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Liebe; ich will Nummer Eins sein.

      – Nummer Eins, wiederholte Berßenjew – Ich möchte glauben Nummer Zwei zu werden . . . wäre die rechte Bestimmung unseres Lebens.

      – Wenn Jeder Deinem Rathe folgen wollte, erwiederte Schubin mit kläglicher Grimasse, – so äße Niemand auf der Welt Ananas: ein Jeder überließe sie dem Nächsten.

      – Daraus folgt, daß Ananas kein Bedürfniß ist; sei übrigens ohne Sorge: es wird immer Leute geben, die selbst das liebe Brod Anderen vom Munde nehmen.

      Beide Freunde schwiegen einige Zeit.

      – Neulich begegnete mir wieder Inßarow, nahm Berßenjew das Gespräch wieder auf: – ich habe ihn zu mir eingeladen; ich will durchaus, daß er mit Dir . . . und auch mit Stachow‘s bekannt werde.

      – Wer ist dieser Inßarow? Ach ja jener Serbe oder Bulgare, von dem Du mit mir gesprochen. Jener Putriot! Hat er nicht vielleicht Dir alle diese philosophischen Ideen beigebracht!

      – Vielleicht.

      – Ist das ein ungewöhnliches Individuum, wie?

      – Gewiß.

      – Gescheit? Talentvoll?

      – Gescheidt? . . . ja; talentvoll? . . . weiß nicht, glaube nicht.

      – Nicht? Was ist denn Merkwürdiges an ihm?

      – Du wirst es sehen. Für jetzt aber, denke ich, ist es Zeit, daß wir gehen. Anna Wassiljewna wartet vermuthlich auf uns. Wie viel ist es an der Zeit?

      – Ueber Zwei. Komm. Welche Hitze! Diese Unterhaltung hat mir alles Blut entzündet. Auch Du warst einen Augenblick . . . nicht umsonst bin ich Künstler: ich bemerke Alles. Gestehe, das Mädchen steckt Dir im Kopfe . . .

      Schubin wollte Berßenjew in die Augen blicken, dieser wandte sich jedoch ab und verließ seinen Platz unter der Linde. Schubin folgte ihm, nachlässig-graziös auf seinen zierlichen Füßchen dahin schreitend. Berßenjew‘s Gang war linkisch, er zog beim Gehen die Schultern hoch hinauf und streckte den Hals vor, und doch hatte er mehr das Aussehen eines ordentlichen Menschen, als Schubin, er war mehr Gentleman, würden wir sagen, wenn dieses Wort bei uns nicht verbraucht wäre.j

      II

      Die jungen Leute stiegen zum Flusse hinab und gingen an dessen Ufer weiter. Vom Wasser wehte Kühle ihnen entgegen und das leise Plätschern der kleinen Wellen schlug angenehm an ihr Ohr.

      – Ich möchte gern wieder baden, sagte Schubin, – fürchte aber zu spät zu kommen. Sieh doch das Wasser an; es scheint uns zu locken. Die alten Griechen hätten eine Nymphe darin gesehen. Wir aber sind keine Griechen, o schöne Nymphe! wir sind dickhäutige Scythen!

      – Wir haben unsere Nixen, bemerkte Berßenjew.

      – Zum Henker mit Deinen Nixen! Wozu nützen mir, dem Bildhauer, diese Ausgeburten einer eingeschüchterten, starren Phantasie, diese in dicker Bauernstubenluft und im Dunkel der Winternächte ausgebrüteten Gestalten? Ich brauche Licht, Raum . . . Wann, o mein Gott, wann werde ich Italien sehen? Wann . . .

      – Du willst wohl sagen Kleinrußland?

      – Schäme Dich, Andrei Petrowitsch, mich an einen dummen Streich zu erinnern, den ich ohnehin bitter bereue. Nun ja, ich war ein Narr; die vortreffliche Anna Wassiljewna gab mir Geld, nach Italien zu reisen und ich bin zu den Chochols1 gefahren, um Mehlklößchen zu essen und . . .

      – Brauchst nicht weiter zu sprechen, unterbrach ihn Berßenjew.

      – Und dennoch kann ich sagen, das Geld war doch nicht ganz weggeworfen. Ich habe dort solche Typen, besonders weibliche, gefunden . . . Freilich, ich weiß es, außerhalb Italiens giebt’s kein Heil!

      – Du kannst nach Italien reisen, sagte Berßenjew, ohne sich umzuwenden: – und wirst doch nichts schaffen. Du wirst nur mit den Flügeln schlagen und doch nicht fliegen. Wir kennen Euch!

      – Stawasser2 hat sich aber doch erhoben . . . Und nicht er allein. Und kann ich es nicht, so heißt das« daß ich ein flügelloser Pinguin bin. Es wird mir hier schwül, ich muß nach Italien, fuhr Schubin fort: – dort ist Sonne, Schönheit . . .

      Ein junges Mädchen, in breitem Strohhute, mit einem rosenfarbigen Sonnenschirme in der Hand, zeigte sich in diesem Augenblicke auf dem Fußwege, auf welchem die Freunde dahingingen.

      – Was sehe ich aber? Selbst hier kommt die Schönheit uns entgegen! Der reizenden Zoë entbietet seinen Gruß der bescheidene Künstlers rief plötzlich Schubin, theatralisch den Hut schwenkend.

      Das junge Mädchen, dem diese Anrede galt, blieb stehen, drohte ihm mit dem Finger und sagte, nachdem beide Freunde an sie herangekommen waren, mit heller Stimme und etwas schnarrend:

      – Warum kommen Sie denn nicht zum Essen, meine Herren? Der Tisch ist gedeckt.

      – Was höre ich? rief Schubin, die Hände zusammenschlagend. Hütten Sie sich wirklich, reizende Zoë, bei dieser Hitze herausgewagt nur um uns aufzusuchen? Muß ich so den Sinn Ihrer Worte deuten? Sagen Sie, wäre es möglich? Oder nein, besser, Sie sprechen das Wort nicht aus: die Reue würde mich auf dem Flecke tödten.

      – Ach, hören Sie auf, Pawel Jakowlewitsch, erwiederte nicht ohne Unwillen das junge Mädchen, warum sprechen Sie nie im Ernste zu mir? Ich werde böse werden, setzte sie mit koketter Miene hinzu und warf die Lippen auf.

      – Sie werden mir nicht zürnen, ideale Zoë Nikitischna; Sie werden mich nicht in den finsteren Abgrund wahnsinniger Verzweiflung stürzen wollen. Ernsthaft zu sprechen ist mir aber unmöglich, denn ich bin kein ernsthafter Mensch.

      Das junge Mädchen zuckte die Achseln und wandte sich zu Berßenjew.

      – So ist er immer; er behandelt mich wie ein Kind, und ich bin doch schon über achtzehn Jahre alt. Ich bin schon ein erwachsenes Mädchen.

      – O Gott! seufzte Schubin und verdrehte die Augen; Berßenjew lächelte still.

      Das Mädchen stampfte mit dem Fuße.

      – Pawel Jakowlewitschs Sie werden mich böse machen! Helene hat mich begleiten wollen, fuhr sie fort, ist aber im Garten geblieben. Sie hat sich vor der Hitze gefürchtet . . . ich fürchte aber die Hitze nicht. Kommen Sie.

      Sie ging auf dem Fußwege voran, den schlanken Körper bei jedem Schritte sanft hin- und herwiegend und mit dem schönen Händchen, in schwarzem Halbhandschuh, die langen, weichen Locken aus dem Gesichte zurückstreichend.

      Die Freunde folgten ihr (Schubin preßte bald die Hände ans Herz, bald streckte er dieselben über dem Kopfe empor) und waren einige Augenblicke darauf vor einem der vielen Landhäuser in der Umgegend Kunzowos angekommen. Es war ein kleines hölzernes Häuschen mit einem Erker von hellrothem Anstrich, das inmitten eines Gartens lag und still aus dem Grün der Bäume hervorguckte. Zoë war die Erste am Pförtchen, sie machte es auf, lief in den Garten und rief: Ich habe die Herumstreicher zurückgebracht! Ein junges Mädchen, von blassem und ausdrucksvollem Gesichte, erhob sich von einer Bank in der Nähe des Gartenweges und an der Schwelle des Hauses zeigte sich eine Dame in violett-seidenem Kleide; sie hielt gegen die Sonne ein gestieltes Batisttuch vor der Stirn und lächelte schmachtend und träge.

      III

      Anna Wassiljewna Stachow, geborene Schubin, blieb, sieben Jahre alt, als vater- und mutterlose Waise und Erbin eines ziemlich beträchtlichen Vermögens zurück. Sie hatte sehr reiche und sehr arme Verwandte; die armen von väterlicher, die reichen von mütterlicher Seite: den Senator Wolgin, die Fürsten Tschikurassow. Fürst Ardalion Tschikurassow, der ihr zum Vormund bestimmt wurde, gab sie in die beste Pension Moskaus, und als sie die Anstalt verließ, nahm er sie zu sich ins Haus. Er lebte auf großem Fuße und gab im Winter Bälle. Anna Wassiljewna‘s zukünftiger Mann, Nikolai Artemjewitsch Stachow, eroberte sich seine Gattin auf einem jener Bälle, wo dieselbe in einem »reizenden rosenfarbenen Anzuge und Kopfputz aus kleinen Röschen, erschienen war. Sie bewahrte diesen Kopfputz noch auf . . . Nikolai Artemjewitsch Stachow, Sohn

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<p>1</p>

Das heißt: Schöpfe. Spottname für Kleinrussen. D. Uebers.

<p>2</p>

Namhafter russischer Bildhauer, verstorben. D. Uebers.