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was er kostet. Ja, die Schneider sind merkwürdig teuer in Little Rock. Neulich, wie ich unten war…«

      »Gute Nacht, Mr. Roberts – gute Nacht, Ladys!« rief Brown vor dem Hause, wo er mit dem Pferd hielt.

      »Aber, Mr. Brown – so kommen Sie wenigstens einen Augenblick herein und trinken Sie eine Tasse Kaffee – Ihr Onkel…«

      »Danke herzlich, Madame – habe gar keinen Durst – gute Nacht nochmals allen!«

      »Halt da, Bursche, ich komme mit«, rief Harper.

      »Sie, Onkel?«

      »Jawohl, – da ist schon das Pferd. – Nun also morgen früh, und, Roberts, nehmt nicht etwa wieder die kleingebohrte Büchse mit, gießt lieber heut abend Kugeln für die andere, ‹s ist ein elendes Schießen mit einem so erbärmlichen kleinen Blei. Gute Nacht allen denn«, fuhr er fort, als er aufstieg und sich im Sattel zurechtsetzte, »gute Nacht!«

      Mr. und Mrs. Roberts standen in der Tür – hinter ihnen Marion.

      »Gute Nacht!« rief Brown noch einmal und schwenkte den Hut – noch einmal sah er die Gestalt der Geliebten, zum letztenmal rief er den Gruß hinüber und stieß dann dem Pferd den Hacken so wild in die Seite, daß dieses mit jähem Seitensprung in die Höhe fuhr und in wenigen tollen Sätzen aus dem Lichtschein verschwand, der aus der offenen Tür des Hauses drang.

      »Halt da!« rief Harper dem Neffen zu, »bist du toll – willst du Hals und Beine brechen? Hübsch langsam, wenn ich Schritt halten soll – toller Bursche…« Und noch lange hörte man den alten Mann schimpfen und räsonieren, wie er sein Pferd antrieb, um das unruhig galoppierende Tier seines Neffen wieder einzuholen.

      »Seltsam!« sagte Mrs. Roberts, als sie sich zum Abendessen mit ihrem Mann und ihrer Tochter niedersetzte, »seltsam! Das war doch ein ganz absonderliches Betragen von den beiden – hätten den heiligen Sabbat auf eine würdigere Weise beschließen können als heimzureiten und…«

      »Torheit Alte!« unterbrach sie Roberts, »dem Jungen, dem Brown, geht die Geschichte mit dem Lump Heathcott noch im Kopf herum; kann’s ihm nicht verdenken. Der Bube drohte sehr unzweideutig, ihn über den Haufen zu schießen, wo er ihn finden würde, und er ist schlecht genug dazu, in dieser Hinsicht sein Wort zu halten.«

      »Glauben Sie wirklich, Vater?« fragte Marion, leichenblaß werdend.

      »Nun, der Junge wird schon seinen Mann stehen«, fuhr der Alte fort, »ein tüchtiger, braver Bursche ist’s, hat das Herz auf dem rechten Fleck. Seit der Zeit, wo er mit seinem Onkel herkam – das sind nun jetzt etwa sechs Wochen; nicht wahr? Ich dächte, ich hätte damals gerade das neue Stück Land eingefenzt, wo uns noch das eine Stück wieder abbrannte. Ja, die Tagelöhner soll der Henker holen, und wenn es aus einem fremden Säckel geht…«

      »Trinkst du noch eine Tasse Kaffee, Roberts?« fragte seine Frau.

      »Nein, danke schön.«

      »Nun, dann wollen wir unser Abendgebet halten«, sagte die Matrone und holte vom kleinen Gesims die sorgsam aufbewahrte Heilige Schrift herunter.

      6. Die Bärenhetze – Der sonderbare Fund – Des Indianers Scharfsinn

      Der nächste Morgen brach klar und hell herein. Im Osten stahl sich der erste lichte Schein über die Berge; der Whip-poor-will sang noch seine wehmütig-monotone Weise, die Eulen riefen aus dem dichten Oberholz der Niederungen, und hier und da antwortete ihnen das Kollern eines balzenden Truthahns. In den Büschen wurden die kleineren Singvögel munter, und weit im Walde drinnen krähte auf einem einsam liegenden Farmhof ein wackerer Haushahn seinen durchdringenden Weckruf in die frische, erquickende Morgenluft hinaus. Tau war reichlich gefallen, an jedem Grashalm hing eine Reihe klarer Kristalle, und von den Zweigen fielen die großen hellen Tropfen auf das feuchte Laub nieder. Dabei strömten Blumen und Blüten so erquickende Wohlgerüche aus, daß die Brust sich freier hob und mit Entzücken den balsamischen Wohlgeruch einsog.

      Zwei Reiter ritten langsam auf der Countystraße hin. Es waren Harper und Brown, beide heute in der Tracht der westlichen Jäger, ledernes Jagdhemd, Leggins und Mokassins, gekleidet mit Büchsen auf den Schultern und ihre breiten Jagdmesser an der Seite. Brown hatte seinem Onkel alles gestanden; es würde ihm das Herz abgedrückt haben, hätte er es dem väterlichen Freunde verschweigen sollen, und ohne ein Wort zu wechseln, waren beide, jeder mit seinen eigenen ernsten Gedanken beschäftigt, bis nahe zu der Salzlecke gekommen, wo Harper am vorigen Tage den Hirsch gefangen hatte. Von dort aus zog sich ein kleiner Seitenpfad rechts über den Gebirgsrücken nach dem Zypressenfluß und dem Petite-Jeanne hinüber, und Brown hielt hier, um von seinem Onkel Abschied zu nehmen.

      »Nun lebe wohl, mein Junge!« sagte dieser endlich, nachdem sie sich die Hände herzlich geschüttelt hatten, »besorg deine Geschäfte und kehre dann mit heiterem Sinn zurück. Du wirst das Mädchen schon vergessen lernen. – Nun ja, ich glaub’ dir’s, es wird schwerhalten, aber, du lieber Gott, man vergißt ja so vieles. Ich könnte dir darüber auch eine recht traurige Geschichte erzählen, doch sind wir beide schon verstimmt genug ohne ein zweites Jammerlied. Ich besorge dir indessen hier alles, was du haben willst: Den Fuchs werde ich kaufen, die Decken will ich dir übermorgen selbst von Little Rock holen oder doch durch sichere Hand beschaffen lassen, die Kugeltasche sollst du auch bekommen, und Alapaha muß bis dahin die Felle zum neuen Jagdhemd fertig gegerbt haben. Es hat ja bis jetzt auch nur an Hirschgehirn gefehlt, sie fertig zu machen, und vier Hirsche werden wir doch wohl noch schießen. Also – behüte dich Gott, mein Junge – und komm bald wieder und hab wohl acht auf dich, und kommst du den Regulatoren in den Weg – die Kerle sind dahinauf geritten – so fange keinen neuen Streit mit ihnen an. Es nutzt nichts, und du hast keine Ehre davon.«

      »Haben Sie keine Angst, Onkel, der Bursche geht mir schon aus dem Wege, und drängt er sich mir wirklich entgegen, nun, so werde ich mir sicherlich Raum zu verschaffen wissen. Doch jetzt ade – sollte in meiner Abwesenheit das Geld von Cincinnati kommen, dann wissen Sie, was Sie damit zu tun haben – ade. In acht Tagen bin ich wieder da und – nicht wahr? einen Gruß bestellen Sie noch an Marion – den letzten Abschiedsgruß – dann will ich mich daran gewöhnen, sie zu vergessen. Good-bye, Onkel, wenn wir uns wiedersehen, hoff’ ich, daß wir beide die alte fröhliche Laune wiedergewonnen haben.«

      Die Männer schieden, und Harper hielt noch so lange auf der Straße, bis die schlanke Gestalt seines Neffen auf dem kleinen rauhhaarigen Pony hinter dem scharfkantigen Bergrücken verschwunden war. Dann verfolgte er, mit dem Kopfe schüttelnd, seinen Weg wieder, pfiff aber auf eine entsetzlich falsche und gellende Weise ein altes Lied, ohne dabei eine Idee von Takt oder Tonart zu beachten. Nur seine Gesichtsmuskeln arbeiteten gewaltig, und es war augenscheinlich, daß der alte Mann seinen Schmerz- übertönen wollte. Bald darauf erreichte er Roberts’ Haus wieder.

      Hier herrschte ein reges Leben; noch zwei Jäger aus der Nachbarschaft waren eingetroffen, und Harper wurde mit einem lauten Hallo begrüßt. Die Männer jubelten, die Hunde heulten, die Gänse und Enten schnatterten, und es war ein Spektakel, daß der alte Haushahn erschrocken auf das Dach flatterte und, höchst verwundert den Kopf wendend, auf die Lärmenden niederblickte.

      Das Frühstück stand bereit: heißer Kaffee mit Sahne und braunem Zucker, gebratener Speck und Bärenrippen, etwas Hirschfleisch, saure Gurken, Honig und Butter. Die Männer ließen sich auch nicht lange nötigen, und bald verrieten die geleerten Schüsseln, wie gut es ihnen geschmeckt hatte. Jeder hing dann seine Kugeltasche um, nahm die Büchse und bestieg sein vor der Tür wartendes Pferd; Harper nur trat noch, ehe er den übrigen folgte, zu Marion, die sinnend am Kamin saß, und drückte schweigend ihre Hand. Das Mädchen blickte erschrocken zu ihm auf, als es aber seinem Blick begegnete, las es in diesem den Abschiedsgruß des Geliebten.

      In der nächsten Minute waren die Jäger beritten. Der Ton des an Roberts’ Seite hängenden kleinen Horns brachte die Hunde alle zur Stelle, die heulend und winselnd an den Pferden emporsprangen, und fort ging’s mit dem fröhlichen Jagdgeschrei, hinein in den grünen blühenden Wald.

      Harpers Trauer schwand in dem Augenblick, als sein Pferd den dunklen Schatten der Bäume betrat; er war nur noch Jäger, und ein Jäger in Arkansas hat nicht Zeit für Sorge, Not und Kummer. Wenn ihn der grüne Wald umfängt, wenn

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