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Orangen und Datteln. Karl May
Читать онлайн.Название Orangen und Datteln
Год выпуска 0
isbn 9783746750163
Автор произведения Karl May
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er warf den Kopf empor und fuhr sich mit den Nägeln der geöffneten Rechten rasch unter den Bart, bei den Beduinen die Gebärde der vollständigsten Verachtung.
»Ihr werdet alles bringen, was wir verlangen! Ich war zweimal bei euch, und ihr habt es nicht gewagt, eure Hände an den Gesandten des Hedjahn-Bei zu legen; ihr werdet es auch heute nicht thun. Hundert Männer wie du vermögen nicht, ihn zu besiegen, und tausend Männer deinesgleichen werden seine Gum nicht überwinden, denn du bist – ein Giaur!«
Ich trat sofort mit erhobener Faust auf ihn zu.
»Ist dein Kopf leer und dein Geist verdorrt, daß du es wagst, mir dieses Wort zu sagen, du, der du nichts bist als ein Kelb den man zur Erde schlägt?!«
Er ließ sofort die Flinte zur Erde gleiten und erhob die beiden Arme. An jedem Handgelenke hing ihm ein scharfes, spitzes Kussa (Messer) von wohl acht Zoll Klingenlänge. Während der gewöhnliche Beduine nur ein solches Messer trägt, führt der Wüstenräuber deren zwei, welche er in der Weise gebraucht, daß er den Feind umarmt und ihm die beiden Klingen dabei in den Rücken stößt. Mein Tuareg hielt sich zu demselben Verfahren bereit.
»Willst du das Wort widerrufen?« fragte ich.
»Ich sage es noch einmal, Giaur!«
»So falle nieder vor dem Giaur!«
Noch ehe er eine Bewegung machen konnte, traf ihn meine Faust auf die Stirn; er knickte zusammen und sank besinnungslos zu Boden. Es war dies ganz derselbe Jagdhieb, wegen dessen man mich in der Prairie Old Shatterhand genannt hatte.
»O mon Dieu!« kreischte Madame auf, »Sie haben den Mann erschlagen; er ist tot; vollständig tot!«
Mademoiselle lag in halber Ohnmacht auf dem Diwan, neben welchem sie gestanden hatte, und Latréaumont war sprachlos und machte ein Gesicht, als ob der Blitz grad vor ihm in den Boden gefahren sei.
»Keine Sorge, Madame,« tröstete ich; »dieser Geselle lebt noch, wenn ihm auch die Besinnung für einige Zeit abhanden gekommen ist. Ich kenne meine Faust genau; wäre es meine Absicht gewesen, ihn zu töten, so hätte ich ein wenig weiter ausgeholt.«
Diese Worte brachten den erschrockenen Franzosen wieder zu Atem.
»Aber Sie sind ja ein Gigant, ein wahrer Goliath, Monseigneur! Bei mir hätte es wenigstens einiger hundert Hiebe bedurft, um diesen Mann par terre zu bringen!«
Das kleine Männchen, welches mir kaum bis zur Schulter reichte und die Hände eines Kindes besaß, hatte jedenfalls recht. Er hätte wohl Monate lang auf dem Schädel des Tuareg herumhämmern können, ohne ihm einigermaßen wehe zu thun.
»Bitte, Monseigneur,« erwiderte ich, »sorgen Sie dafür, daß dieser Beduine gebunden und der Polizei überliefert werde: ihre Gewalt reicht zwar nicht bis in die Wüste; hier aber wird sie sich Ihnen gern zur Disposition stellen.«
Er sah mich ganz überrascht an.
»Ist das Ihr Ernst, Monseigneur?«
»Gewiß!«
»Mon ciel, das dürfen wir doch nicht thun, denn dann wird der fürchterliche Hedjahn-Bei unsern armen R6nald töten! Ich glaube vielmehr, daß dieser gräßliche Hieb schon ein ganz außerordentliches Wagnis ist!«
»Ich werde Ihnen meine Gründe erklären, ersuche Sie aber dringend, bis dahin so zu handeln, wie ich es von Ihnen erbitte. Oder sagten Sie nicht vorhin, daß ich im Besitze Ihres vollständigen Vertrauens sei?«
»Gewiß, gewiß, Monseigneur. Ich stehe ja schon im Begriffe, die Dienerschaft zu rufen!«
Er eilte nach dem Klingelzuge, und auf den ungewöhnlich lauten Ton der Glocke kam die sämtliche disponible Domestikenschaft herbeigestürzt.
»Bindet diesen Menschen, und werft ihn in ein festes Gewölbe, bis die Polizei kommt, um ihn abzuholen!« befahl der Hausherr mit einer Miene, als sei er es gewesen, der den ›gräßlichen Hieb‹ geführt hatte.
Man stürzte sich mit echt südlicher Lebhaftigkeit auf den Besinnungslosen, und in zwei Augenblicken war er mit allen möglichen Dingen, die einstweilen als Fesseln dienen konnten, so eng zusammengeschnürt, daß ihm nach seinem Erwachen sicherlich keine Bewegung möglich war. Dann faßten acht eifrige Hände den Gefangenen, um ihn fortzuschleifen.
Ein einziger von den Dienern war am Eingange stehen geblieben, ohne sich an den Bemühungen der andern zu beteiligen. Er war eine untersetzte, breitschulterige Figur und hatte ein Gesicht, welches mir zu der morgenländischen Kleidung, welche er trug, gar nicht recht zu passen schien. Als er den Aufwand von Kräften bemerkte, mit welchem die andern vier den Tuareg nach der Thür zogen, trat er heran und schob sie beiseite.
»Maschallah, tausend Schwerebrett, is des aan Gezieh und an Gezerr! Packt euch fort, ihr Nixnutz ihr, denn dos bring' ich halt ganz allein fertig!«
Ein Ruck, ein kräftiger Schwung, und er hatte den Tuareg auf die Achsel geworfen.
Vor Freude über die so unerwarteten deutschen Laute ließ ich ihn fast aus dem Zimmer laufen, ohne ihn nur zurückzuhalten.
»Halt!« rief ich, als er bereits die Thür geöffnet hatte. »Du bist ein Deutscher?«
Im Nu hatte er sich trotz seiner Last zu mir herumgedreht.
Sein breites, ehrliches Gesicht glänzte von einem Ohre bis zum andern.
»Dos will ich wohl meinen, Herr! Sie wohl auch?«
»Allerdings. Wo bist du daheim?«
»Ich bin zu Haus' in Kaltenbrunn bei Staffelstein.«
»Also in Bayern. Aber dein Dialekt ist ein anderer als der in der Gegend von Staffelstein, wo ich ein so gutes, laufiges Bier getrunken habe!«
»Ja, Herr, dos is – – aber da habt ihr halt den Kerl wieder! Schleift ihn meinetweg'n, wohin ihr wollt!« unterbrach er sich, indem er den Tuareg zur Erde gleiten ließ. Dieser wurde hinausgeschafft, der Landsmann aber wandte sich wieder zu mir und reichte mir treuherzig die Hand. »So, itzt hab' ich halt nun die Händ' wieder frei. Grüß' Gott, Herr, in Afrika! ja, in Staffelstein, da giebt's aan Bier, aan Bier, sag' ich, dos läuft wie die Maus ins Loch; drum ist's ganz richtig, wenn Sie sag'n, daß es laufig is. Also dort gewes'n sind Sie? Na, dos is halt schön; dos is halt prächtig! Und an meiner Sprach' is halt niemand schuld als die Leut' aus Baden und der Rheinpfalz hier, die mir den Staffelsteiner Dialekt halt ganz verdorben hab'n.«
»Es sind Süddeutsche hier?«
»Satt und genug, Herr. Sie sind drauß'n auf dem Dorf Dely Ibrahim bei EI Biar, wo's Trappistenkloster is. Aber wo sind denn Sie zu Haus'?«
»Ich bin ein Sachse.«
»Maschallah, tausend Schwerebrett, aan Nachbar von daheim! Darf ich halt frag'n, wie lange Sie noch hier bleiben werd'n?«
»Morgen früh reise ich wieder ab.«
»Schon! Wohin denn, wenn's erlaubt sein wird?«
»In die Sahara.«
»In die Sand- und Mördergrube? Aan Stück bin ich schon d'rin gewes'n, nämlich in Farfar, und hab' schon lang wieder 'mal hineingewollt. Maschallah, Herr, darf ich halt mit?«
Diese Frage kam mir nicht unwillkommen. Einen Diener mußte ich haben, und ein Deutscher war mir auf alle Fälle lieber als jeder andere.
»Gingst du wirklich mit?«
»Auf der Stell' und mit Plaisir!«
»Kannst du reiten?«
»Reiten? Wie der Teufel, Herr! Ich bin ja mit der Fremdenlegion herübergekommen und hab' halt bei den Chasseurs d'Afrique gestand'n.«
»Verstehst du Arabisch?«
»Grad was gebraucht wird, ja.«
»Was warst du früher?«