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Sammelband "Tatort Hunsrück" Teil 1. Hannes Wildecker
Читать онлайн.Название Sammelband "Tatort Hunsrück" Teil 1
Год выпуска 0
isbn 9783750209398
Автор произведения Hannes Wildecker
Жанр Языкознание
Серия Tatort Hunsrück
Издательство Bookwire
„Ja, natürlich.“ Overbeck öffnete umständlich seine Aktentasche uns nahm einen Hefter mit diversen Papieren heraus.
„Die Akte Dellmann, was wir bis jetzt haben. Und die Fotos vom Tatort.“
Overbeck breitete die Fotos auf einem klobigen hölzernen Tisch aus, auf dem sich ein Telefon und ein Telefonbuch befanden. Schneider war ihm gefolgt und sah sich die Bilder an, ohne sie anzufassen.
„Was meinen Sie?“, fragte er Overbeck.
„Der Tathergang?“ Overbeck zuckte die Schultern. Wir gehen davon aus, dass man dem Mann aufgelauert hat und ihn dann mit einem Baseballschläger vermutlich aus dem Stand erschlagen hat.“
„Sie meinen, in der Art, wie man im Sport auf einen Baseball eindrischt?“
„Das ist die Theorie. Pflichten Sie mir bei?“
Schneider schüttelte bedächtig den Kopf.
„Kommen Sie mit.“ Overbeck folgte ihm und sie blieben vor der Leiche auf dem Sektionstisch stehen. Der Mann lag auf dem Rücken und war unbekleidet. Der Hinterkopf lag auf einem kantigen Stück Holz. Es war ein kräftiger Körper, der breite Brustkasten ragte über dem eingefallenen Bauch nach oben.
Overbecks Blick blieb auf dem Gesicht des Toten haften oder auf dem, was einmal ein Gesicht gewesen war. Es sah nicht mehr so schlimm aus wie zur Zeit der Auffindung. Schneider -nein nicht Schneider, der gab sich nicht mit solchen Arbeiten ab, dachte Overbeck- Kornsack wird es getan haben, nämlich die Wäsche der Leiche, wobei er auch nicht das Gesicht ausgelassen hatte. Was bisher noch wie ein Klumpen Fleisch, Fett, Haut und Augen bestanden hatte, wies nun Konturen auf. Overbeck sah Teile der zertrümmerten und eingedrückten Nase, die sich unter der gewaltsam nach oben verschobenen Oberlippe befand. Die Augen waren noch da, doch sie lagen an anderen Stellen als an denen, die von der Natur angedacht waren. Wangenknochen und Zähne, die sich noch an ihren angestammten Plätzen befanden, leuchteten in Fragmenten durch das zerschlagene Fleisch und irgendwie glaubte Overbeck das Gaumenzäpfchen irgendwo im Hintergrund zu erkennen.
Overbeck versuchte genauer hinzusehen. Wenn man ihn jetzt um seine Meinung zur Tatausführung befragt hätte, er würde eine Antwort schuldig bleiben. Er verwarf seine Theorie, die er sich, wie er nun glaubte, angesichts der Örtlichkeiten und der Tatumstände entworfen hatte. Er wartete darauf, was Schneider ihm zu sagen hatte. Deshalb sagte er nur: „Die Umstände … ich hätte geschworen …“
„Kann ich gut verstehen“, unterbracht ihn Schneider. „Ich will Ihnen etwas sagen. Ich bin der Ansicht, dass der Mann auf dem Boden lag, als man auf ihn einschlug.“
„Auf einen wehrlosen Mann.“
„Auf einen offensichtlich verteidigungsunfähigen Mann“, sagte Schneider und ging um den Seziertisch herum auf die gegenüberliegende Seite.
„Wenn der Mann verteidigungsfähig gewesen wäre, als er auf dem Boden lag, was glauben Sie, welche Verletzungen würden wir vorfinden?“
Overbeck überlegte kurz. Dann wusste er, was Schneider meinte. Er nickte und sah zu Schneider, der väterlich lächelnd seinen Blick erwiderte.
„Kommt darauf an, ob der Links- oder Rechtshänder war. Sein Arm wäre zerschmettert, wegen der Abwehrbewegung.“
„So ist es, Herr Overbeck. Diese erste Verletzung würden wir feststellen. Natürlich auch die anderen, die wir hier vor uns sehen. Aber jeder Angegriffene versucht, sich irgendwie zu schützen. Wenn man also im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, will man instinktiv einen Angriff abwehren.“
„Was dieser Dellmann nicht getan hat.“
„Das ist so nicht richtig. Ich vermute, dass er reagiert hat. Doch sein Mörder hat ihn hereingelegt.“
„Hereingelegt? Wie meinen Sie das?“
„Also, Herr Overbeck“, begann Schneider gedehnt. „Ich möchte ihnen meine Theorie erzählen, so wie der Tod sie mir auftischt.“ Schneider sah zu der Leiche Dellmanns hinüber, dann wieder auf Overbeck. „Ich vermute, dass der Mann“, er schaute wieder zu Dellmann hinüber, „dass dieser Mann dort auf dem Boden lag, aus welchen Gründen auch immer. Ich habe bereits eine Vermutung. Der Täter hat mit dem Baseballschläger ausgeholt und Dellmann hat sein Gesicht zu schützen versucht. Doch der Schlag wurde nicht gegen sein Gesicht geführt.“
„Sondern gegen seinen rechten Unterschenkel“, sagte Overbeck leise.
„Ich sehe, Sie beginnen zu verstehen“, lächelte Schneider. „Also weiter: Der Schlag kam also unverhofft und reflexartig fasste sich das Opfer an sein verletztes Bein.“
„Den Reflex nutzte der Täter aus“, nickte Overbeck.
„Den Reflex, den er provoziert hatte. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Proben dort“, er zeigte auf die mit Blut und Gewebeteilen gefüllten kleinen Behältnisse auf dem hölzernen Tisch, „wenn diese Proben ergeben, dass man Dellmann betäubt hatte.“
„Sie meinen vor seinem gewaltsamen Tod?“
„Genau. Irgendwie muss der Täter sein Opfer doch an den Tatort geschafft haben. Sie sagten, das Anwesen, wo es geschah, liegt weit außerhalb der Ortschaft. Wie sonst, als ihn zu betäuben, will der Täter das schaffen, zumal Sie nicht ausschließen, dass es sich dabei um eine Frau handeln könnte.“
„Wann wird das Ergebnis vorliegen?“, fragte Overbeck gespannt und zückte sein Handy. „Entschuldigung“, sagte er zu Schneider und kurz darauf hatte er Leni an der Strippe.
„Du musst unbedingt die Wohnorte der anderen drei Personen … du weißt schon, die Tätergruppe von damals … ausfindig machen. Sammele alle Erkenntnisse über sie. Wir werden mit ihnen reden müssen, so schnell wie möglich.“
„Das ist bereits geschehen, Overbeck“, tönte es aus der Leitung. „Kollege Gehweiler hat mich mit allem versorgt. Ich bin derzeit bei der Dienststelle in Hermeskeil. Ich werde mit Gehweiler mal sehen, was die drei so treiben. Bin gespannt auf ihre Gesichter, wenn sie vom Mord an ihrem Komplizen erfahren.“
„Ich vermute ein Betäubungsmittel“, sagte Schneider, als Overbeck fertig war. „KO-Tropfen oder so was.“
Overbeck überlegte und nickte. „Unter diesen Umständen wäre es für den Täter ein Leichtes gewesen, das wehrlose Opfer zum Tatort zu bringen und dort ungestört sein Vorhaben zu vollenden.“
Das Gespräch wurde abrupt durch das Kreischen einer Knochensäge unterbrochen. Kornsack stand gebeugt hinter der Leiche und führte die Säge mit der kleinen Schnittscheibe durch den oberen Bereich des Kopfes. Das Gesicht des Toten war nicht mehr zu erkennen, denn Kornsack hatte die gelöste Kopfhaut darübergelegt und unter dem Kinn verankert.
Overbeck folgte Schneider zu Kornsack, der nun das Gehirn aus dem Schädel gelöst hatte und übergab die Masse, die er kurz mit der Dusche abgebraust hatte, in die Hände des Professors.
„Eine Probe dieses Gehirns und eine Blutprobe dazu würden sicherlich reichen, um ein Medikament oder ein Gift nachzuweisen“, sagte er, während er mit einem scharfen Messer das Gehirn in circa zwei Zentimeter dicke Scheiben schnitt. „Aber Sicherheit geben wird uns eine Haarprobe. Über die Haare kann jedes Gift nachgewiesen werden. Und ein Betäubungsmittel ist ein Gift, angewandt in einer kleineren Dosis.“
Plötzlich verzog er das Gesicht. Ein penetranter Geruch verbreitete sich von einem Moment auf den anderen im Obduktionsraum. Overbeck sah zu Kornsack hinüber und erkannte die Ursache. Der Gehilfe des Professors hatte die Leiche vom Hals abwärts bis über den Unterbauch hinaus mit einem Skalpell aufgeschnitten und griff erneut zu seiner Knochensäge. Damit schnitt er ein trapezförmiges Teil aus dem Brustkasten, der ihm den Zugriff auf die oberen Organe erlaubte.
„Sie entschuldigen.“
Schneider wandte sich von Overbeck ab und