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Sammelband "Tatort Hunsrück" Teil 1. Hannes Wildecker
Читать онлайн.Название Sammelband "Tatort Hunsrück" Teil 1
Год выпуска 0
isbn 9783750209398
Автор произведения Hannes Wildecker
Жанр Языкознание
Серия Tatort Hunsrück
Издательство Bookwire
„Wir … wir haben den Zeugen befragt und die Kripo verständigt“, meinte der ältere der beiden und sah sich fragend um, als überlegte er, ob da etwas sei, das zu tun vergessen hatten.
„Den Tatort abgesperrt, das habt ihr auch?“ Lenis Blick war lauernd und ihr Gesichtsausdruck leicht aggressiv.
„Abgesperrt?“ Der junge Beamte schien nicht zu verstehen. „Wir sind doch hier. Wir hatten alles im Griff.“
„Schon mal den Begriff Flatterband gehört? Oder Polizeiabsperrung? Nein? In zwei Minuten ist der Tatort weiträumig mit diesem Band versehen, ist das klar? Und dass niemand außer Polizeikollegen den Tatort betritt! Der Arzt, natürlich. Der Arzt darf durch. Falls Ihr Flatterband suchen solltet. In eurem Fahrzeug ist welches. Gehört zur Ausstattung der Polizei. Und sagt auf der Dienststelle Bescheid. Sie sollen einen Arzt schicken. Am besten Dr. Kämmerlein. Was ist eigentlich mit der Dienststellenleitung? Sind die immer noch auf der Tagung in Mainz?“
„Ich glaube ja“, antwortete der kleinere von ihnen kleinlaut schulterzuckend und machte sich auf, seinem Kollegen zu folgen, der bereits im Kofferraum des Polizeifahrzeuges kramte.
„Denen hast du es ja gegeben“, grinste Overbeck. Die Nerven scheinen etwas blank zu liegen, oder?“
„Ist es ein Wunder. Wo bleibt nur Peters mit der Spurensicherung?“
„Wäre er mit uns im Hochwaldstübchen gewesen, würde er jetzt auch seine Arbeit hier tun. Aber er hat es nun mal etwas weiter. Ich beginne mit der Tatortaufnahme. Kümmerst du dich um den Zeugen?“
Leni atmete tief durch und wandte sich an den älteren Mann, der auf seinen Spazierstock gestützt, darauf wartete, dass man sich um ihn kümmerte.
„Heil. Franz Heil ist mein Name“, sagte er und lüftete kurz
seinen grünen Wanderhut, als Leni nähertrat. „Ich spaziere fast jeden Abend am Rand der Stadt durch die freie Natur. Ich werde bald siebzig und in meinem Alter muss man achtgeben, dass man nicht einrostet. Hermeskeil ist zwar nur eine kleine Stadt, aber wenn sie mittendrin wohnen, dann brauchen Sie schon eine regelmäßige Sauerstoffzufuhr.“
„Haben Sie den Toten so vorgefunden?“, fragte Leni, während sie notierte.
„Ja, glauben Sie ich hätte hier etwas angefasst oder verändert? In der Dunkelheit. Ich war froh, als die beiden Polizisten kamen. Ich hatte die Polizei mit meinem Handy verständigt. Gott sei Dank hatte ich das Handy dabei. Ich wollte ja nie eines haben, müssen Sie wissen, aber meine Kinder. Ja, meine Kinder haben darauf bestanden. Es kann doch mal etwas mit dir sein, haben sie gesagt. Oder du musst für jemand anderen Hilfe holen.“
Heil sah für einen kurzen Moment zu dem Toten hinüber. „Der braucht keine Hilfe mehr. Schrecklich, was sie mit ihm gemacht haben. Aber sehen Sie, meine Kinder hatten Recht. Ich habe das Handy gebraucht. Ohne das Handy …“
„Sie haben alles richtiggemacht“, unterbrach Leni den Redeschwall des Mannes „Um wie viel Uhr genau fanden Sie den Toten?“
„Es war genau 20.10 Uhr. Ich habe auf die Uhr gesehen. Im Fernsehen, in den Krimis, fragen die Ermittler auch immer danach. Das behält man. Ich schaue mir jeden Tatort an. Als Rentner hat man ja genug Zeit dazu.“
Leni lächelte den Mann an. „Das ist sehr gut. Ich notiere mir noch Ihre Personalien für den Fall, dass wir noch einige Fragen an Sie haben. Dann können Sie gehen.“
Inzwischen waren auch Peters und sein Kollege Franzen am Tatort eingetroffen. Overbeck überließ den beiden das Feld und kam auf Leni zu. In der einen Hand hielt er eine Briefmappe und in der anderen einen weißen, blutbefleckten Zettel. Leni wusste, was es war, ehe sie ihn ansah.
„Der Adler?“
„Der Adler. Die gleiche Handschrift. Da gibt es keinen Zweifel.“
„Der Tote?“
„Ewald Kerner, 43 Jahre alt. Als Wohnsitz ist Thalfang eingetragen.“
„Thalfang? Liegt ungefähr 15 Kilometer von hier entfernt.“
„Kerner, Kerner? Den alten Ermittlungs-Unterlagen zufolge hat er hier in Hermeskeil gelebt. Hätten wir seine neue Anschrift erkundet, dann …“
„Dann hätten wir auch nichts für ihn tun können. Oder hättest du dich als sein persönlicher Bodyguard geopfert? Nein, das ist nicht unsere Aufgabe. Die beiden anderen, die offensichtlich auch auf der Abschussliste des Mörders stehen, werden wir warnen. Umgehend. Aber das war es dann auch schon. Sie sollen sich selbst schützen. Polizeischutz, das können wir uns nicht erlauben.“
„Ja, ich weiß: Sie haben es sich selbst zuzuschreiben. Ich werde mit Krauss sprechen“, erwiderte Leni kurz. „Er soll entscheiden. Wir haben dann zumindest alles getan und brauchen uns keine Vorwürfe zu machen.“
Peters kam auf Leni und Overbeck zu. Franzen richtete den Inhalt der Spurenkoffer und schloss die Behältnisse.
„Man hat ihm das rechte Bein zerschlagen“, sagte Peters. „Wie bei Dellmann.“
Der Arzt war immer noch nicht da.
Leni telefonierte mit dem Bestattungsinstitut. Man möge sich noch etwas Zeit lassen, die Leichenschau sei noch nicht abgeschlossen.
„Und?“ Leni sah Peters fragend an. „Wie lange ist er tot?“
„Ich hoffe, dass ich mich nicht irre. Aber der Tod dürfte vor etwa zwölf Stunden eingetreten sein.“
„Das würde bedeuten, er wurde am gestrigen Abend ermordet?“
„Ja, zu einer Zeit, als es noch hell war.“
„Dann muss sich der Täter sehr sicher gewesen sein. Kannst du bestätigen, dass die Tat hier geschah oder wurde er nachträglich nach hier gebracht?“
„Nein, es geschah hier, zweifellos. Entweder ist das Opfer freiwillig bis hierher mitgekommen oder …“
„Oder es war willenlos.“ Overbeck klappte sein Notizbuch zu und sah zu dem Toten hinüber. „KO-Tropfen, wie im Fall Dellmann. Warum sollte es dieses Mal anders sein? Selber Täter, gleiche Vorgehensweise. Da ist der Doc.“
Natürlich war es Dr. Julius Kämmerlein, der seine schlanke, ja fast dürre Gestalt zum Tatort schleppte. Sein Fahrzeug hatte er offensichtlich vor dem Haus abgestellt, der Arztkoffer in seiner Hand schien seinen sehnigen Arm unter dem kurzärmeligen Hemd in die Länge zu ziehen.
„Was ist denn hier schon wieder los?“, fragte er, doch Overbeck gab ihm mit dem Kopf ein Zeichen in Richtung des Toten und Kämmerlein schlurfte in dessen Richtung.
„Wir haben das Flatterband um den Tatort befestigt“, ertönte eine Stimme hinter Overbeck und Leni. Die beiden jungen Kollegen näherten sich und der kleinere von ihnen hielt einen Baseballschläger in der Hand.
„Ich habe ihn nicht angefasst“, beeilte er sich zu sagen und zeigte auf den Gummihandschuh, den er über die rechte Hand gestreift hatte.
„Das hätte mich auch gewundert.“ Overbeck atmete tief durch. Leni hatte ganze Arbeit geleistet.
Der junge Kollege stutzte. „Haben wir etwas falsch gemacht?“
„Nein, alles in Ordnung.“ Overbeck streifte sich ein neues Paar Gummihandschuhe über und nahm den Schläger an sich. „Wo habt ihr ihn gefunden? Lag er hinter dem Schuppen dort hinten?“
Die beiden nickten wie auf Kommando.
„Das gleiche Zeremoniell“, sagte Overbeck, als er sich den Schläger besah und auf die Blut- und Haaranhaftungen im gewölbten Teil deutete.
Leni hielt sich die Hand vor den Mund und nickte. „Die gleiche Art und Weise, wie der Mord vor 18 Jahren geschah. Wer auch immer das getan hat, er ruht nicht, bis er sein Vorhaben zu Ende geführt hat.“
„Er