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muß: das ist mir Eine, mit welcher sich köstlich . . . eine Polka tanzen ließe; auch bin ich überzeugt, daß sie das weiß und daß es ihr angenehm ist . . . Wozu denn also dieses verschämte Spiel, diese Bescheidenheit? Nun, Sie verstehen schon, was ich damit sagen will, setzte er durch die Zähne hinzu. – Sie sind übrigens jetzt mit anderen Dingen beschäftigt.

      Und Zoë’s Bild zerbrechend, begann Schubin hastig und augenscheinlich ärgerlich den Lehm zu kneten.

      – Sie möchten also Professor werden? fragte Helene Berßenjew.

      – Ja, erwiederte dieser, die rothen Hände zwischen die Kniee zwängend. Das ist mein liebster Traum. Freilich, ich weiß sehr gut, was mir noch Alles fehlt, um würdig eines so hohen . . . ich will sagen, ich bin zu wenig vorbereitet, hoffe indessen die Erlaubniß zu einer Reise ins Ausland zu erhalten;5 ich bleibe drei, vier Jahre dort, wenn es nöthig ist, und dann . . .

      Er hielt inne, schlug die Augen nieder, dann rasch wieder auf und brachte unbeholfen lächelnd sein Haar in Ordnung. Wenn Berßenjew mit Frauen sprach, wurde seine Rede noch langsamer; auch lispelte er dann mehr.

      – Sie wollen Professor der Geschichte werden? fragte Helene.

      – Ja, oder der Philosophie, setzte er, die Stimme sinken lassend, hinzu, wenn es sich thun läßt.

      – Er ist schon jetzt stark wie ein Teufel in der Philosophie, bemerkte Schubin, indem er mit dem Nagel tiefe Furchen in dem Lehm zog, wozu braucht er ins Ausland zu reisen?

      – Und wird Sie Ihre Stellung vollkommen befriedigen? fragte Helene, auf den Ellenbogen gestützt und ihm gerade ins Gesicht blickend.

      – Vollkommen, Helene Nikolajewna, vollkommen. Welchen besseren Beruf könnte es geben? Denken Sie nur, in die Fußstapfen eines Timofei Nikolajewitsch6 zu treten . . . Der Gedanke allein an einen solchen Wirkungskreis erfüllt mich mit Freude und Schauer, ja . . . mit Schauer, den . . . der aus dem Bewußtsein der Unzulänglichkeit meiner Kräfte entspringt. Mein seliger Vater ertheilte mir seinen Segen zu diesem Werke . . . Seine letzten Worte werde ich nie vergessen . . .

      – Ihr Vater starb im vergangenen Winter?

      – Ja, Helene Nikolajewna, im Februar.

      – Man sagt, fuhr Helene fort, er habe eine bemerkenswerthe Schrift in Manuscript hinterlassen; ist das wahr?

      – Ja, ein solches ist vorhanden. Das war ein vortrefflicher Mann. Sie hätten ihn lieb gewonnen, Helene Nikolajewna.

      – Ich bin davon überzeugt. Und was ist der Inhalt jener Schrift?

      – Den Inhalt, Helene Nikolajewna, könnte ich Ihnen nicht leicht in ein paar Worten wiedergeben. Mein Vater war ein Mann von großer Gelehrsamkeit, Schellingianer, er gebrauchte nicht immer deutliche Ausdrücke . . .

      – Andrei Petrowitsch, unterbrach ihn Helene, vergeben Sie mir meine Unwissenheit, was bedeutet Schellingianer?

      Berßenjew lächelte leicht.

      – Ein Schellingianer bedeutet einen Anhänger Schelling’s, eines deutschen Philosophen, worin aber Schelling’s Anschauung bestand . . .

      – Andrei Petrowitsch! rief plötzlich Schubin, um des Himmels Willen! Du wirst doch Helene Nikolajewna nicht gar einen Vortrag über Schelling halten wollen? Habe doch Mitleid!

      – Durchaus keinen Vortrag, murmelte Berßenjew und wurde roth, ich wollte . . .

      – Und warum denn keinen Vortrags warf Helene ein. Wir Beide, Pawel Jakowlewitsch, bedürfen der Vorträge sehr.

      Schubin sah ihr fest in die Augen und brach plötzlich in Lachen aus.

      – Worüber lachen Sie denn? fragte sie trocken und fast streng.

      Schubin verstummte.

      – Ach ich bitte, zürnen Sie nicht, sagte er nach einer kleinen Pause, vergeben Sie mir. Aber in der That, wie ist es möglich, ich bitte Sie, jetzt, bei diesem Wetter, unter diesen Bäumen von Philosophie zu sprechen? Wäre es nicht besser, wir sprächen von Nachtigallen, von Rosen, von jungen Gesichtern und Lächeln?

      – Ja, und von französischen Romanen, von Weiberstaat, setzte Helene hinzu.

      – Meinetwegen auch davon, wenn er nur hübsch ist.

      – So? Nun wenn wir aber nicht von Weiberstaat sprechen wollten? Sie nennen sich mit Stolz einen freien Künstler, warum suchen Sie die Freiheit Anderer zu schmälern? Und erlauben Sie mir die Frage, weshalb greifen Sie bei dieser Sinnesart Zoë an?

      Schubin fuhr plötzlich von seiner Bank auf. Ja, so! sagte er mit unsicherer Stimme, Ich verstehe Ihren Wink; Sie schicken mich fort, zu ihr, Helene Nikolajewna. Mit anderen Worten, ich bin hier überflüssig?

      – Es fiel mir gar nicht ein, Sie fortzuschicken.

      – Sie wollen sagen, fuhr Schubin zornig fort, ich sei keiner anderen Gesellschaft werth, wir paßten zusammen, ich sei ebenso flach, albern und kleinlich wie die süßliche deutsche Mamsell? Nicht so?

      Helene runzelte die Stirn.

      – Sie haben nicht immer so von ihr gesprochen, Pawel Jakowlewitsch, bemerkte sie.

      – Ah! Vorwürfe, Vorwürfe jetzt! rief Schubin aus. Nun ja, ich mache kein Hehl daraus, es war eine Minute, ja eine einzige Minute, als mich diese frischen, albernen Wangen . . . Nun, wenn ich Ihnen mit Vorwürfen entgegnen, Ihnen ins Gedächtniß rufen wollte . . . Leben Sie wohl, brach er plötzlich ab, es ist zum Verrücktwerden!

      Und mit der Hand auf den zu einem Kopfe geformten Lehm schlagend, lief er aus der Laube hinaus und begab sich auf sein Zimmer.

      – Ein Kind, sagte Helene und sah ihm nach.

      – Ein Künstler« sagte lächelnd Berßenjew. Die Künstler sind alle so. Man muß ihnen ihre Launen hingehen lassen. Das ist ihr Recht.

      – Ja wohl, erwiederte Helene, Pawel hat jedoch bisher sich noch durch nichts dieses Recht erworben. Was hat er bis jetzt vor sich gebracht? Geben Sie mir Ihren Arm, wir wollen einen Gang durch die Allee machen. Er hat uns gestört. Wir sprachen von der Schrift Ihres Vaters.

      Berßenjew nahm Helene’s Arm und folgte ihr in den Garten, doch das zu früh unterbrochene Gespräch ward nicht wieder aufgenommen; Berßenjew war wieder auf seine Ansichten über Professur und seine künftige Wirksamkeit zurückgekommen. Langsam und unbeholfen ging er an Helene‘s Seite hin, hielt ungeschickt ihren Arm, stieß sie zuweilen mit der Schulter an und blickte ihr nicht ein einziges Mal ins Gesicht; seine Rede floß indessen leicht, wenn auch nicht frei dahin, er drückte sich dießmal einfach und passend aus, seine Blicke, die langsam an den Stämmen der Baume, an dem Rande des Weges, an dem Rasen hinstreiften, glühten von sanfter Rührung edler Gefühle und in der ruhigen Stimme äußerte sich die Freude, die der Mensch empfindet, wenn ihm vergönnt wird, sich gegen ein anderes, ihm theueres Wesen auszusprechen. Helene hörte ihm mit Aufmerksamkeit zu, und halb zu ihm gekehrt, verwandte sie nicht den Blick von seinem etwas bleichgewordenen Gesichte, von seinen freundlichen und sanften Augen, die doch den ihrigen auszuweichen suchten. Ihre Seele hatte sich aufgethan und ein Gefühl von Zärtlichkeit, Gerechtigkeit, Güte ergoß sich halb in ihr Herz, halb wuchs es in ihm empor.

      V

      Bis in die Nacht hinein kam Schubin nicht aus seinem Zimmer. Es war schon ganz dunkel geworden, der Mond stand hoch am Himmel, die Milchstraße leuchtete und die Sterne flimmerten, als Berßenjew, nachdem er von Anna Wassiljewna, Helene und Zoë Abschied genommen hatte, an die Thür seines Freundes trat. Er fand sie verschlossen und klopfte an.

      – Wer da? ließ sich Schubin‘s Stimme vernehmen.

      – Ich bin’s« gab Berßenjew zur Antwort.

      – Was willst Du?

      – Laß mich ein, Pawel, höre auf zu schmollen; schämst Du Dich nicht?

      – Ich schmolle nicht, ich schiefe und sehe im Traume Zoë’s Bild.

      – So

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<p>5</p>

Es war zu jener Zeit das Reisen ins Ausland gesetzlich erschwert. D. Uebers.

<p>6</p>

Granowski, ein sehr beliebter Professor der Geschichte in Moskau; verstorben. D. Uebers.