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Ingénue. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Ingénue
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Man vernehme, was er von dieser letzten Stufe erblickte.
Einen ungeheuren gewölbten Saal, der ohne Zweifel einst, – das heißt vor der Erhöhung des Terrain, – als Orangerie für eines der großen Hotels gedient hatte, von denen ein Theil schon zu dieser Zeit verschwunden war, während der Rest alle Tage verschwand; diese Orangerie hatte seit fünfundzwanzig bis dreißig Jahren einer Taverne Platz gemacht, die sich ebenfalls, ohne ihre Bestimmung zu verändern, nichtsdestoweniger modificirte und ein Clubb werden sollte oder vielmehr geworden war.
Dieser, mit Ausnahme seiner Affiliirten, noch unbekannte Clubb, in welchen man, wie in den Freimaurerlogen, nur mit Hilfe gewisser Zeichen oder mittelst gewisser Worte aufgenommen wurde, dieser Clubb war der der Menschenrechte.
Die Tische, mochte das eine Klugheit sein, oder hatte man geglaubt, es finde keine zu stark ausgesprochene Disharmonie zwischen der alten und der neuen Bestimmung des Locals statt, die Tische waren an ihren Plätzen geblieben und fanden sich, in diesem Augenblicke beladen mit zinnernen, an Ketten festgehaltenen Bechern, umgeben von Trinkern, welche auf wurmstichigen Bänken und hinkenden Stühlen saßen.
Im Hintergrunde, in einer durch den Tabakrauch, durch den Dampf der Lampen, durch die verdichteten Aushauchungen der Consumenten unentschieden gewordenen Atmosphäre, sah man wie Schatten diejenigen sich bewegen, welchen ihre pecuniären Mittel nicht erlaubten, sich den Wein der Anstalt schmecken zu lassen, und die, bei leerem Magen, mit einer finstern, neidischen Miene diese Günstlinge des Glückes betrachteten, denen das Elend, minder grausam, noch ein paar Sous, um sie in dieser Kneipe auszugeben, ließ.
Hinter dieser compacten Masse, in einer fast verlorenen Ferne, erhob sich auf leeren Fässern eine Art von Theater, bekränzt mit einem alten Zähltische, der das Bureau des Präsidenten geworden war. Dieses Bureau trug ein angezündetes Licht, ohne welches es völlig im Schatten verborgen gewesen wäre, , und ein ausgelöschtes Licht; der Geist der Sparsamkeit, der über die Anstalt wachte, hatte als einen tadelnswerthen Luxus diese zwei zu gleicher Zeit angezündeten Lichter betrachtet und eines unterdrückt.
Es war ein großer Abstand von der eleganten, bisamduftenden Gesellschaft, von dem vergoldeten und mit Sammet tapezirten Saale, woher Danton und Marat kamen, zu dieser düstern, zerlumpten Versammlung, zu diesem schwarzen, rauchigen Gewölbe, unter das sie eindrangen; doch wir müssen hier sagen, sie waren durch die Ränder eines unsichtbaren Bürgerthums aus dem Paradiese der Aristokratie in die Hölle des Volkes getaucht.
Für den Augenblick schien die wichtige Person dieser unterirdischen Versammlung der Herr der Anstalt zu sein; es war wenigstens sein Name, der am öftesten, wenn nicht am harmonischsten, in der Versammlung ertönte, welche sicherlich zu dieser Stunde nicht ihres Gleichen aus der Welt hatte.
»Jourdan, Wein!« rief mit einer Stentorstimme ein colossaler Trinker mit zurückgeschlagenen Hemdärmeln, nervigen Armen und frischem Gesichte, – von jener Frische, welche den Fleischern und den Wurstmachern, das heißt den Menschen eigenthümlich, die den Dunst des Blutes einathmen.
»Man kommt schon, Herr Legendre,« sagte Jourdan, der die verlangte Flüssigkeit brachte; »doch ich muß Ihnen bemerken, daß dies die vierte Flasche ist.«
»Hast Du Angst, man bezahle Dich nicht, Thier?« versetzte der Fleischer, indem er aus seiner von Blut befleckten Schürze eine Handvoll Sous zog, unter welchen, wie jene Sterne, die uns viel größer scheinen, je näher sie der Erde sind, Thaler von drei und sechs Livres glänzten.
»Oh! das ist es nicht, Herr Legendre: man kennt Sie, und man weiß, daß Sie gut sind, um vier Flaschen zu bezahlen. Wenn Sie wollten, ich würde sogar mein Etablissement in der Rue de Valois gegen Ihre Fleischbank in der Rue des Boucheries-Saint-Germain tauschen; doch Sie sind ein Mann, der leicht aufbraust, und ich habe bemerkt, daß Ihnen von der fünften zur sechsten Flasche immer Unglück widerfuhr.«
»Mir?« sagte Legendre.
»Nein, ich irre mich,« erwiederte Jourdan, »Ihren Nachbarn.«
»So lasse ich es gelten!« rief Legendre mit seinem plumpen Gelächter, »doch da wir erst bei der vierten Flasche sind, so bediene kecklich, mein würdiger College! – denn Du hast alle Handwerke getrieben! Du bist Fleischer, Hufschmied, Schmuggler, Soldat im Regimente Auvergne, Stallknecht beim Marschall von Vaux gewesen . . . Nun bist Du in Deiner wahren Sphäre: Weinhändler! Du hast Alles vollauf . . . Zu trinken also, Meister Petit, wie man Dich jetzt nennt, oder Meister Jourdan, wie man Dich nannte, – zu trinken!«
»He! Jourdan!« rief man von einer andern Seite.
Jourdan stellte die Flasche vor Legendre und lief dem neuen Rufe zu, der an ihn von einem Menschen gerichtet wurde, welchen wir schon in dieser Geschichte erschaut haben.
»Was willst Du, mein alter Hébert?« fragte Jourdan vertraulich; »bleibt Dir noch eine kleine Contremarque, die man morgen benützen könnte?«
»Es bleibt mir nichts, nicht einmal mein Platz, weil man mich heute bei den Varietes vor die Thüre gesetzt hat, unter dem Vorwande . . . Doch es lohnt sich nicht der Mühe, den Vorwand zu nennen.«
»Und dann,« versetzte Jourdan lächelnd auf eine Weise, die nur ihm eigenthümlich, »und dann bin ich nicht neugierig.«
»Nein, Du bist aber gastfreundlich, besonders wenn man Dich bezahlt . . . Ich mache Dich also darauf aufmerksam, daß Du von morgen an uns auf Kosten der Masse zu speisen hast, – mich und diesen Herrn!«
Hierbei deutete Hébert auf einen Mann von sechsunddreißig bis achtunddreißig Jahren, mager, gelb, mit lebhaftem Auge, dessen Tracht eine seltsame Mischung von falschem Luxus und wirklichem Elend bot.
»Wer ist dieser Herr?« fragte Jourdan.
»Der Herr ist der Bürger Collot d'Herbois, der die ersten Trauerspielrollen in der Provinz spielt und in seinen verlorenen Stunden Komödien macht; da er aber in diesem Augenblicke weder die Rollen der Andern spielen, – weil er ohne Anstellung ist, – noch die seinigen spielen machen kann, – weil die Comedie-Francaise seine Stücke zurückweist, – so wendet er sich an den Clubb der Menschenrechte, und da jeder Mensch ein Recht auf Nahrung hat, so sagt er zu der Gesellschaft, zu der wir gehören: »Nähre mich!«
»Hierzu brauche ich ein Wort des Präsidenten.«
»Hier hast Du es, Dein Wort . . . Du siehst, es ist für zwei: von morgen an mußt Du uns speisen. Mittlerweile tränke uns: man ist noch nicht ganz entblößt, und man kann die Zeche von heute Abend bezahlen.«
Und lachend zog Hébert mit einem freundschaftlichen Lieblingsschwure aus seiner Hosentasche ein Dutzend Thaler, welche bewiesen, daß er, wenn man ihn von dem Platze, den er bei der Controle der Varistés einnahm, weggeschickt hatte, nicht ganz mit leeren Händen abgegangen war.
Jourdan holte den Wein, doch unter Weges wurde er aufgehalten von einer Person, die an einem von den das Gewölbe tragenden Pfeilern stand.
Es war dies ein wohl sechs Fuß hoher Mann, der einen fadenscheinigen, aber reinlichen, anständigen schwarzen Rock trug; er hatte ein durch sein feierliches Wesen fast trauriges Gesicht. »Einen Augenblick, Jourdan,« sagte er.
»Was wünschen Sie, Herr Maillard?« fragte der Wirth mit einer Art von Ehrfurcht; »nicht Wein, das weiß ich.«
»Nein, mein Freund; ich wünschte nur zu wissen, wer jener Mensch ist, der sich auf zwei Krücken stützt und mit unserem Vicepräsidenten, Fournier dem Americaner, spricht.«
Auf der andern Seite des Saales sprach in der That ein Mann von zweiunddreißig bis vierunddreißig Jahren, mit langen Haaren, mit leidendem, schwermüthigem Gesichte, mit zusammengebogenem Körper und gestützt durch zwei Krücken, mit einer Art von Bullenbeißer.
Es war der Letztere, der seitdem so berühmt geworden, – wie übrigens die Mehrzahl von denjenigen, welche wir in Scene bringen, – den der Huissier Maillard Jourdan unter dem Namen Fournier der Americaner bezeichnet hatte.
»Der, welcher