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Gräfin von Genlis band, wie er bei der Rede von Herrn von Malouet in die Hände klatschte, und bei der Erzählung von den Mißgeschicken der armen Neger eine Thräne abwischte? Ihr hättet ihn zu seinem Werthe geschätzt, diesen Vorzimmergeneral! Ihr hättet erfahren, was Ihr von diesem aristokratischen Messias erwarten dürft!

      »Ist Lafayette wirklich das, was man sagt, daß er sei, warum ist er dort, und nicht hier? warum ist. er unter ihnen, und nicht unter uns? Hat er Thränen zu vergießen, Franzosen, so vergieße er seine Thränen über die Schmerzen Frankreichs; liebt er wirklich das Volk, so komme er zu uns, die wir das wahre Volk, das einzige Volk sind; und dann werde ich, der ich ihn in diesem Augenblicke angreife, ich, der ich ihn Euch zeige, nicht wie Ihr ihn seht, sondern so, wie er ist, ich werde ihm entgegengehen, ich werde ihm die Thüre öffnen, ich werde mich auf der Schwelle verbeugen und zu ihm sprechen: »»Sei willkommen, Du, der Du von Seiten der Freiheit kommst!««

      Einiges Beifallklatschen unterbrach Marat, doch es war erkünstelt und wie verschämt. Man sah, daß er eine von den am tiefsten befestigten Volksüberzeugungen vor den Kopf gestoßen, und daß die Waffe der Lächerlichkeit, der er sich bedient, denjenigen, welchem er damit eine tödtliche Wunde beizubringen gehofft, nur gestreift hatte.

      Er beharrte auch für diesen Tag nicht weiter bei Lafayette, den er zwei Jahre hinter einander mit allen seinen Zähnen beißen und zerreißen sollte.

      »Was Necker betrifft,« fuhr er fort, »o armes Volk, wie man Dich verblendet! – was Necker betrifft, willst Du ebenfalls wissen, wer er ist? ich will es Dir sagen.

      »Vor Allem, – ich habe Necker in meinem Leben nicht gesehen: ich kenne ihn nur dem Rufe nach, durch einige von seinen Schriften, durch einige von seinen Operationen; obgleich mein Zeitgenosse, ist er mir so fremd, als es mir ein Bewohner der andern Welt, Sejanus oder Crassus, wäre.

      »Vor zwölf Jahren kannte man Herrn Necker nur als Banquier; aber sein Reichthum, der ihm die Achtung in der Welt erwarb, war in meinen Augen ein Titel der Verachtung; denn von diesem Reichthume kannte ich die Quelle. – Soll ich sie Euch nennen? Höret.

      »Necker ist geboren in Genf, der Heimath des großen Rousseau. Ach! wie Rousseau verließ er Genf, nicht um sich dem Glücke seiner Zeitgenossen, den Fortschritten der Menschheit zu opfern, sondern um sein Glück zu machen. In dieser Hoffnung trat er als Commis beim Banquier Thélusson ein.

      »Durch Beharrlichkeit und heuchlerisches Wesen wurde er Kassier; sobald er diese Stelle hatte, fing er an für seine eigene Rechnung mit dem Gelde der Kasse zu agiotiren.

      »Es befand sich im Hause ein Buchhalter Namens Dadret, der durch seine langen Dienste auf dem Punkte war, mit der Banque associrt zu werden; Necker erhielt den Vorzug vor ihm, mittelst der Einzahlung einer Summe von achtmal hunderttausend Livres, die er in die Kasse machte. Wie verschaffte er sich diese Summe, er, der nichts auf der Welt besaß? Ich will es Euch sagen.

      »Ein Engländer hatte diese Summe bei Thélusson angelegt, und Herr Necker hatte es auf den andern Tag verschoben, sie einzutragen; der Engländer starb in der Nacht; keine Urkunde bewies dieses Depositum, die Summe wurde nicht reclamirt, der Genfer eignete sich dieselbe an. Dies war der Anfang seines Vermögens.

      »Das Verlangen, neue Reichthümer zu erwerben, ließ ihn ein Mittel finden, das Geheimniß des Cabinets von Saint-James zu entdecken; er machte Herrn Thélusson den Vorschlag, Canada-Actien zu kaufen. Wer nichts von den Taschenspielerstücken gehört hat, die er anwandte, um diese Papiere zu discreditiren und sie mit siebzig bis fünfundsiebzig Procent Verlust zusammenzukaufen, der mag die Lobrede auf Colbert von Herrn Pelinery befragen. Wer nichts von den Taschenspielerstückchen gehört hat, die er anwandte, um sich, den Ruin der Indischen Compagnie herbeiführend, zu bereichern, mag zwei in einem Werke betitelt: Theorie und Praxis von Herr Necker bei der Verwaltung der Finanzen, enthaltene Aufsätze befragen.

      »Seine Bewunderer machen als einen Zug von Gewandtheit geltend, er sei fünf Jahre, und zwar in Kriegszeiten, an seinem Posten gewesen, ohne einen Sou Steuer aufzulegen; das heißt mit den Worten spielen, denn die Interessen seiner zahlreichen Anlehen sind wahre vom Volke erhobene Steuern. Er hat aber die Nation um mehr als sechzig Millionen jährlich benachtheiligt!

      »Mitten unter den Lustbarkeiten von Trianon wurde die Königin guter Hoffnung.

      »Ihr wißt Alle, was für Lustbarkeiten dies waren, nicht wahr? Man erleuchtete einen Theil der Bosquets von Trianon, und in einem derselben errichtete man einen Thron von Farnkraut; hier spielte man König, wie die kleinen Mädchen Gouvernante spielen. Dieser erwählte König hielt seinen Hof, gab seine Audienzen, sprach Recht in den Klagsachen, die bei ihm von seinem durch die Leute des Hofes repräsentirten Volke angebracht wurden. Und was für Kläger waren dies? Die Parodie der Deinen, wahres Volk, das Du leidest, das Du wehklagst, das Du mit dem Tode ringest, während die Großen Deinen Todeskampf, Dein Wehklagen, Deine Leiden spielen! Herr von Vaudreuil war aber beinahe immer der König, der gewählte König. Er wählte die Königin; die Königin war gefunden, es war die Tochter von Maria Theresia, es war Marie Antoinette, es war die Oesterreicherin; dann verheirathete er die andern Herren an andere Damen des Hofes; dann sprach er das sacramentale Wort, das berufene Decampativos; sogleich entfloh jedes Paar, mit dem vom Farnkrautkönig erlassenen Verbote, vor Ablauf von zwei Stunden wieder im Thronsaale zu erscheinen, und besonders mit dem Verbote, mehr als ein Paar zusammen in dasselbe Bosquet zu gehen! Das war ein reizendes Spiel, wie Ihr seht! Wie wäre es möglich, die Seufzer des Volkes bei Hofe zu hören, wenn man dort so reizende Spiele spielt!

      »Unter diesen Spielen wurde die Königin schwanger; unglücklicher Weise gebar sie aber eine Tochter: es handelte sich darum, eine neue Schwangerschaft hervorzurufen; die Aerzte schlugen die Bäder vor; doch Herr Necker behauptete, die Bäder seien um nöthig, die Fortsetzung der sinnreichen Belustigung genannt Decampativos könne mit dem Einflusse der befruchtendsten Bäder den Wettkampf eingehen, und obgleich es erwiesen war, daß der jeden Abend erwählte König beinahe eben so viel kostete, als der mit göttlichem Rechte regierende König, beharrte er doch bei diesem Recepte.

      »Gott segnete Herrn Necker, und zum zweiten Male schwanger geworden, gebar die Königin Monseigneur den Dauphin.

      »Die Königin war nicht die Einzige, bei der das Recept seine Wirkung hervorgebracht habe; Madame Jules von Polignac war auch schwanger geworden; die Königin gab ihr im Augenblicke ihrer Niederkunft ein Wickelzeug im Werthe von achtzigtausend Livres, und der König ein Geschenk von hunderttausend Livres. Man wollte das Herzogthum Mayenne beifügen, das einen Werth von vierzehnmal hunderttausend Livres hatte, denn es war ein sehr armseliges Geschenk ein Geschenk von hundert und achtzig tausend Livres für ein königliches Geschenk; doch der rechtschaffene, doch der strenge Herr Necker widersetzte sich. Nach einiger Zeit überlegte er freilich . . . er überlegte, daß Herr Turgot durch eine ähnliche Weigerung gefallen war, und da ihm sehr viel an seinem Platze lag, von welchem ihn die Günstlingin zu vertreiben drohte, so bestimmte er die Königin, Madame Jules ein Geschenk von drei Millionen in Geld zu machen, statt des Herzogthums, das nur vierzehnmal hunderttausend Livres werth war. Herr Necker war ein guter Höfling, wie Ihr seht und Frau von Polignac hat nichts beim Warten verloren.

      »Du begreifst nun wohl, armes Volk, daß Herr Necker das, was er für die Fremden thut, um so viel mehr für die Seinigen thut. Herr Necker besitzt eine Tochter, die er an einen Deutschen verheirathet hat; denn, obgleich er ihre Mitgift in Frankreich gewonnen, hat er sie doch nicht für einen Franzosen vorbehalten: diese Tochter heißt Frau von Stael; sie ist jung, sie ist geistreich; sie ist die würdige Tochter des Genfer Banquiers . . . sie spart nichts, gar nichts, um ihrem Vater Parteigänger zu machen, und ihr Vater verweigert nichts den Parteigängern, die sie ihm gemacht hat.

      »Ich sagte Euch, wer Lafayette ist, ich sage Euch nun, wer Necker ist, und ich füge bei: Zählt weder auf den Einen, noch auf den Andern, denn das hieße die Zukunft der Nation wie eine Feder in den Wind, wie ein Brett ins Meer werfen; das hieße das Glück des Landes auf die Frivolität, den Verrath und die Habgier bauen.«

      Marat hielt inne, um zu athmen. Dieses zweite Mal war er besser inspirirt gewesen, als das erste Mal, nicht als wäre der protestantische Banquier in der Popularität dem aristokratischen General nicht gleichgekommen; doch wir sind so in unseren ganz instinctartigen Sympathien: ein Geldmann ist leichter bei

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