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noch einmal nur, mich noch einmal nur

      Entfliehn im Traum.

      Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt

      Dir zurück, wonach du weinst;

      Und die Schwalbe singt, und die Schwalbe singt

      Im Dorf wie einst.

      Die süße Stimme verklang, und die Sängerin ließ die Hände herabsinken von den Tasten. Ihr gegenüber stand Alfred von Falkner, das Auge wie gebannt auf die Fremde gerichtet, die er vorhin so hart verurteilt hatte. Und das Lied –? Es stieg vor seinem geistigen Auge empor wie eine Erinnerung in verschwommenen Umrissen, als das Lied ertönte. War dieses Lied nicht einst in den Kreuzgängen des Falkenhofes erklungen von einer frischen, hellen Kinderstimme –? Er strich mit der Hand über die hohe Stirn und sann und sann – und es war ihm fast, als müsse er in den frohen Tagen seiner Jugendzeit, in den engen Grenzen der Knabenjahre die Gestalt eines Spielgefährten suchen – ja, da war's ihm, als höre er ein kurzes, helles, spöttisches Lachen –

      Und die Schwalbe singt, und die Schwalbe singt

      Im Dorf wie einst –

      sang Donna Dolores dort am Flügel die Schlußworte ihres Liedes – und versunken waren mit einem Male die abgeblaßten, vergessenen Gestalten – zerronnen in ein Nichts, aus dem sie entstanden.

      »Das nenne ich Musik,« rief Balthasar nach einer Pause und trat auf die Sängerin zu, »das bebte durch die geheimsten Fibern der Seele, denn es war mit dem Herzen gesungen!«

      Donna Dolores fuhr empor und richtete sich aufatmend hochauf. Dann lachte sie kurz, hell und spöttisch, daß Falkner zusammenzuckte, denn ihm kam dieses Lachen so bekannt vor – und ein dunkler Blitz aus ihren wunderschönen Augen huschte auf ihr Gegenüber.

      »Mit dem Herzen?« wiederholte sie laut und deutlich, »Sie irren, Professor Ich spielte heut' in der ›Satanella‹ mein eigenstes Selbst – nicht einen warmen Herzenston vermag ich anzuschlagen, eben weil ich kein Herz habe –«

      Falkner zog die Stirn in Falten, als ihm die Sängerin seine eigenen Worte wie eine Spottdrossel wiederholte – dann zuckte er mit den Schultern, verächtlich, hochmütig.

      Da sprühten ihm die schwarzen Augen einen wahren Teufelinnenblick zu – es schien fast, als ginge ein rotes Feuer aus diesem Blick hervor – wieder lachte der feine, blaßrote Mund jenes seltsame, sinnverwirrende Lachen.

      »Sie sind ein guter Psycholog und Physiolog, Herr von Falkner,« rief ihm Donna Dolores zu – es waren die ersten Worte, die sie an ihn richtete, »Ihr feines Gefühl hat Sie nicht betrogen – ich selbst habe die ›Satanella‹ komponiert!«

      Ein allgemeines »Ah« der Überraschung erscholl, und Falkner biß sich auf die Lippen – er ärgerte sich mit einem Male über sein Urteil, er ärgerte sich, daß er recht hatte. Donna Dolores aber ließ ihre Hände wieder über die Tasten des Flügels gleiten, wild, wirbelnd erschollen die rauschenden Accorde, mit denen das Volk in der ›Satanella‹ den Holzstoß entzündet, um die Hexe zu verbrennen, die sich nun mit einem Male in das nimmer zu vertilgende, ewig lebende böse Prinzip, in den Fluch verwandelt, der auf der Welt seit ihrem Beginne ruht. Mächtig schwollen die Accorde an, und mächtig setzte die Stimme der Sängerin ein:

      Lebt wohl, so lang der Sonne Leuchten

      Verklärt des Weibes ew'ge Macht,

      So lang noch Leidenschaften glühen,

      So lang noch Schönheit lockend lacht,

      So lang noch Männerherzen brechen

      Betrogen durch ein falsches Weib,

      So lang, so oftmals kehr' ich wieder,

      In eurer Mitte stets ich bleib'!

      Entfacht der Flamme rote Gluten,

      Ihr schafft mich nicht aus dieser Welt,

      Denn wo sich Männerhochmut brüstet,

      Mein Scepter reiche Ernte hält.

      Ich wohn' in jedes Weibes Herzen,

      Ich beuge jedes Mannes Macht,

      Ich bin die Schlang' des Paradieses,

      Ich stifte Unheil – drum habt acht!

      Sie schloß mit einem rauschenden Accorde, durch den es wie das Knistern von Flammen klang, und sprang dann empor.

      »'s ist Zeit zur Ruhe – gute Nacht!« rief sie und war verschwunden, ehe sich's die anderen versahen.

      Drunten vor der Thür stand das leichte Coupé der Sängerin, die Pferde stampften schon lange vor Ungeduld, und als Dolores eingestiegen war, entführten sie ihre leichte Last in raschem Trabe dem Hotel zu, das die »Brasilianerin« bewohnte, und wo ihre schwarze Kammerfrau und Duenna in einer Person, die herkulische alte Negerin, schon alles zur Ruhe vorbereitet hatte.

      »Tereza,« sagte Dolores spanisch, als ihr die Negerin die Haare zur Nacht einflocht, »Tereza, wen meinst du wohl, habe ich heut' gesehen? Den ›Erben vom Falkenhof‹.«

      »Alle Heiligen – den Alfred? Hat er dich erkannt, Herrin?«

      »O nein – und ich hab' ihm auch kein Wort darum gesagt. Er ist ein schöner, großer Mann geworden, hochmütig und zurückweisend ernst.«

      »Wie die ganze Falkenbrut,« murrte die alte Tereza. »Nun, laß ihn laufen. Du brauchst ihn nicht und den Alten auch nicht mit seinen klappernden Krücken.«

      »Nein, ich brauche ihn nicht,« sagte Donna Dolores, »aber,« setzte sie mit zuckenden Lippen hinzu, »aber sehen möcht' ich den Falkenhof doch wieder.«

      »So kaufe ihnen das alte steinerne Nest ab, Herrin!« riet Tereza.

      »Das geht nicht,« erwiderte Dolores sinnend, »es ist ein Lehen –«

      »Was ist das?«

      »Das ist – ach Tereza, ich bin müde und möchte schlafen.«

      Sie sank in die weichen Kissen und schloß die Augen.

      »Der Erbe vom Falkenhof!« murmelte sie im Einschlafen.

***

      Bei Professor Balthasar trennte man sich bald, nachdem Donna Dolores sich entfernt hatte.

      »Es freut mich,« hatte Keppler gesagt, nachdem sie gegangen, »es freut mich, daß sie gerade die ›Satanella‹ komponiert hat, und daß sie's bekannte trotz Ihrer scharfen Äußerungen, Baron Falkner, die sie gehört haben muß.«

      »Das bestätigt nur meine Worte,« erwiderte der Legationsrat, seinen Hut ergreifend.

      »Nun, ich will das doch nicht so ohne weiteres zugeben,« meinte Balthasar nachdenklich, »gerade, daß sie mit ihrem Bekenntnis das gehörte harte Urteil bestätigte, beweist, daß sie es nicht zu scheuen hat.«

      Falkner zuckte die Achseln.

      »Hier gehen unsere Ansichten auseinander, Professor. Die Kühnheit der Falconieros blendet Sie, wie ihr Genie die Menge. Mir ist dieses laute Bekenntnis der eigenen Herzlosigkeit mehr zuwider, als ich es ausdrücken kann.«

      »Halt, rechnen Sie diese kleine Teufelei der Señora nicht zu hoch an,« sagte Keppler lachend, »Sie haben sie gereizt!«

      »Wie konnte ich ahnen, daß sie lauschte?« erwiderte Falkner kalt. »Überdies – es konnte ihr nicht schaden, die Wahrheit zu hören.«

      »Das heißt: Ihre Ansicht, Baron,« replizierte Keppler mit Betonung. »Oder wollen Sie an Ihrer Behauptung, Donna Dolores habe kein Herz, jetzt noch festhalten, jetzt, nachdem wir sie so wunderbar ergreifend singen gehört?«

      Ein beinahe feindseliger Blick aus Falkners Augen streifte den Maler.

      »Sie sind selbst Künstler, Herr Keppler,« sagte er kalt, »Sie sollten doch am Ende wissen, wie man Effekt macht. Ich bedaure, wenn mein Skepticismus nicht mit Ihren Ansichten harmoniert, aber es ist mir unmöglich, an die Wahrheit der so schön vorgetragenen Gefühle einer Sängerin von Profession zu glauben.«

      »Das

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