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das er in seinem Arm hielt, vielleicht selbst durch die süße Last zu aufgeregte, verfehlte er den Kopf, und die Kugel fuhr über der rechten Schulter der Bestie in die Weichen. Hoch auf sprang das Tier vor Schmerz, dann aber, als ob die Kugel jede weitere Kampflust vernichtet hätte, stieß es einen durchdringenden Schrei aus und floh mit mächtigen Sätzen in das Dickicht.

      »Die Gefahr ist vorüber, Miß Marion – wenn uns überhaupt eine Gefahr gedroht – das Tier ist entflohen«, sagte Brown leise, »mein Schuß hat es verscheucht – Marion – was ist Ihnen – Marion, fassen Sie sich – um Gottes willen – Marion!« Die lange verhaltenen Gefühle brachen sich aber jetzt mit Gewalt Bahn. Schluchzend lehnte das Mädchen an der Schulter des Geliebten und flüsterte leise, aber in tiefem, bitterem Schmerz:

      »Oh, ich bin sehr, sehr unglücklich!«

      »Marion – Sie töten sich und mich!« rief, von wildem Schmerz erfüllt, der junge Mann; »Oh, daß die glücklichste Stunde meines Lebens auch die sein muß, die mich mein ganzes Elend mit einem Blick überschauen läßt! Ja, Marion, ich liebe dich, liebe dich mit all der Glut eines Herzens, das auf Erden weiter kein Glück kennt, als dich zu besitzen!

      Es ist Zeit, daß wir scheiden« fuhr er dann mit leiser, unterdrückter Stimme fort, »ich darf nicht hier bleiben; meine Gegenwart würde nur Unheil stiften, nur dich und mich elend machen. Morgen schon verlasse ich Arkansas, und im wilden Schlachtenlärm will ich das Andenken an dich zu betäuben versuchen. Vergessen, Marion – vergessen kann ich dich nie!«

      Schluchzend lehnte das Mädchen an seiner Brust, und lange hielten sich die Liebenden schweigend umfaßt.

      »Liebst du den Mann, dem du dich zugesagt?« fragte Brown endlich leise, indem er ihre Hand ergriff, »hast du ihn je geliebt?«

      »Nie – nie!« beteuerte Marion, »ich hatte keinen Willen, kannte niemand, dem ich freundlicher gesinnt gewesen wäre als ihm, weil meine Mutter mit wahrer Verehrung an ihm hing, und alle anderen Leute sagten, daß er ein braver, guter Mann sei. Ich glaubte, es wäre Liebe, was ich für ihn empfand. Da kamen Sie, da sah ich Sie, sah Ihr freies, offenes Benehmen, lernte Ihr redliches, treues Herz kennen und – wurde elend. In Trauerbildern stieg meine Zukunft vor mir empor; ein Leben endlosen Jammers an der Seite des Mannes, den ich nun nicht mehr lieben konnte, hätte er sich auch nicht heute so feig und unmännlich benommen; ein dunkler Nebel umhüllte alle meine Träume von Glück und Zufriedenheit, und mit Ihnen nimmt das schöne Leben von mir Abschied. – Aber Abschied muß sein«, fuhr sie entschieden fort, »selbst unser Zusammensein hier ist Sünde. Ich bin dem fremden Manne verlobt – bin seine Braut – lassen Sie also dies das letztemal sein, daß wir uns sehen – es ist besser für uns beide.«

      »Sie haben recht, Marion, wir müssen scheiden, ich bin das Ihrem Herzen, Ihrer Ehre schuldig. Ich will Sie nur noch zurückgeleiten zu den Ihrigen, dann kreuze ich Ihren Pfad nie mehr.«

      Er umschlang in heftigem Schmerz die Geliebte, und ihre Lippen begegneten sich zum erstenmal im langen Abschiedskuß; dann riß sich Marion aus seinem Arm. Harper und Roberts begegneten ihnen gleich darauf; sie hatten den Schuß gehört und gefürchtet, es könne ihnen etwas geschehen sein. Roberts nahm seiner Tochter Arm, und Harper und Brown folgten ihnen in geringer Entfernung.

      »Onkel«, sagte Brown, nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander hergeschritten waren, »Onkel – ich reise morgen früh!«

      »Unsinn!« rief Harper und blieb, seinem Neffen ins Auge sehend, erschrocken stehen. »Unsinn!« sagte er noch einmal, aber mit ungewisser, nur noch halb zweifelnder Stimme, »und wohin willst du?«

      »Nach Texas.«

      »Willst deinen alten Onkel hier allein auf dem trockenen sitzen lassen? Ist das recht?«

      »Ich muß fort, Onkel!«

      »Du mußt? Und wer zwingt dich?«

      Brown schwieg und wandte sein Gesicht ab, drückte aber krampfhaft des alten Mannes Hand.

      »Und da soll ich wirklich hier zurückbleiben, trübselig und einsam in meiner Hütte? Bill, das ist hart – das ist nicht recht von dir. Ich werde dich enterben, Bill!« fuhr er nach einigen Sekunden wehmütig lächelnd fort, »ich enterbe dich wahrhaftig!«

      Brown ergriff seine Hand. Der alte Mann war arm, und alles, was beide jetzt an Land, Vieh und Geld besaßen, gehörte eigentlich dem Neffen.

      »Haben Sie keine Angst, Onkel – Ihr Alter ist gesichert. Sie wissen ja, daß ich vor acht Tagen einen Brief von meinem Advokaten aus Cincinnati erhielt. Mein Prozeß ist gewonnen, und die Auszahlung der Gelder kann nicht mehr lange dauern; heute abend noch schreibe ich an Wolfey und gebe ihm den Auftrag, alles an Ihre Adresse zu befördern. Sie werden es dann verwalten, bis ich zurückkehre, und – kehr’ ich nicht zurück – nun – doch darüber sprechen wir noch. Ich will morgen früh an den Petite-Jeanne und von da nach Morrisons Bluff am Arkansas hinüber, wo ich Geschäfte zu besorgen habe. In acht Tagen komm’ ich dann auf meinem Wege nach Texas noch einmal an Ihrem Hause vorbei. Inzwischen erhandeln Sie den Fuchs für mich von Mr. Roberts.«

      »Hallo da!« rief Roberts jetzt vom Haus aus, das er mit seiner Tochter indessen erreicht hatte, »hallo da! – ihr geht ja, als ob ihr Blei an den Sohlen hättet – kommt, Brown – das Abendessen ist fertig.«

      »Und du willst wirklich fort?«

      »In diesem Augenblick brech’ ich auf. Ich muß noch den Brief schreiben und Kugeln gießen, auch etwas Brot backen, um einigen Proviant mitnehmen zu können.«

      »Kommst du aber auch gewiß in acht Tagen wieder hier vorbei?«

      »Hier meine Hand darauf – ich muß ja auch das Pferd abholen; bis dahin – leben Sie wohl, Onkel, in acht Tagen bin ich sicher wieder da. Sagen Sie aber Roberts nichts davon, daß Sie mich zurückerwarten – ich – ich könnte dann keine Zeit haben, ihn zu besuchen, und er möchte das übelnehmen.«

      »Heda, Brown! – Was will den Brown im Stall, Harper?« fragte Roberts, als dieser allein ins Haus kam, »das Essen wird kalt, meine Alte hat schon gebrummt.«

      »Er will fort«, meinte Harper traurig, »weiß der liebe Gott, was ihm in den Schädel gefahren ist.«

      »Fort? Heut abend?« riefen Mr. und Mrs. Roberts, »aber weshalb denn?«

      »Er hat Geschäfte morgen am Petite-Jeanne und muß erst noch vorher nach Hause. Da würde es zu spät werden, wenn er heute nacht hierbliebe.«

      »Sonderbar, daß ihm das so auf einmal eingefallen ist«, sagte Mrs. Roberts, »heute nachmittag war er doch ganz damit einverstanden, den Abend hier zuzubringen.«

      »Er hat mit mir schon unterwegs davon geredet«, sagte Marion, während sie sich abwandte, ihr Bonnet abzulegen, »und daß es ihm leid sei, nicht bei uns bleiben zu können. Er muß wohl dringende Geschäfte haben.«

      »Ja, und ich will ihn lieber begleiten«, warf Harper ein, »wir haben keine Köchin weiter zu Hause als mich, und da muß ich doch für Proviant sorgen. Es könnte sein, daß er einige Tage wegbleibt.«

      »Aber, Mr. Harper!« rief Mrs. Roberts halb beleidigt, »ich begreife Sie beide gar nicht, das Abendbrot ist angerichtet. So essen Sie nur wenigstens erst einen Bissen!«

      »Danke schön, Mrs. Roberts – danke schön – morgen früh, wenn Sie nichts dagegen haben, lad’ ich mich zum Frühstück ein, denn die Jagd mach’ ich mit, Roberts. – Jim, bring mir mein Pferd auch – aber schnell«, unterbrach er sich, einem kleinen Negerjungen den Befehl gebend. »Also um sechs Uhr bin ich hier. Soll ich den Indianer mitbringen?«

      »Der kann uns beim Aufsuchen der Schweine von wesentlichem Nutzen sein«, meinte Roberts.

      »Aber, Mr. Harper – nur eine Tasse Kaffee, ehe Sie gehen. Sie haben doch nichts Warmes, wenn Sie nach Hause kommen.«

      »Das ist eine unbestrittene Wahrheit, Mrs. Roberts«, erwiderte der alte Mann, während er zum Tisch trat und die dargebotene Schale heißen Kaffees leerte, »leider wahr – ‹s ist ein elendes Leben, so eine Junggesellenwirtschaft – ich denke, ich heirate!«

      »Hahaha!« rief Roberts lachend, »das

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