die Vergünstigung gebeten, sich Miss Vanstones Empfehlung für künftige Gelegenheiten versichert halten zu dürfen.

      – Es ist nicht das letzte Mal, daß die junge Dame bei Liebhabertheatern betheiligt sein wird, darüber bin ich vollkommen mit mir im Klaren – sagte der Regisseur. Und wenn ein Ordner bei nächster Gelegenheit gebraucht wird, so hat sie mir freundlich versprochen, ein gutes Wort für mich einzulegen. Ich kann allezeit unter dieser Adresse aufgefunden werden, Miss.

      Indem er dies gesagt, verneigte er sich abermals und entfernte sich bescheiden.

      Unbestimmter Verdacht hatte sich aber einmal in Miss Garth festgesetzt, und sie fühlte sich gedrungen, einen Blick auf die Karte zu werfen. Es ging aber kein harmloseres Stück Kartenpapier aus einer Hand in die andere. Die Karte enthielt nur den Namen des Regisseurs und unter demselben Namen und Adresse eines Londoner Theateragenten.

      – Verlohnt sich nicht des Aufhebens, sagte Miss Garth.

      Magdalene erfaßte aber ihre Hand, bevor sie die Karte wegwerfen konnte, bemächtigte sich ihrer im nächsten Augenblicke und steckte sie in die Tasche.

      – Ich habe ihm versprochen, ihn zu empfehlen, sagte sie, und Das ist ein Grund, die Karte aufzubewahren. Wenn es auch zu weiter nichts ist, so wird sie mich an den glücklichsten Abend meines Lebens erinneren, und Das ist ein zweiter. Kommen Sie —, rief sie, indem sie mit fieberhafter Fröhlichkeit ihre Arme um Miss Garth schlang, – wünschen Sie mir Glück zu meinem Erfolge!

      – Ich will Ihnen Glück wünschen, wenn Sie ihn erst wieder verwunden haben, sagte Miss Garth. —

      In einer halben Stunde hatte Magdalene ihre Kleidung gewechselt, hatte sich zu den Gästen gesellt und war nun von einer Atmosphäre von Gratulationen empor getragen worden, hoch und unerreichbar für den überwachenden Einfluß, den Miss Garth ausüben konnte. Frank, säumig in allen seinen Handlungen, war auch der Letzte der darstellenden Gesellschaft, welcher das Bereich der Bühne verließ. Er machte keinen Versuch, Magdalenen in dem Speisesaale nahe zu kommen, aber er war in der Halle mit ihrem Mantel bereit, als die Wagen befohlen wurden und die Gesellschaft aufbrach.

      – Ach, Frank? sagte sie, indem sie sich nach ihm umsah, als er ihr den Mantel umhing; – ich bin so betrübt, daß Alles vorüber ist! Komm morgen früh und laß uns mit einander reden.

      – In den Buschanlagen um Zehn? – fragte Frank flüsternd.

      Sie zog die Kapuze ihres Mantels empor und nickte ihm fröhlich zu. Miss Garth, welche daneben stand, bemerkte die zwischen beiden gewechselten Blicke, obschon das Stimmengewirr der Abschied nehmenden Gäste sie verhinderte, die Worte zu verstehen. Es war eine sanfte, unleugbare Zärtlichkeit in Magdalenens angenommener Fröhlichkeit der Haltung, eine zutrauliche Bereitwilligkeit der Hand, als sie Franks Arm nahm

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