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Leute dachten. Alles was ihm wichtig war, war dass er einer der Besten war.

      Um die Rolle zu erfüllen hatte Merk schon auf viele Namen gehört, und wechselte sie nach Lust und Laune. Den Namen, den sein Vater ihm gegeben hatte, mochte er nicht – genau genommen mochte er seinen Vater ebenso wenig – und er hatte nicht vor mit dem Stempel eines Namens durchs Leben zu gehen, den ihm jemand anderes aufgedrückt hatte. Merk war der letzte in einer ganzen Reihe von Namen, und für den Augenblick gefiel er ihm. Es war ihm egal, wie die anderen ihn nannten. Ihn interessierten nur zwei Dinge im Leben: den perfekten Eintrittspunkt für die Spitze seines Dolches zu finden, und dass seine Auftraggeber ihn in frisch gemünztem Gold bezahlten – einer Menge Gold.

      In jungen Jahren hatte Merk entdeckt, dass er ein natürliches Talent besaß, und, in dem, was er tat, besser war als alle anderen.

      Seine Brüder, genau wie sein Vater und alle seine berühmten Vorfahren, waren stolze und edle Ritter in den besten Rüstungen, mit den besten Waffen, die auf ihren edlen Pferden umherritten und ihre Banner und Haare im Wind wehen ließen, während die Damen ihnen Blumen vor die Füße warfen. Sie hätten nicht stolzer auf sich selbst sein können.

      Doch Merk verabscheute den Prunk und die Aufmerksamkeit. Diese Ritter erschienen ihm schwerfällig beim Töten, unglaublich uneffektiv, und Merk hatte keinen Respekt für sie übrig. Er brauchte all die Anerkennung auch nicht, die Insignien oder Banner oder Wappen, die die Ritter so heiß begehrten. Das war für Leute, denen es an der Sache fehlte, die am wichtigsten war: der Fähigkeit, einem Mann leise, schnell und effizient das Leben zu nehmen. Alles andere stand für ihn nicht zur Debatte.

      Als er jung war, und auf seinen Freunden, die zu klein waren, um sich selbst zu verteidigen, herumgehackt worden war. Waren sie zu ihm gekommen, da er schon damals als außergewöhnlich guter Schwertkämpfer bekannt gewesen war – und er hatte ihre Bezahlung angenommen. Die, die sie gequält hatten, taten es nie wieder, sie anzufassen, da Merk immer einen Schritt weiterging. Seine Fähigkeiten waren bald weitbekannt, und als Merk mehr und mehr Aufträge annahm, wuchsen auch seine Fähigkeiten, was das Töten anging.

      Merk hätte ein Ritter werden können, ein gefeierter Krieger wie seine Brüder. Doch er hatte sich stattdessen dafür entscheiden, im Schatten zu wirken. Als er das erlangte, was ihn interessierte, nämlich tödliche Effizienz, erkannte er schnell, dass Ritter mit all ihren schönen Waffen und schwerfälligen Rüstungen nicht so schnell und effizient töten konnten wie er, ein einzelnen Mann mit Lederharnisch und einem scharfen Dolch.

      Während seiner Wanderung spießte er mit seinem Stab die Blätter auf und erinnerte sich an eine Nacht in der Taverne mit seinen Brüdern, als feindliche Ritter ihre Schwerter gezogen hatten. Seine Brüder waren umzingelt gewesen, in der Unterzahl; doch während all die schicken Ritter herumstanden, hatte Merk nicht gezögert. Er war mit seinem Dolch durch ihre Reihen gehuscht und hatte ihnen die Hälse aufgeschlitzt, bevor sie auch nur ihre Schwerter heben konnten.

      Seine Brüder hätten ihm danken sollen, doch stattdessen distanzierten sie sich von ihm. Sie fürchteten ihn, und sie blickten auf ihn herab. Das war die Dankbarkeit, die er erhielt, und ihr Verrat verletzte Merk tiefer, als er zugeben wollte. Er vertiefte den Bruch zwischen ihnen, mit all ihrer edlen Ritterlichkeit. In seinen Augen war alles nur eigennützige Heuchelei. Sollte sie doch in ihren glänzenden Rüstungen herumlaufen und auf ihn herabblicken, doch wenn er mit seinem Dolch nicht gewesen wäre, wären sie alle tot.

      Merk wanderte immer weiter und versuchte seufzend, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Während er nachdachte, erkannte er, dass er die Quelle seines Talents nicht ganz verstand. Vielleicht war es, weil er so schnell und geschickt war; vielleicht war es weil er schnelle Hände hatte; vielleicht, weil er in besonderes Talent dafür hatte, lebenswichtige Punkte zu finden; vielleicht war es auch, weil er nie davor zurückschreckte, den einen Schritt weiterzugehen, den letzten Stoß zu vollziehen, vor dem sich andere Männer fürchteten; vielleicht war es auch, weil er niemals zweimal zuschlagen musste – oder es war, weil er improvisieren konnten und mit jedem Werkzeug töten konnte, das ihm zur Verfügung stand – einem Federkiel, einem Hammer, eine Holzscheit. Er war gerissener als andere, anpassungsfähiger und schneller auf den Beinen – eine tödliche Kombination.

      Als er heranwuchs, hatten all diese stolzen Ritter sich von ihm distanziert und sich im Stillen sogar über ihn lustig gemacht (denn niemand wagte es, es ihm direkt ins Gesicht zu sagen). Doch jetzt, wo sie alle älter waren, und ihre Fähigkeiten schwanden, während sein Ruhm sich verbreitete, war er derjenige, an den sich Könige wandten, während sie alle in Vergessenheit gerieten. Denn was seine Brüder nie verstanden hatten war die Tatsache, dass Ritterlichkeit nicht das war, was einen König ausmachte. Es war die hässliche, brutale Gewalt, die Angst, die Vernichtung der Feinde – einer nach dem anderen, das grausame Töten, das niemand sonst tun wollte, das Könige zu dem machte, was sie waren. Und er war es, an den sie sich wandten, wenn sie wollten dass jemand die wirkliche Arbeit für sie erledigte.

      Mit jedem Schritt und jeder Berührung seines Stabes dachte er an seines Opfer. Er hatte die schlimmsten Feinde des Königs getötet – nicht mit Gift – dafür kauften sie niedere Meuchelmörder, Giftmischer und Verführerinnen. Die schlimmsten Feinde jedoch wollten sie oft mit einem Paukenschlag beseitigen, und dafür brauchten sie ihn. Für etwas Grausiges, etwas Öffentliches: einen Dolch im Auge, einen Leichnam, der auf einem öffentlichen Platz lag, oder aus einem Fenster hing, damit alle beim nächsten Sonnenaufgang den sehen konnten, der es gewagt hatte, sich dem König zu widersetzen.

      Als der alte König Tarnis das Königreich aufgegeben hatte, hatte er Pandesia die Tore geöffnet, und Merk war sich zum ersten Mal in seinem Leben leer und nutzlos vorgekommen. Ohne einen König, dem er dienen könnte, hatte er das Gefühl gehabt, herrenlos zu sen. Etwas, das lange Zeit in ihm vor sich hin geköchelt hatte, war zum Vorschein gekommen, und aus irgendeinem Grund, den er nicht verstehen konnte, begann er, über das Leben nachzudenken. Sein ganzes Leben lang war er vom Tod besessen gewesen, vom Töten, davon, Leben zu nehmen. Es war ihm leicht gefallen – zu leicht. Doch jetzt schien sich etwas in ihm zu verändern; es war, als ob er kaum den Boden unter den Füssen spürte. Er hatte immer aus erster Hand gewusst, wie zerbrechlich das Leben war, und wie leicht es einem genommen werden konnte, doch jetzt begann er darüber nachzudenken, wie man es schützen konnte. Leben war so zerbrechlich, so vergänglich. War es zu schützen nicht die schwerere Aufgabe?

      Und ohne es zu wollen, begann er sich zu fragen: was war das, was er anderen nahm?

      Merk wusste nicht, was diese Reflexion ausgelöst hatte, doch er fühlte sich zutiefst unwohl dabei. Etwas war in ihm aufgetaucht, eine große Übelkeit, und er war des Tötens müde geworden – er hatte eine Abneigung dafür entwickelt die so groß war wie der Spaß, den er einst daran gefunden hatte. Er wünschte sich, dass es eine Sache gäbe, auf die er alles zurückführen konnte – den Mord an einer bestimmten Person vielleicht – doch die gab es nicht. Es hatte sich vollkommen grundlos angeschlichen. Und das war das, was ihn am meisten irritierte.

      Anders als andere Söldner, hatte Merk nur Aufträge angenommen, die er für gerechtfertigt hielt. Erst später im Leben, als er zu gut in dem geworden war, was er tat, als die Bezahlung zu groß geworden war, die Leute, die seine Dienste in Anspruch nahmen zu wichtig, hatte er angefangen, die Grenzen zu überschreiten, und Leute gegen Bezahlung umgebracht, die nicht unbedingt schuldig waren – nein, Schuld war kein Grund mehr gewesen. Und das war es, was ihn störte.

      Merk hatte eine mindestens genauso große Leidenschaft dafür entwickelt, das wiedergutzumachen, was er getan hatte, um anderen zu beweisen, dass er sich ändern konnte. Er wollte seine Vergangenheit auslöschen, alles, was er getan hatte rückgängig machen, er wollte Buße tun. Er hatte den stillen Eid geschworen, nie wieder zu töten; niemals wieder einen Finger gegen andere zu heben, und den Rest seiner Tage damit zu verbringen, Gott um Vergebung zu bitten, sich selbst der Hilfe für andere zu widmen, und ein besserer Mensch zu werden. Und das war es, was ihn auf diesen Waldweg geführt hatte.

      Merk sah den Waldweg vor sich ansteigen und dann wieder abfallen, leuchtend von den weißen Blättern. Immer wieder wanderte sein Blick auf der Suche nach dem Turm von Ur gen Horizont, doch er war immer noch nicht zu sehen. Er wusste, dass dieser Pfad in irgendwann dorthin führen musste,

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