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Ingénue. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Ingénue
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Man müßte Alles anführen, was sich in Paris an schönen Frauen, an reichen Frauen oder an berühmten Frauen fand, wollte man die Tribunen und die Gallerien des Socialclubbs, der, wie gesagt, für diesen Abend in den Americanischen Clubb verwandelt worden war, die Revue passiren lassen.
Mitten unter ihnen, angezogen von der Einen, zurückgerissen von der Andern, angefleht von einer Dritten, welche von fern ihre hübsche Hand gegen ihn ausstreckte, flatterte der Held des Tages, der Marquis von Lafayette. Das war damals ein schöner und eleganter junger Mann von einunddreißig Jahren. Edelmann von Geburt, Besitzer eines ungeheuren Vermögens, durch seine Frau, – die Tochter des Herzogs d'Ayen, die er schon vor fünfzehn Jahren geheirathet hatte, – mit den größten Häusern Frankreichs verwandt; mit zwanzig Jahren aus Frankreich getrieben durch jenen Freiheitshauch, der über die Welt hinging, ohne noch zu wissen, wo er sich festsetzen sollte, hatte er insgeheim zwei Schiffe ausgerüstet, sie mit Waffen und Munition beladen, und war in Boston angekommen, wie fünfzig Jahre später Byron in Missolunghi ankommen sollte; aber, glücklicher als der große Dichter, sollte er die Befreiung des Volkes sehen, dem er zu Hilfe geeilt, und wenn Washington sich den Titel Vater der americanischen Freiheit vorbehalten hatte, so hatte er wenigstens erlaubt, daß Lafayette den seines Pathen annahm. Die Begeisterung, welche Lafayette nach Frankreich zurückgekehrt eingeflößt hatte, war vielleicht größer, als die, welche er in America zurückgelassen; die Mode hatte ihn adoptirt, die Königin hatte ihm zugelächelt, Franklin hatte ihn zum Bürger gemacht, Ludwig XVI. machte ihn zum General.
Diese Popularität war süß, und die Generalsuniform stand einem einunddreißigjährigen jungen Manne sehr gut; seine Eitelkeit hatte es ihm gesagt, und annehmend, die Eitelkeit, welche einmal gesprochen, könne schweigen, wiederholten es ihm die Frauen so oft, daß er genöthigt war, sich dessen zu erinnern.
Derjenige, welcher mit Lafayette die Ehrenbezeigungen des Abends theilte, war der Graf d'Estaing. Besiegt in Indien, wo er zweimal zum Gefangenen gemacht worden war, hatte er seine Genugthuung in America genommen; hier, nachdem er Howe eine unentschiedene Schlacht geliefert, nachdem er bei einem Angriffe auf St. Lucie gescheitert war, hatte er den Commodore Byron völlig geschlagen. Ganz das Gegentheil von Lafayette, war der Graf Hector d'Estaing ein Greis; der Enthusiasmus theilte sich auch zwischen ihm und seinem jungen Rivalen, und wie die Frauen einstimmig Lafayette in Anspruch genommen hatten, so hatten die Männer d'Estaing empfangen.
Die anderen Anwesenden sollten, zu dieser Zeit vielleicht weniger bekannt, doch Jeder einen gewissen Grad von Berühmtheit erlangen. Es waren: der Abbé Gregoire, der damals die Philosophie lehrend reiste; er hatte noch nichts über die Sklaverei geschrieben, aber er beschäftigte sich schon mit dieser Frage, die ihn übrigens sein ganzes Leben hindurch beschäftigte; – der Abbé Raynal, der aus der Verbannung kam, wohin ihn seine Philosophische Geschichte der beiden Indien geschickt hatte; – Condorcet, der ein neues Leben anzufangen im Begriffe war, das dritte! der, nachdem er Mathematiker mit d'Alembert, Kritiker mit Voltaire gewesen, Politiker mit Vergniaud und Barbarour werden sollte. Condorcet, der ewige Denker, im Cabinet wie im Salon, in der Einsamkeit wie unter der Menge, specieller in allen Dingen, als die speciellsten Menschen, unzugänglich für die Zerstreuung, wo er sich auch befinden mochte; wenig sprechend, Alles hörend, Alles benützend, ohne je etwas von dem, was er gelernt oder gehört, zu vergessen! – Brissot, der von America ankam, ein Fanatiker für die Freiheit, ein Enthusiast für Lafayette; Brissot, der zukünftige Verfasser der Adresse an die fremden Mächte; Brissot, dessen die unselige Ehre, seinen Namen einer Partei zu geben, harrte; – Roucher, der sein Gedicht: Die Monate, veröffentlicht hatte und mit der Übersetzung des Werkes: Die Reichthümer der Nation, von Smith, beschäftigt war; Malouet endlich, der seine bekannte Denkschrift über die Sklaverei der Neger herausgegeben hatte; er bestieg im Augenblicke des Eintritts von Marat und Danton die Tribune und wartete, um seine Rede zu beginnen, bis sich die durch die Ankunft von Olympia von Gouges hervorgebrachte Wirkung besänftigt hatte.
Er folgte auf Clavieres, der über die Sklaverei, jedoch die Frage generalisirend, gesprochen und von der Tribune herabsteigend angekündigt hatte, sein Freund Malouet werde auch sprechen, aber, besser als er über diese Materie unterrichtet, Thatsachen anführen, welche die ganze Versammlung werden schauern machen.
Die Versammlung fühlte dieses Bedürfniß der Gemüthsbewegungen, das sich bei den Völkern in gewissen Epochen ihrer Existenz verbreitet, und verlangte folglich nichts Anderes, als zu schauern.
Ueberdies waren, wie gesagt, viele hübsche Frauen im Saale, und die Frauen machen eine so reizende Bewegung mit den Schultern, wenn sie schauern, daß es sehr ungeschickt von einer hübschen Frau wäre, wenn sie nicht schauern würde, so oft sich eine Gelegenheit dazu findet.
Die Stille stellte sich also rascher wieder her, als man hätte hoffen dürfen; allmälig wandten sich die Blicke von Olympia von Gouges ab, und nachdem sie noch einen Moment, die der Männer von Frau von Beauharnais zu Therese Cabarrus, die der Frauen von Brissot zu Lafayette, hin und hergeschwebt hatten, hefteten sie sich auf die Tribune, wo der Redner, die Hand zur Geberde bereit, den Mund zum Worte gerüstet, wartete.
Als sodann tiefe Stille herrschte und die Aufmerksamkeit vollkommen war, sprach Malouet:
»Meine Herren, ich unternehme eine schwierige Aufgabe: die, Ihnen die Mißgeschicke einer Race zu schildern, welche verflucht scheint, während sie doch nichts gethan hat, um diesen Fluch zu verdienen. Zum Glücke ist die Sache, die ich zu Gunsten der Menschheit vertheidige, die der fühlenden Seelen, und die Sympathie wird mir zu Hilfe kommen, wo mir das Talent mangelt.
»Ist es Ihnen je begegnet, meine Herren, wenn Sie am Ende eines köstlichen Mahles, als völlig unerläßlich bei diesem Mahle, die zwei Substanzen, die sich gegenseitig ergänzen: den Zucker und den Kaffee, mit einander verbanden, wenn Sie lange, ehe sie den Kaffee tranken, wollüstig in Fauteuils mit weichen Polstern ausgestreckt sein köstliches Aroma einathmeten, wenn Sie ihn langsam schlürften und Ihre Lippen, so zu sagen, Tropfen um Tropfen von dem belebenden Tranke einsogen, ist es Ihnen je begegnet, daß Sie daran dachten, dieser Zucker und dieser Kaffee, woraus Sie Ihre Wonne gemacht, habe mehreren Millionen von Menschen das Leben gekostet?
»Sie errathen, wen ich meine, nicht wahr? Ich meine die unglücklichen Kinder Africas, die wanden wollüstigen Launen der Europäer zu opfern übereingekommen ist, die man behandelt wie Lastthiere, und die doch unsere Brüder vor der Natur und vor Gott sind.«
Ein Gemurmel der Billigung ermuthigte den Redner. Alle diese eleganten, gepuderten, bisamduftenden Männer, alle diese reizenden mit Spitzen, Federn und Diamanten bedeckten Frauen stimmten durch eine anmuthige Kopfbewegung der Ansicht des Redners bei und anerkannten, sie seien die Brüder und die Schwestern der Neger des Congo und der Negerinnen vom Senegal.
»Und nun, mitleidige Herzen,« fuhr Malouet mit jener sentimentalen, der damaligen Zeit eigenthümlichen Phraseologie fort, welche hauptsächlich durch die Anrufung zu Werke ging, »erinnern Sie sich wohl, daß das, was ich Ihnen sagen werde, kein Roman ist, entworfen in der Hoffnung, Sie in Ihrer Muße zu unterhalten; es ist eine wahre Geschichte der Behandlung, durch welche seit Jahrhunderten Ihres Gleichen zu Boden gedrückt werden; es ist der Schrei der seufzenden und verfolgten Menschheit, die es wagt, sich bis zu Ihnen zu erheben und allen Nationen der Welt die Grausamkeit zu denunzieren, deren Opfer diese Unglücklichen sind; es sind endlich die Neger von Africa und America, welche den Beistand ihrer Vertheidiger anrufen, damit diese Vertheidiger für sie an das Urtheil der Fürsten Europas appellieren und Gerechtigkeit für die grausamen Leiden, mit denen man sie in ihrem Namen erdrückt, verlangen mögen. Werden Sie taub für ihre Bitte sein? Nein! die Stimme der Männer wird sich stark und streng erheben, die Stimme der Frauen wird sanft und flehend hörbar werden, und die Könige, welche Gott zu seinen Stellvertretern auf Erden gemacht hat, werden erkennen, es heiße Gott selbst beleidigen so der niederträchtigsten Behandlung Geschöpfe geschaffen wie wir nach seinem Bilde preisgeben.«
Hier machte das Gemurmel der Billigung dem lauten Beifalle Platz. Nichtsdestoweniger war es augenscheinlich, daß man den Eingang genügend fand, und daß eine allgemeine, obgleich noch stumme Aspiration den Redner zu seinem Gegenstande hinzog,
Malouet fühlte das Bedürfniß, in die Materie einzugehen, und