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daß die Umlaufzeit und mit ihr also auch die Hauptachse der Ellipse des Kometen allmählich, aber durchaus regelmäßig kürzer wird. Genau das müßte sich nun ergeben, wenn wir annehmen, daß der Komet den Widerstand einer äußerst dünnen ätherischen Substanz, die seine Bahn durchdringt, zu überwinden hat. Denn es ist klar, daß ein solcher Stoff, der die Schnelligkeit des Kometen verringert, seine zentripetale Kraft vermehren, die zentrifugale aber vermindern muß. Mit andern Worten, die Anziehungskraft der Sonne würde beständig größre Macht gewinnen und der Komet bei jeder Umdrehung stärker von ihr angezogen werden. Ja, es läßt sich für die fraglichen Veränderungen überhaupt keine andere Erklärung finden.

      Also noch einmal: Der wirkliche Durchmesser der Nebelhülle des Kometen verkürzt sich bei Annäherung an die Sonne mit äußerster Schnelligkeit und dehnt sich bei der Wiederentfernung des Kometen mit entsprechender Schnelligkeit wieder aus. War ich nicht, mit Mr. Valz, zu der Annahme berechtigt, daß diese offenbare Verdichtung des Volumens in der Zusammendrängung der vorgenannten ätherischen Substanz ihre Ursache hat, deren Dichtigkeit im Verhältnis zu ihrer Sonnennähe zunimmt? Auch das linsenförmige Phänomen, das man Zodiakallicht nennt, verdient Beachtung. Dieser in den Tropen besonders deutliche Lichtschein, der nicht mit einer meteorischen Strahlung verwechselt werden kann, verbreitet sich vom Horizont schräg nach oben und folgt in der Regel der Richtung des Sonnenäquators. Mir schien es ganz offenbar eine Art verdünnter Atmosphäre zu sein, die sich rings um die Sonne ausbreitet, mindestens bis über die Bahn der Venus hinaus und, nach meiner Annahme, noch unendlich viel weiter.[5] Ja, ich konnte nicht der Auffassung sein, daß dieses Medium sich auf die Bahn der Ellipse des Kometen oder nur auf den nächsten Umkreis der Sonne beschränke. Es ist im Gegenteil leicht anzunehmen, daß es die ganze Region unsres Planetensystems durchdringt und sich um die Planeten selbst zu der sogenannten Atmosphäre verdichtet – bei einigen derselben vielleicht durch rein geologische Bedingungen modifiziert; das heißt, in seinen Verhältnissen (oder seiner absoluten Beschaffenheit) modifiziert durch die verflüchtigten Materien der betreffenden Gestirne.

      Unter diesem Gesichtspunkt gab es kaum mehr ein Zögern für mich. Überzeugt, daß ich auf meiner Fahrt in eine der unsern wesentlich gleichende Atmosphäre kommen würde, stellte ich fest, daß ich mit Hilfe des sehr geeigneten Apparates des Herrn Grimm gut in der Lage sein würde, diese Atmosphäre zu Atmungszwecken genügend zu verdichten. Das mußte das Haupthindernis einer Mondreise beheben. Ich hatte es mich ein schönes Stück Geld und viel Arbeit kosten lassen, den Apparat dem bewußten Zweck anzupassen, und sah vertrauensvoll seiner erfolgreichen Anwendung entgegen, sofern es mir nur gelänge, die Reise innerhalb einer entsprechend kurzen Zeit zu beenden. – Das bringt mich wieder auf die Frage der Geschwindigkeit zurück, mit der die Reise sich möglicherweise ausführen lassen konnte.

      Es ist bekannt, daß Ballons im ersten Stadium ihres Aufsteigens nur eine mäßige Geschwindigkeit haben. Nun beruht die Auftriebskraft ganz allein auf der größren Schwere der atmosphärischen Luft gegenüber dem Gas im Ballon, und auf den ersten Blick scheint es nicht annehmbar, daß die ursprüngliche Geschwindigkeit des Ballons sich beim Steigen durch atmosphärische Schichten von immer schneller abnehmender Dichtigkeit überhaupt noch zu vergrößern vermöchte. Andrerseits hatte ich jedoch nie gehört, daß sich jemals bei einer von Luftschiffern erzielten Höhe eine Verminderung in der absoluten Aufstiegsgeschwindigkeit ergeben hätte, obschon das eigentlich der Fall sein müßte, zumindest wegen der Gasausströmung bei schlechtgebauten und nur in üblicher Weise gefirnisten Ballons. Es schien demnach, daß dieses Ausströmen nur gerade die Wirkung hatte, für die zunehmende Schnelligkeit des Ballons bei seinem immer geringer werdenden Abstand vom Gravitationszentrum ein Gegengewicht zu bilden. Ich kam also zu der Schlußfolgerung: angenommen, ich fand auf meiner Fahrt das vermutete Medium, und angenommen, daß es sich im wesentlichen als das erwies, was wir atmosphärische Luft nennen, so konnte es verhältnismäßig wenig bedeuten, in was für einer außerordentlichen Verdünnung ich es antraf – das heißt hinsichtlich meiner Aufstiegsgeschwindigkeit –, denn nicht nur würde auch das Gas im Ballon einer ähnlichen Verdünnung unterworfen sein (bei welcher Gelegenheit ich so viel entweichen lassen konnte, als zur Verhütung einer Explosion notwendig war), sondern, was es auch sei, es würde sich auf alle Fälle darin gleich bleiben, spezifisch leichter zu sein als jede wie immer geartete Verbindung von Stickstoff und Sauerstoff. Es gab also die Möglichkeit – in der Tat die große Wahrscheinlichkeit –, daß ich bei meinem Aufstieg nirgends zu einem Punkte gelangen würde, wo das Gesamtgewicht meines ungeheuren Ballons, seine unendlich verdünnte Gasfüllung, die Gondel und ihr Inhalt, dem Gewicht der verdrängten Masse der Atmosphäre gleichkäme, wodurch allein, wie man begreifen wird, mein Aufstieg eine Hemmung hätte erleiden können. Sollte aber dennoch solch ein unwahrscheinlicher Punkt erreicht werden, so konnte ich an Ballast und andrem Gewicht bis beinahe dreihundert Pfund abwerfen. Inzwischen würde die Gravitationskraft sich beständig verringern, im Verhältnis zum Entfernungswinkel, und so könnte ich schließlich mit einer gewaltig zunehmenden Geschwindigkeit in jene fernen Regionen gelangen, wo die Anziehungskraft der Erde von der des Mondes übertroffen werden mußte.

      Es gab jedoch noch eine andre Schwierigkeit, die mir einige Unruhe verursachte. Man hat beobachtet, daß bei Ballonaufstiegen in beträchtliche Höhe sich – abgesehen von Atemnot – Schmerzen im Kopf und im ganzen Leibe einstellen, oft von Nasenbluten und sonstigen beängstigenden Symptomen begleitet, die immer heftiger werden, je höher man steigt. Diese Gedanken waren geeignet, mir angst zu machen. War nicht anzunehmen, daß jene Erscheinungen sich steigern mußten, bis der Tod selber ihnen ein Ende machte? Ich kam indes zu einem verneinenden Schluß. Ihre Ursache war in der fortschreitenden Abnahme des gewohnten atmosphärischen Drucks auf die Körperoberfläche zu suchen, folglich in einer Ausdehnung der äußern Blutgefäße – nicht in einer positiven Zerstörung des animalischen Aufbaus, wie das bei Atmungsbeschwerden der Fall ist, wo die atmosphärische Dichtigkeit für die nötige Erneuerung des Blutes in einer Herzkammer chemisch ungenügend ist. Solange aber diese Erneuerung nicht unmöglich gemacht wurde, sah ich daher keinen Grund, warum das Leben nicht auch in einem Vakuum fortbestehen sollte; denn das Ausdehnen und Zusammenziehen des Brustkastens, gewöhnlich Atmen genannt, ist eine reine Muskeltätigkeit und die Ursache, nicht die Folge der Atmung. Kurz, ich erkannte, daß jene Schmerzen, da der Körper sich wohl an den Mangel des atmosphärischen Drucks gewöhnen mußte, nachlassen würden; und daß ich sie aushalten könnte, solange sie andauerten, darauf verließ ich mich im Hinblick auf meine eiserne Konstitution.

      So habe ich nun, wie Eure Exzellenzen zu sehen geruhen wollen, einige, wenngleich durchaus nicht alle Betrachtungen dargelegt, die mich veranlaßten, eine Mondreise zu unternehmen. Ich fahre nun fort, Ihnen das Resultat meines gewiß äußerst verwegenen und in den Annalen der Menschheit jedenfalls einzig dastehenden Versuches darzulegen.

      Als ich die zuvor erwähnte Höhe erreicht hatte – nämlich drei und dreiviertel Meilen –, ließ ich eine Handvoll Federn auffliegen und fand, daß ich noch immer mit genügender Schnelligkeit emporstieg; es bestand also keine Notwendigkeit, Ballast abzuwerfen. Ich war froh darüber, denn ich wollte ein möglichst großes Gewicht bei mir behalten, aus dem erklärlichen Grunde, daß ich ja weder über die Anziehungskraft noch über die atmosphärische Dichtigkeit des Mondes Gewißheit hatte. Vorläufig empfand ich nicht das geringste körperliche Unbehagen, konnte tief Atem holen und verspürte keinerlei Kopfweh. Die Katze lag ganz unbesorgt auf meinem Rock, den ich abgelegt hatte, und betrachtete mit Nonchalance die Tauben, die an den Füßen angebunden waren, damit sie nicht entweichen konnten. Sie waren eifrig beschäftigt, die Reiskörner zu picken, die ich für sie auf dem Boden der Gondel ausgestreut hatte.

      Zwanzig Minuten nach sechs Uhr zeigte das Barometer eine Höhe von 26 400 Fuß oder nahezu fünf Meilen. Das Panorama schien unbegrenzt. Übrigens ist es ganz leicht, mit Hilfe der sphärischen Geometrie zu berechnen, welchen Umfang der Erdoberfläche man überschaut. Die konvexe Oberfläche eines Kugelschnitts verhält sich zur Gesamtoberfläche der Kugel selbst wie der Sinus versus des Segmentes zum Durchmesser der Kugel. Nun kam in meinem Fall der Sinus versus – das heißt die Dicke des unter mir liegenden Schnitts – etwa meiner Höhe oder der Höhe des Sehpunktes über der Oberfläche gleich. So würde also der Teil der Erdoberfläche, den ich erblickte, einem Verhältnis von fünf zu achttausend Meilen entsprechen. Anders ausgedrückt, ich erblickte den sechzehnhundertsten Teil

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