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der Thür – stundenlang – ich weiß nicht, wie lange. Plötzlich hörte die Feder zu kratzen auf und ich vernahm nichts mehr. Ich flüsterte leise durch das Schlüsselloch; ich sagte, es friere mich und ich sei müde vom langen Warten; ich sagte: Liebes Herz, laß mich ein! doch selbst die grausame Feder antwortete mir jetzt nicht mehr, es herrschte Todtenstille Ich schlug mit der ganzen Kraft meiner schwachen Hände an die Thür Die Diener kamen und. erbrachen dieselbe. Wir kamen zu spät, das Unglück war geschehen. Bei jenem unglückseligen Briefe hatte der Schlag ihn getroffen, bei jenem unglückseligen Briefe fanden wir ihn gelähmt, wie Sie ihn jetzt sehen. Die Worte, die er Ihnen jetzt zu dictiren wünscht, sind jene Worte, die er selbst würde geschrieben haben, falls der Schlag ihn bis zum Morgen verschont hätte. In jenem Augenblicke ist eine Stelle in dem Briefe leer geblieben, und diese leere Stelle bittet er Sie für ihn auszufüllen.« Dies waren Mrs. Armadale’s eigene Worte und in diesen Worten haben Sie die ganze Erklärung und Auskunft, die ich Ihnen zu geben vermag. Sagen Sie mir, Sie, wenn Sie die Güte haben wollen, ob ich diesmal dem Faden meiner Erzählung gefolgt bin? Habe ich Ihnen die Nothwendigkeit gezeigt, die mich von dem Sterbelager Ihres Landsmannes zu Ihnen führte?«

      »Bis hierher«, sagte Mr. Neal, »zeigen Sie mir blos, daß Sie sich der Aufregung hingeben. Es ist dies eine zu ernste Sache, als daß man dieselbe behandeln dürfte, wie Sie sie in diesem Augenblicke behandeln. Sie haben mich in die Sache hineingezogen und ich bestehe darauf, meinen Weg klar vor mir zu sehen. Erheben Sie nicht die Hände; Ihre Hände gehören nicht zur Sache. Falls ich mich an der Beendigung dieses geheimnißvollen Briefes betheiligen soll, so ist es nicht mehr als eine gerechtfertigte Vorsicht, wenn ich frage, warum es sich in dem Briefe handelt. Mrs. Armadale scheint Sie, vermuthlich in Erwiderung der höflichen Aufmerksamkeit, mit der Sie ihre Hand in die Ihrige nahmen, mit einer Menge häuslicher Einzelheiten bekannt gemacht zu haben. Darf ich fragen, was sie Ihnen über den Brief ihres Gatten, soweit dieser denselben geschrieben, mitzutheilen wußte?«

      »Mrs. Armadale konnte mir darüber nichts mittheilen«, erwiderte der Arzt mit einer plötzlichen Förmlichkeit, welche verrieth, daß ihm die Geduld zu reißen anfange. »Ehe sie sich hinlänglich zu fassen vermochte, um an den Brief zu denken, hatte ihr Gatte denselben gefordert und in sein Schreibpult einschließen lassen. Sie weiß, daß er seitdem einmal über das andere denselben zu beenden versucht hat, daß ihm aber jedes mal seine Finger den Dienst versagten. Sie weiß, daß seine ärztlichen Rathgeber, als jede andere Hoffnung auf Heilung entschwunden, ihm auf die Wirkung des vortrefflichen Brunnens von Wildbad zu hoffen empfahlen Und schließlich weiß sie, welches Ende diese Hoffnung genommen hat, denn sie weiß, was ich heute Morgen ihrem Gatten angekündigt habe«

      Das düstere Stirnrunzeln, das sich allmälig auf Mr. Neal’s Gesicht gelagert, war immer finsterer geworden. Er sah den Doctor an, als hätte dieser ihm eine persönliche Beleidigung angethan.

      »Je mehr ich mir das, was Sie von mir fordern, überlege, je weniger gefällt mir dasselbe«, sagte er. »Können Sie mit Bestimmtheit erklären, daß Mr. Armadale völlig bei Verstand ist?«

      »Ja, so bestimmt, wie ich dies mit Worten zu thun vermag.«

      »Billigt seine Gattin es, daß Sie mich um meinen Beistand ersuchen?«

      »Seine Gattin sendet mich zu Ihnen, dem einzigen Engländer in Wildbad, damit Sie für Ihren sterbenden Landsmann die Worte niederschreiben, die er selbst nicht zu schreiben im Stande ist und die außer Ihnen Niemand in diesem Orte zu schreiben fähig ist.«

      Diese Antwort trieb Mr. Neal aus den letzten Zoll Terrains zurück, den er noch behaupten konnte; doch selbst auf diesem Zoll bot der Schotte noch immer Widerstand.

      »Warten Sie einen Augenblick!« sagte er. »Sie drücken sich stark aus; lassen Sie uns untersuchen, ob Sie sich auch richtig ausdrücken. Lassen Sie uns ganz sicher sein, daß außer mir Niemand zur Hand ist, der die Verantwortlichkeit statt meiner zu übernehmen geeignet wäre. Es befindet sich erstens ein Bürgermeister in Wildbad, ein Mann, der eine officielle Stellung einnimmt, die eine solche Einmischung rechtfertigen würde.«

      »Ein Mann, wie man ihn unter tausenden kaum findet«, sagte der Doctor, »der nur einen Fehler besitzt – er kennt keine Sprache, außer seiner Muttersprache.«

      »Es befindet sich eine englische Legation in Stuttgart«, sagte Mr. NeaL.

      »Und es liegen viele Meilen dichten Waldes zwischen hier und Stuttgart«, entgegnete der Doctor. »Falls wir diesen Augenblick einen Boten nach Stuttgart abschickten, so könnten wir vor morgen keine Hilfe von der Legation erhalten, und es ist, der Art und Weise nach, in der der Sterbende gegenwärtig artikuliert, höchst wahrscheinlich, daß er morgen sprachlos ist. Ich weiß nicht, ob seine letzten Wünsche für sein Kind und Andere harmlos oder schädlich sind, aber ich weiß sehr wohl, daß dieselben entweder sofort oder nie werden erfüllt werden, und daß Sie der einzige Mensch sind, der ihm helfen kann.«

      Diese offene Erklärung machte der Erörterung ein Ende. Dieselbe stellte Mr. Neal zwischen die beiden Alternativem entweder Ja zu sagen und eine Unvorsichtigkeit zu begehen, oder Nein und sich einer Unmenschlichkeit schuldig zu machen. Es erfolgte ein Schweigen von einigen Minuten. Der Schotte überlegte ruhig, und der Deutsche beobachtete ihn ebenso ruhig.

      Die Verantwortlichkeit der Entscheidung ruhte jetzt aus Mr. Neal, und nach einer Weile übernahm er dieselbe. Er erhob sich von seinem Sessel, indem ein verdrießlicher Ausdruck des Beleidigtseins zwischen seinen struppigen Augenbrauen lag und sich scharf in den Linien um seinen Mund abzeichnete.

      »Meine Stellung wird mir aufgedrungen«, sagte er. »Es bleibt mir keine Wahl, als dieselbe anzunehmen.«

      Die empfängliche Natur des Doctors empörte sich gegen die unbarmherzige Kürze und Unfreundlichkeit dieser Erwiderung »Wollte Gott«, rief er mit Wärme aus, »ich verstünde Englisch genug, um Ihre Stelle an Mr. Armadale’s Bett einnehmen zu können!«

      Ausgenommen, daß Sie den Namen des Allmächtigen unnützlich führen«, entgegnete der Schotte, »theile ich ganz Ihre Ansicht. Ich wollte, es wäre, wie Sie wünschen.«

      Dann verließen sie, ohne ein Wort weiter zu verlieren, das Zimmer.

      Drittes Kapitel

      Als der Doctor mit seinem Begleiter vor der Thür des Vorzimmers zu Mr. Armadales Gemächern anlangte, blieb ihr Klopfen unbeantwortet Sie traten deshalb unangemeldet ein, und als sie in das Wohnzimmer hineinschauten, sahen sie, daß dasselbe leer sei.

      »Ich muß mit Mrs. Armadale sprechen«, sagte Mr. Neal. »Ich werde in dieser Sache nicht eher handeln, als bis Mrs. Armadale selbst mich zu der Einmischung autorisirt.«

      »Mrs. Armadale ist wahrscheinlich bei ihrem Gatten«, entgegnete der Doctor. Bei diesen Worten näherte er sich einer Thür am entgegengesetzten Ende des Zimmers, zögerte und sah, indem er sich wieder umwandte, ängstlich seinen verdrießlichen Begleiter an. »Ich fürchte, ich redete ein wenig barsch, Sir, als wir Ihr Zimmer verließen«, sagte er. »Ich bitte Sie deshalb von ganzem Herzen um Vergebung. Wollen Sie mich, ehe diese arme, schwer heimgesuchte Dame hereinkommt, entschuldigen, wenn ich Sie um die größte Sanftmuth und Rücksicht für sie ersuche?«

      »Nein, Sir«, erwiderte der Andere Verdrießlich, »ich will Sie nicht entschuldigen. Welches Recht habe ich Ihnen gegeben, mich der Sanftmuth und Rücksicht für Andere unfähig zu halten?«

      Der Doctor sah, daß alles nutzlos sei. »Ich bitte nochmals um Vergebung«, sagte er mit Resignation und ließ den unzugänglichen Fremden allein.

      Mr. Neal trat ans Fenster und sah durch die Scheiben, die Augen mechanisch auf die Landschaft gerichtet und innerlich auf die bevorstehende Zusammenkunft sich vorbereitend.

      Es war Mittag; die Sonne schien hell und warm und die ganze kleine Welt von Wildbad war lustig und froh in dieser schönen Frühlingszeit Hin und wieder rollten schwere Wagen, unter der Obhut von rußigen Kärrnern, mit ihrer kostbaren Last von Holzkohlen aus dem Schwarzwalde unter dem Fenster vorbei. Von Zeit zu Zeit zogen lange, lose an einander gereihte Holzstämme auf ihrer Reise nach dem fernen Rhein, kopfüber den Strom hinabstürzend, der durch das Städtchen eilt, und von dem hochbestiefelten Floßführer, der mit der Stange in der Hand an dem Ende stand, scharf beobachtet, schnell und schlangenartig

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