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sagte zu ihm: »Mein lieber Fortunato, es freut mich, dich zu treffen. Wie prächtig du heute aussiehst – außerordentlich wohl! Doch höre: ich habe ein Faß Wein bekommen, das für Amontillado gilt, und ich habe meine Zweifel.«

      »Wie?« sagte er, »Amontillado? Ein Faß? Unmöglich? Und mitten im Karneval?«

      »Ich habe meine Zweifel«, erwiderte ich. »Und ich war töricht genug, den vollen Amontillado-Preis zu zahlen, ohne dich erst zu Rate zu ziehen. Du warst nicht zu finden, und ich fürchtete, durch eine Verzögerung den ganzen Handel zu verlieren.«

      »Amontillado!«

      »Ich habe meine Zweifel.«

      »Amontillado!«

      »Und ich muß sie zum Schweigen bringen.«

      »Amontillado!«

      »Da du beschäftigt bist, werde ich Luchesi aufsuchen. Wenn einer ein kritisches Urteil hat, ist er es. Er wird mir sagen –«

      »Luchesi kann Amontillado nicht von Sherry unterscheiden!«

      »Und doch behaupten so ein paar Narren, daß sein Weinverstand dem deinigen gleichkomme.«

      »Komm, laß uns gehen.«

      »Wohin?«

      »In deine Kellereien.«

      »Nein, mein Freund; ich will nicht deine Gutmütigkeit ausnützen. Ich sehe, du bist beschäftigt. Luchesi –«

      »Ich bin nicht beschäftigt, komm!«

      »Lieber Freund, nein! Es ist ja nicht nur das, daß du etwas anderes vorhattest; du bist ernstlich erkältet. Die Kellergewölbe sind unerträglich feucht. Sie haben eine Salpeterkruste angesetzt.«

      »Laß uns trotzdem gehen! Die Erkältung ist nicht der Rede wert. Amontillado! Man hat dich betrogen; und Luchesi – der kann Sherry von Amontillado nicht unterscheiden.«

      Mit diesen Worten hing Fortunato sich in meinen Arm. Ich nahm eine schwarze Seidenmaske vors Gesicht, hüllte mich dicht in meinen Mantel und ließ es geschehen, daß mein Freund mich eilends zu meinem Palazzo geleitete.

      Die Dienerschaft war nicht zu Hause; der Karneval hatte sie hinausgelockt. Ich hatte den Leuten gesagt, daß ich nicht vor dem nächsten Morgen heimkommen würde, und ihnen streng verboten, sich aus dem Hause zu rühren. Ich wußte, daß dies genügte, damit alle zusammen, sobald ich den Rücken wandte, davonliefen.

      Ich nahm zwei Fackeln aus den Ringen an der Wand, gab Fortunato eine davon und komplimentierte ihn durch mehrere Zimmerreihen in den Bogengang, der zu den Gewölben führte. Ich schritt eine lange, gewundene Treppe hinab und bat ihn, mir vorsichtig zu folgen. Endlich kamen wir unten an und standen zusammen in der feuchten Tiefe der Katakomben der Montresors.

      Der Gang meines Freundes war unsicher, und die Schellen an seiner Kappe klingelten bei seinen Schritten.

      »Das Faß!« sagte er.

      »Das ist weiter hinten«, antwortete ich. »Siehst du das weiße Gewebe, das da ringsum von den Kellermauern leuchtet?«

      Er wandte sich mir zu und sah mir in die Augen. Seine Blicke waren feucht von Schnupfen und Trunkenheit.

      »Salpeter?« fragte er schließlich.

      »Salpeter«, erwiderte ich. »Wie lange hast du schon diesen Husten?«

      Er hustete, hustete, hustete. Mein armer Freund konnte minutenlang keine Antwort geben.

      »Es ist nichts«, erwiderte er dann.

      »Komm,« sagte ich sehr bestimmt, »wir wollen umkehren; deine Gesundheit ist kostbar. Du bist reich, geachtet, bewundert, geliebt; du bist glücklich, wie ich einst war. Du würdest eine Lücke hinterlassen. Um mich ist es nicht schade. Wir wollen umkehren! Du wirst krank werden, und ich kann das nicht verantworten. Übrigens kann ja Luchesi –«

      »Genug!« sagte er. »Der Husten ist ganz belanglos; er wird mich nicht umbringen. Ich werde nicht an meinem Husten zugrunde gehen.«

      »Wahr – wahr«, erwiderte ich. »Wirklich, ich hatte nicht die Absicht, dich unnötig zu beunruhigen – aber du solltest die Vorsicht nicht außer acht lassen. Ein Schluck Medoc wird uns vor der Einwirkung der Dünste schützen.«

      Bei diesen Worten zog ich aus einer langen Flaschenreihe, die längs der Mauer auf der Erde lag, eine Flasche hervor und schlug ihr den Hals ab.

      »Trink«, sagte ich und bot ihm den Wein. Er setzte ihn an die Lippen. Er hielt inne und nickte mir vertraulich zu; seine Glöckchen klingelten.

      »Ich trinke«, sagte er, »auf die Toten, die hier ruhen.«

      »Und ich auf dein langes Leben!«

      Er nahm von neuem meinen Arm, und wir gingen weiter.

      »Diese Gewölbe«, sagte er, »sind weitläufig.«

      »Die Montresors«, erwiderte ich, »waren eine große und zahlreiche Familie.«

      »Ich vergaß dein Wappenzeichen.«

      »Ein riesiger goldener Fuß in blauem Felde; der Fuß zertritt eine sich bäumende Schlange, deren Zähne ihm in der Ferse sitzen.«

      »Und das Motto?«

      »Nemo me impune lacessit.«

      »Gut!« sagte er.

      Der Wein flackerte aus seinen Augen, und die Glöckchen klingelten. Auch mir stieg der Medoc zu Kopfe. Wir waren an einer ganzen Reihe aufgestapelter Skelette und Fässer vorbei bis in den entferntesten Teil der Katakomben gelangt. Ich blieb wieder stehen, und diesmal wagte ich es, Fortunato am Arm zu rütteln.

      »Der Salpeter!« sagte ich. »Sieh, wie es immer mehr wird. Er hängt an den Wölbungen wie Moos. Wir sind unter dem Flußbett. Die Nässe tropft durch die Skelette. Komm, wir wollen umkehren, ehe es zu spät ist. Dein Husten –«

      »Nicht der Rede wert,« sagte er; »laß uns weitergehen. Vorher aber – noch einen Schluck Medoc.«

      Ich schlug einer Flasche de Grave den Hals ab und reichte sie ihm. Er leerte sie mit einem Zug. In seinen Augen flackerte ein wildes Licht. Er lachte und warf die Flasche mit einer seltsamen Bewegung zur Decke – einer Geste, die ich nicht verstand.

      Ich sah ihn verwundert an. Er wiederholte die absonderliche Geste.

      »Du verstehst nicht?« fragte er.

      »Nicht im geringsten«, antwortete ich.

      »Du gehörst nicht zur Bruderschaft!«

      »Wie?«

      »Du bist kein Maurer.«

      »Ja, ja«, sagte ich. »Jawohl, ja.«

      »Du? Unmöglich! Ein Maurer?«

      »Ein Maurer«, antwortete ich.

      »Ein Zeichen!« sagte er.

      »Hier ist es«, erwiderte ich, aus den Falten meines Überwurfs eine Maurerkelle hervorziehend.

      »Du spaßest«, rief er aus und wich von mir zurück. »Aber komm weiter zum Amontillado!«

      »Gut also«, sagte ich, nahm die Kelle wieder unter den Mantel und bot ihm den Arm. Er lehnte sich schwer darauf. Wir setzten unseren Weg fort. Wir gingen durch mehrere niedere Bogengänge, gingen hinab, hinauf und wieder hinab und betraten nun eine tiefe Gruft, wo die Luft so modrig war, daß unsere Fackeln nicht mehr flammten, sondern nur noch schwelten.

      Am entlegensten Ende der Gruft kam eine andere, kleinere zum Vorschein. An ihren Wänden waren bis zur Decke hinauf Menschenknochen aufgestapelt gewesen, ähnlich wie in den großen Katakomben von Paris. Drei Seiten dieser innersten Gruftkammer waren noch jetzt so geschmückt. Von der vierten waren die Knochen weggeräumt; sie lagen auf dem Boden herum und waren an einer Stelle zu einem Haufen aufgetürmt. Inmitten der so bloßgelegten Mauer bemerkten wir noch eine letzte Höhlung. Sie war etwa vier Fuß tief,

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