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darauf setzte er mit einem Ausruf der Überraschung hinzu:

      »Silver in eigener Person!«

      Da sprang ich auf, rieb mir den Schlaf aus den Augen und lief an eine Schießscharte an der Wand.

      Richtig – zwei Männer standen dicht an der Umpfählung; einer von ihnen schwenkte ein weißes Tuch; der andere – kein Geringerer als Silver selbst– stand ruhig neben ihm.

      Es war noch recht früh, und es war der kälteste Morgen, den ich jemals im Freien verbracht habe; eine Kälte, die mir durch Mark und Bein drang. Der Himmel droben war klar und wolkenlos, und die Wipfel der Bäume leuchteten rosig in der Sonne. Aber die Stelle, wo Silver mit seinem Begleiter stand, lag noch ganz im Schatten, und sie wateten knietief in einem dichten weißen Nebel, der während der Nacht vom Sumpf heraufgekrochen war. Die Kälte und dieser Nebel redeten eine deutliche Sprache; sie bewiesen, daß diese Insel ein trübseliger Aufenthalt sein mußte, offenbar ein feuchter, fieberausdünstender, ungesunder Ort.

      »Bleibt im Hause, Leute!« sagte der Kapitän. »Es ist zehn gegen eins zu wetten, daß sie eine Hinterlist vorhaben.«

      Dann rief er die Piraten an:

      »Wer da? Steht, oder wir schießen!«

      »Parlamentär!« rief Silver.

      Der Kapitän stand im Vorbau, deckte sich aber sorgfältig gegen einen Schuß aus dem Hinterhalt, falls ein solcher etwa beabsichtigt sein sollte. Er wandte sich zu uns und sagte:

      »Doktors Wache zum Ausguck! Doktor Livesey, übernehmen Sie bitte die Nordseite; Jim die Ostseite; Gray die Westseite. Alle Musketen geladen! Fix, Leute, fix, Leute, und paßt sorgfältig auf!«

      Dann wandte er sich wieder zu den Meuterern und rief:

      »Und was wollt ihr mit eurem Parlamentär?«

      Dieses Mal antwortete der andere Mann:

      »Käpp'n Silver, Herr, möchte an Bord kommen und über die Bedingungen verhandeln!« rief er.

      »Käpp'n Silver! Kenn ich nicht! Wer ist das?« rief der Kapitän. Und wir konnten hören, wie er leise vor sich hinsagte:

      »Käpp'n, sagt er? I du liebe Güte, das ist schnelle Beförderung!«

      Long John antwortete selber:

      »Ich, Herr. Diese armen Jungens haben mich zu ihrem Käpp'n gemacht, nachdem Sie, Herr, desertiert waren.« Er legte einen besonderen Ton auf das Wort ›desertiert‹. »Wir sind willens, uns mit Ihnen zu einigen, wenn wir zu vernünftigen Bedingungen kommen können, und ohne Widerwärtigkeiten. Ich verlange weiter nichts als Ihr Wort, Käpp'n Smollett, daß Sie mich heil und gesund aus diesem Pfahlwerk hier wieder herauslassen, und daß ich eine Minute habe, bevor ein Gewehr abgefeuert wird.«

      »Mein Mann,« sagte Kapitän Smollett, »ich habe nicht das geringste Verlangen, mit Euch zu reden. Wenn Ihr mit mir zu reden wünscht, so könnt Ihr kommen, und damit fertig. Wenn es irgendeine Verräterei gibt, so wird die auf Eurer Seite sein, und der Herrgott mag ihm gnädig sein.«

      »Das genügt, Käpp'n!« rief Long John fröhlich. »Ein Wort von Ihnen genügt. Ich weiß, was ein Gentleman ist, darauf können Sie sich verlassen.«

      Wir konnten sehen, daß der Mann mit der weißen Flagge Silver zurückzuhalten versuchte. Das war auch nicht zu verwundern, denn des Kapitäns Antwort war sehr kavaliermäßig gewesen, aber Silver lachte ihn laut aus und klopfte ihm auf den Rücken, wie wenn es lächerlich gewesen wäre, sich irgendwie zu beunruhigen. Dann trat er an die Palisaden heran, schwang seine Krücke herüber und stieg mit großer Kraft und Gewandtheit über den Zaun, auf dessen anderer Seite er wohlbehalten ankam. Ich will gestehen, daß ich von den Vorgängen zu sehr in Anspruch genommen war, um hier als Schildwache auch nur das geringste nützen zu können; ich hatte meine Schießscharte an der Ostwand verlassen und war hinter den Kapitän gekrochen, der sich jetzt auf die Schwelle gesetzt hatte. Er stützte seine Ellenbogen auf die Knie, seinen Kopf auf die Hände und sah auf die Quelle, die aus dem alten eisernen Kessel über den Sand sprudelte, und pfiff vor sich hin die Melodie: »Kommt, Jungens und Deerns!«

      Silver hatte eine harte Arbeit, den Abhang hinaufzukommen. Zwischen den dicken Baumstümpfen und in dem losen Sand des steilen Hügels war er mit seiner Krücke so hilflos wie ein steuerloses Schiff. Aber er quälte sich tapfer ab, ohne ein Wort zu sagen, und stand vor dem Kapitän, den er mit großem Anstand grüßte. Er hatte seinen besten Anzug angezogen: ein ungeheuer großer blauer Rock mit unzähligen Messingknöpfen ging ihm bis zu den Knien herunter; ein Dreimaster, der mit schöner Goldspitze besetzt war, saß ihm auf dem Hinterkopf.

      »So, da seid Ihr ja, mein Mann,« sagte der Kapitän, indem er aufblickte. »Es ist wohl am besten, wenn Ihr Platz nehmt.«

      »Sie wollen mich nicht hereinkommen lassen?« sagte Long John in vorwurfsvollem Tone. »Es ist ganz gewiß ein verdammt kalter Morgen, Herr, so im Freien auf dem Sande zu sitzen!«

      »Na, Silver,« sagte der Kapitän, »wenn es Euch genügt hätte, ein ehrlicher Mann zu bleiben, hättet Ihr in Eurer Kombüse sitzen können. Ihr seid selber schuld. Ihr seid entweder mein Schiffskoch – und als solcher wurdet Ihr anständig behandelt, – oder Ihr seid Käpp'n Silver, ein gemeiner Meuterer und Seeräuber, und dann könnt Ihr Euch hängen lassen!«

      »Nu, schön, Käpp'n,« antwortete der Schiffskoch, indem er sich auf den Sand setzte, wie ihm befohlen war. »Sie werden mir die Hand reichen müssen, damit ich wieder hoch komme, das ist alles. Ein recht nettes Plätzchen haben Sie ja hier. Ah, da ist ja Jim! Recht schönen guten Morgen, Jim. Doktor, Ihr ergebener Diener. Na, da sitzen ja alle beisammen, wie eine glückliche Familie sozusagen.«

      »Wenn Ihr mir etwas zu sagen habt, mein Mann, so ist es besser, Ihr sagt es!« sagte der Kapitän.

      »Da haben Sie recht, Käpp'n Smollett!« antwortete Silver. »Pflicht ist Pflicht – ganz gewiß. Na, nun hören Sie mal: da haben Sie gestern abend einen guten Streich gemacht. Ich glaube nicht, daß es ein guter Streich war. Einige von Ihnen sind recht fix mit einer Handspeiche! Und ich will auch nicht leugnen, daß einige von meinen Leuten einen kleinen Schrecken bekamen – vielleicht bekamen sie alle einen; vielleicht bekam ich selber einen Schrecken; vielleicht ist das der Grund, warum ich hier bin, um über Ihre Bedingungen zu sprechen. Aber merken Sie sich das, Kapitän: ich werde das nicht zum zweitenmal tun, zum Donnerwetter nochmal! Wir werden einen Postendienst einrichten müssen und ein bißchen sparsamer mit dem Rum umgehen. Vielleicht denken Sie, wir hätten alle einen kleinen sitzen gehabt. Aber ich sage Ihnen, ich war nüchtern! Ich war bloß hundemüde. Wenn ich eine Sekunde früher aufgewacht wäre, hätte ich Sie dabei abgefaßt. Er war noch nicht tot, als ich zu ihm kam.«

      »Nun?« sagte Kapitän Smollett, vollkommen gleichgültig und kalt.

      Jedes Wort, das Silver sagte, war für den Kapitän ein Rätsel; aber das hätte seinem Ton kein Mensch anmerken können. Übrigens begann mir eine Ahnung aufzugehen. Ben Gunns letzte Worte kamen mir in den Sinn. Ich begann zu vermuten, daß er den Piraten einen Besuch abgestattet hatte, während sie alle betrunken um ihr Feuer herumlagen, und ich rechnete mir mit Vergnügen aus, daß wir nur noch mit vierzehn Feinden zu tun hatten.

      »Na, also die Sache ist so,« sagte Silver: »Wir wollen den Schatz haben, und wir kriegen ihn – das ist für uns die Hauptsache! Sie möchten ebenso gerne Ihr Leben retten, denke ich mir; und das ist für Sie die Hauptsache. Sie haben eine Karte, nicht wahr?«

      »Das mag wohl sein,« antwortete der Kapitän.

      »Oh, Sie haben eine, das weiß ich! Sie brauchen nicht so kurz angebunden zu sein; das hat nicht den geringsten Zweck, darauf können Sie sich verlassen. Was ich meine, ist dies: wir wollen Ihre Karte haben! Nun, ich habe gegen Sie selber niemals etwas gehabt.«

      »Euer Reden hat bei mir gar keinen Zweck, mein Mann,« unterbrach ihn der Kapitän. »Wir wissen ganz genau, was Ihr zu tun beabsichtigt, und wir machen uns nichts daraus; denn jetzt, seht mal, könnt Ihr es

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