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arg bedrängten Herzen Luft.«

      »Alles Uebrige weißt du. Dein Vater fand mich fünf Tage später im Walde – ich war heimathlos, – zu Hause durfte ich nicht wagen wieder zu erscheinen, meinen eigenen Vater hatten sie vor meinen Augen erschlagen, und wie konnten mich die ärmlichen Ueberreste meines Stammes vor den Verfolgungen der Weißen schützen? Du nahmst mich auf, Gabriele, und an Deinem Herzen habe ich Schutz und Hülfe gefunden.«

      »Aber weshalb denn dieser stete Gram, Du liebes Kind?« sagte die Jungfrau schmeichelnd, »sei doch froh wie ich, Du bist ja bei Freunden, die Dir kein Leid geschehen lassen; oder drückt Dich noch ein Schmerz?«

      »Hast Du heute gesehen?« frug Saise mit ängstlich umherschweifenden Blicken, »hast Du gesehen, wie sie das arme Wesen ihrem Herrn auslieferten, dem es – er sagte so – entflohen war?«

      »Aber das war eine Sklavin und er ihr Herr, liebes Kind.«

      »Und woher weißt Du, daß er ihr Herr war? schwur sie nicht, sie habe ihn ihr Lebtage nicht gesehen?«

      »Er hatte ja den Kaufbrief, in dem ihre ganze Person beschrieben stand,« lächelte Gabriele; »Du närrisches Kind, was quälst Du Dich denn mit so trüben, ängstlichen Bildern ab; wie mag Dich das nur beunruhigen?«

      »Er hatte den Kaufbrief, in dem ihre ganze Person beschrieben stand, und die Leute hier – großer Gott – sie lieferten sie ihm aus –« schrie die Indianerin, von ihrem Sitze emporspringend.

      »Hilf Himmel – Saise!« rief Gabriele besorgt, denn sie fürchtete für den Verstand der Unglücklichen, »was fehlt Dir? was hast Du?«

      »Gebunden führte er sie hinweg,« fuhr das Mädchen in entsetzlicher Aufregung fort – »gebunden! und auch über mich – auch über mich ist ein solcher Kaufbrief ausgestellt; auch meine Person, mein Aussehn – meine Haare – meine Augen – sogar das Maal auf meiner Schulter beschrieben. – O du allgütiger Gott!« – Sie brach schluchzend zusammen und barg ihr Antlitz in den Kissen des neben ihr stehenden Sessels.

      Gabriele war erschreckt aus der Hängematte gesprungen und bog sich leise zu der Unglücklichen nieder; mit tröstenden Worten wollte sie dabei ihren Kummer stillen, aber ach, sie kannte selbst nur zu gut die Gefahr, die unter solchen Umständen, wenn sie von jenem Buben wirklich wiederentdeckt würde, der armen Verfolgten drohte.

      »Komm,« sagte sie dann plötzlich zu der Indianerin, deren Angst sich in einer lindernden Thränenfluth gelöst hatte – »komm, fasse Muth, noch weiß ich Rath Dir zu helfen. Du kennst unseren Freund,« fuhr sie fort, als das Mädchen mit den großen dunkeln feuchten Augen zu ihr aufschaute, – »Du kennst den jungen Creolen St. Clyde – er ist uns freundlich gesinnt, – Beiden – Dir sowohl wie mir, und hat sogar selbst lange an den südwestlichen Grenzen Missouris, zwischen den Cherokesen wie Osagen gelebt – der muß Rath schaffen; entweder kann er dorthin eilen und Zeugen herbeiholen, oder er sendet einen Boten, um das zu bewerkstelligen. Auf jeden Fall mußt Du selbst klagbar gegen den Verbrecher auftreten, das ist der einzige Ausweg seinen Angriffen zu begegnen.« – »Cöleste – Cöleste,« rief sie dann ihrer kleinen Negerin, die noch immer eifrig unten beschäftigt war, die toll und bunt durcheinander laufenden Küchlein zu zählen – »Cöleste, komm schnell herauf und schicke mir vorher Endymion.«

      Die Kleine gehorchte dem Befehl und erschien gleich darauf selbst oben an der Treppe; die großen dunkeln Augen standen aber voll Thränen, und das Gesicht verzog sie zu einer entsetzlich weinerlichen und ernstkomischen Miene.

      »Was fehlt Dir, Cöleste?« frug Gabriele freundlich.

      »O Missus« – schluchzte nun das Kind, dessen Schmerz sich bei diesen freundlichen Worten Bahn brach, »o Missus – ich – ich kann – ich kann nicht zählen – zählen – die Küchel – Küchelchen – sie laufen; – huhuhu – sie laufen so geschwinde.«

      »Komisches Kind,« lachte Gabriele – »geh – ruf Endymion schnell, und laß die Hühner, Hühner sein.« Endymion brauchte aber nicht mehr gerufen zu werden, er tauchte eben hinter der Gespielin auf und sagte dann leise:

      »Missus will 'Dymion – hier ist er.«

      »Endymion,« rief Gabriele rasch – »Du weißt, wo Mr. St. Clyde wohnt – wie?«

      »Massa Clyde – jes« – nickte der Schwarze – »aber, Missus – ein fremder Gentleman ist unten« –

      »Schon gut – schick' ihn zum Vater,« fuhr die Creolin ungeduldig fort – »Zu dem reitest Du, und bittest ihn so schnell als möglich, wenn es angeht heute Abend noch – verstehst Du mich, Endymion? heute Abend noch – herüberzukommen, ich – wir – wir hätten etwas Wichtiges mit ihm zu reden.«

      »Aber der Fremde, Missus,« unterbrach sie etwas ängstlich Endymion – »der Fremde – Massa schläft und arme 'Dymion kriegte viel Schläge, wenn ihn weckte –«

      »So laß ihn unten in die Halle treten, dort liegen Bücher und er mag sich die Zeit vertreiben, so gut er kann. Du aber, Endymion, mach rasch und füttere zugleich mein Reitpferd, es könnte sein, daß wir es schnell und zu einem eiligen Ritt gebrauchten; mach fort, Endymion, und kehre recht bald zurück.«

      Das volle runde Gesicht des Knaben verschwand plötzlich unter der steilen Treppe, und wenige Minuten später hörte man schon am Schallen der Hufe, wie er auf flüchtigem Renner, den Fausse Riviere entlang, dem Mississippi zuflog.

      Saise hatte sich aber indessen durch die neue Hoffnung, bald jeder Furcht überhoben zu sein, getröstet; sie wußte – sie mußte es sich wenigstens mit leisem Erröthen gestehen – St. Clyde würde Alles thun was in seinen Kräften stand, sie von jeder Sorge und Gefahr zu befreien, und konnte sie selbst als Klägerin auftreten, dann hätte sich Jener erst, wäre er wirklich erschienen, vor allen Dingen von jedem auf ihm haftenden Verdachte reinigen müssen, und die Beweise ihrer reinen Abstammung konnte sie bis dahin bringen. Sie ergriff der Freundin Hand, hob sie leise an ihre Lippen und flüsterte:

      »Du bist gut – Du bist engelgut und hast mir mit Deinen freundlichen Worten Trost und Ruhe in's Herz gegossen.«

      Die Mädchen hatten sich eng umschlungen und Gabriele hielt erst lange das Antlitz der holden Tochter der Wälder zwischen den zarten Händen, schaute ihr herzlich und liebevoll in die großen dunkeln Augen und drückte dann einen heißen, innigen Kuß auf ihre Stirn.

      Der Overseer bemerkte von seinem Baum aus die Ankunft des Fremden, und schlenderte langsam dem Hause zu.

      »Was zum Teufel nur die beiden Mädchen heute so ernstlich zusammen zu schwatzen haben,« murmelte er dabei vor sich hin – »hol mich der Böse, wenn ich nicht wünsche, das kleine rothe Ding wäre mein – verdammt schade, daß man rothes Fell nicht ebenso leicht kaufen kann wie schwarzes. – Wer der Fremde nur sein mag? – Wahrscheinlich ein Baumwollenspekulant aus New-Orleans. – Nun Zeit wär's, daß er käme – hat wohl gewittert, daß unsere Baumwolle noch nicht verschifft ist – muß die Nachlese nun auch mitnehmen.«

      Mit diesen leise vor sich hin gemurmelten Bemerkungen schritt er langsam an den, in regelmäßigen Reihen errichteten Negerhütten vorbei, dem Herrenhause zu, stieg die, zu diesem emporführenden hölzernen Stufen hinauf und stand im nächsten Augenblick neben dem eben Eingetroffenen.

      »Alle Wetter!« rief er aber hier erstaunt aus – »Pitwell – wo zum Henker kommt Ihr her?«

      »Duxon? – bei Allem was blau ist – hier in Louisiana?« entgegnete der also Angeredete, dem Overseer freundlich die Hand entgegenstreckend. – »Seht, so finden sich alte Freunde nach langen Jahren immer doch einmal wieder zusammen. Wo war's doch, daß wir uns zuletzt sahen?«

      »Je weniger wir davon sagen desto besser,« lachte Duxon – »ich meines Theils habe wenigstens nie mit der Geschichte geprahlt.«

      »Ach – jetzt erinnere ich mich« – lächelte Pitwell – »ja ja, hätte den Spaß bald vergessen; aber Unsinn, 's ist jetzt verjährt und der Mann längst –« er schwieg plötzlich still und warf seinem Gefährten einen schnellen, mißtrauischen Seitenblick zu. »Aber was macht Ihr jetzt?« lenkte er in ein anderes Gespräch ein, »haltet Ihr Euch etwa hier zu Euerm Vergnügen auf, wie die Loafer in der

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